Ein bisschen shoppen | Nur ein Virus | Streit um die Schulen
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Stimme
des Westens

Moritz Döbler

20. April 2020

Liebe Frau Do,

von heute an gelten etwas laxere Corona-Regelungen: Wenn Sie mögen und Abstand halten, können Sie wieder in begrenztem Umfang shoppen gehen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber bei mir bleibt die große Erleichterung aus. Noch empfinde ich die Lage zu unübersichtlich, als dass ich mich freuen könnte. Wie die geltenden Regeln genau aussehen, hat unsere Berliner Korrespondentin Kristina Dunz zusammengetragen. Von ihr können Sie auch einen Kommentar lesen, der den föderalen Flickenteppich aufs Korn nimmt.

In NRW unterscheiden sich vor allem die Regeln für die Schulen von denen in anderen Bundesländern. Am Donnerstag sollen die Abschlussklassen wieder den Unterricht aufnehmen, doch dagegen regt sich massiver Widerstand. Maximilian Plück, unser Chefkorrespondent für Landespolitik, zeichnet die Debatte nach. Das Argument des Schulministeriums: Nur für maximal zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler finde verpflichtender Unterricht statt. Die Betroffenen dürfte das kaum beruhigen. Es geht dabei vor allem um die Berufskollegs, bei denen das Abstandhalten besonders schwierig wird.

Abstand nehmen sollten wir auch von allzu martialischer Sprache. Bei Corona war schnell von einem Krieg die Rede, den es zu gewinnen gelte. Emmanuel Macron wählte diese ultimative Rhetorik genauso wie Donald Trump, aber auch Angela Merkel bemühte das K-Wort. Meine Kollegen Tobias Jochheim und Frank Vollmer sehen darin eine Verharmlosung, die politischem Kalkül folgt, wie sie in ihrem pointierten Kommentar schreiben. „Das Virus ist kein Aggressor, kein Kriegsgegner. Es ist nur ein Virus.“

Nicht nur ein Virus ist Corona für die Reichsbürger-Szene, die sich für einen Tag X rüstet. Unser Berliner Chefreporter Gregor Mayntz hat recherchiert, welche Verschwörungstheorien und Umsturzfantasien die Pandemie in der rechten Szene auslöst. Eine Demonstration von Corona-Zweiflern in Berlin gab am Wochenende eine Ahnung davon, was da unter der Oberfläche brodelt. Die Sicherheitsbehörden nehmen die Bedrohung sehr ernst.

Sehr ernst ist die Lage auch für viele Unternehmen. Das Kurzarbeitergeld hilft ihnen dabei, Kündigungen zu vermeiden – allerdings müssen betroffene Arbeitnehmer auf mindestens ein Drittel ihre Nettogehalts verzichten. Das wünscht man niemandem. Trotzdem lehnt unsere Wirtschaftschefin Antje Höning die Forderungen nach einem höheren Kurzarbeitergeld ab: „Bloß nicht“, schreibt sie in ihrem Kommentar. Was kaltherzig scheinen mag, folgt einer ökonomischen Logik, die letztlich auch im Interesse der Arbeitnehmer sei, wie sie argumentiert.

Auf ein Drittel verzichten? Bei Bundesligaspielern kommt einem das wie eine leichte Übung vor, weniger von viel Geld ist immer noch viel Geld. Nationaltorwart Manuel Neuer scheint das anders zu sehen und will einen Vertrag vom FC Bayern München, der ihm 20 Millionen Euro pro Jahr brutto bringen soll. Aber ganz so einfach ist die Sache nicht. Sein Verein nennt ihn zwar „den besten Torwart, den die Welt je hatte“, aber versucht zugleich, ihn als habgierig hinzustellen, wie mein Kollege Robert Peters in seiner Analyse schreibt. Es ist ja so: Eine einzelne Zahl sagt nicht, ob etwas viel oder wenig ist – es muss immer eine Relation her, um sie zu bewerten. Welche Sie wählen, ist Ihre Sache.

Und so ist es auch mit dem Shopping: Heute ist mehr möglich als vor einer Woche, aber weniger als vor einem Jahr. Für welche Relation Sie sich entscheiden, dürfte Ihr Empfinden beeinflussen. Ohnehin ist heute aber Montag, der erste Tag der neuen Woche, und wahrscheinlich haben Sie sowieso kein Zeit für Shopping. So oder so wünsche ich Ihnen einen guten Start in den Tag.

Herzlich

Ihr

Moritz Döbler

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