Liebe Frau Do, gestern war ein unruhiger, zeitweise chaotisch anmutender Tag im Berliner Regierungsviertel. Im Eilverfahren haben Bundestag und Bundesrat Änderungen am Infektionsschutzgesetz zugestimmt, während am Brandenburger Tor die Polizei mit Wasserwerfern eine Demonstration auflöste, weil sich die Teilnehmer nicht an die Maskenpflicht hielten. Im Reichstag, so berichtet zum Beispiel die SPD-Politikerin Katja Mast, versuchten Unbefugte in Büros von Abgeordneten einzudringen, um diese vor der Abstimmung unter Druck zu setzen. Gregor Mayntz und Holger Möhle fassen die Ereignisse zusammen. Ziel der Gesetzesänderung ist es, bislang per Verordnung erlassene Corona-Maßnahmen gesetzlich zu untermauern und konkret festzuschreiben. Gregor Mayntz argumentiert in seinem Kommentar nicht gegen das Gesetz an sich, kritisiert die Hauruck-Aktion aber scharf. Mehrere Monate habe man Zeit gehabt, die Grundrechtseingriffe bei der Corona-Bekämpfung auf stabilere Grundlagen zu stellen. Eine breite und öffentliche Debatte wäre möglich und hilfreich gewesen. Viele Fehler dieser Art sollten sich die Verantwortlichen nicht mehr erlauben, urteilt der Autor. Der Frage, ob die Kanzlerin vor der MPK am Montag einen taktischen Fehler begangen hat, geht meine Kollegin Kerstin Münstermann nach. Am Tag vor dem Treffen wurde ein ausführlicher Maßnahmenkatalog publik, den die Länderchefs dann größtenteils einkassierten. Vieles spricht dafür, dass sich die Kanzlerin tatsächlich verspekuliert hat. Nach den Beratungen sei Merkel jedenfalls „schwer genervt“ gewesen, war aus ihrem Umfeld zu hören. Doch wer glaubt, sie werde am kommenden Mittwoch vor den Ländern einknicken, der dürfte sich täuschen, schreibt die Autorin. Genervt sind auch viele Schüler und Lehrer. Im Frühjahr waren die Schulen wochenlang geschlossen, und auch derzeit findet an jeder fünften Schule in NRW kein regulärer Unterricht statt. Den versäumten Lernstoff nachzuholen, erscheint kaum noch möglich. Lehrer und Schüler fordern daher, dass die Lehrpläne ausgedünnt und die Anforderungen für das Abitur entsprechend angepasst werden, wie Kirsten Bialdiga berichtet. Die Kultusministerkonferenz sucht dem Vernehmen nach bereits nach Lösungen, wie mit den Wissenslücken umzugehen ist, ohne die Vergleichbarkeit der Abschlüsse zu gefährden. Auf die Lücken in der Abwehr der Fußball-Nationalmannschaft bin ich gestern nur sehr kurz eingegangen. Aber heute kommen wir um das 0:6 gegen Spanien leider nicht herum. Es war die zweithöchste Niederlage der Länderspielgeschichte. Bundestrainer Joachim Löw darf nach einem Krisengespräch mit dem Verband zwar erstmal weitermachen. Doch der Stuhl des 60-Jährigen wackelt inzwischen spürbar, wie Robert Peters in seiner Analyse schreibt. Viele Jahre lang beeindruckte uns Löw mit seiner Lässigkeit und Souveränität, inzwischen wirkt er eher entrückt, meint der Autor. Dies sollte als Lesestoff für diesen Morgen genügen. Bleiben wir gelassen und zuversichtlich, halten die Realität aber stets im Blick. Bis morgen! Herzlich Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |