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Liebe/r Leser/in,

es gibt Worte, die könnten einen Beipackzettel gebrauchen. Sie haben starke Nebenwirkungen. Bei falscher Dosierung sind sie giftig. Sie können aber auch vor Siechtum und großem Leid bewahren. Sie können Leben retten. Wie ein Impfstoff.

Eines dieser gefahrvollen und segensreichen Worte träufelte vor ziemlich genau 75 Jahren erstmals in Augen und Ohren der Menschen. Natürlich gab es das Wort schon vorher, aber so, wie es Ende Juni 1947 in einem Artikel des US-Magazins „Foreign Affairs“ stand, war es neu. Irritierend. Aufregend. Und von durchschlagender Kraft. „Containment“ war da zu lesen. Eindämmung. Der Autor des Beitrags, ein ominöser „Mister X“, fordert die Führung der Vereinigten Staaten dringend dazu auf, die Sowjetunion als machtvollen und skrupellosen Gegenspieler zu erkennen und ihren Expansionsplänen mit einer Strategie der „Eindämmung“ zu begegnen. Die Identität des „Mister X“ war rasch enthüllt, es handelte sich um den Diplomaten George F. Kennan, der im US-Außenministerium den Planungsstab leitete. Ein Jahr zuvor schon hatte Kennan, damals als Gesandter in Moskau, in einem legen­dären „langen Telegramm“ geschrieben, das fanatische Sowjetregime verweigere sich zwar der Logik der Vernunft, sei aber der Logik der Macht in „hohem Maße zugänglich“. Wenn es auf „starken Widerstand“ treffe, ziehe es sich zurück.

In seinen geradezu schmerzhaft nüchternen Mahnworten, die er selbst später mit protestantischen Predigten verglich, zeigte Kennan wohl als Erster den wahren Zustand der Welt nach dem Krieg. Und weil er diese Welt als Erster begriff, prägte er sie auch. Kennans Forderung nach „Eindämmung“ wurde zum Fundament einer neuen Strategie des Westens. Auch wenn Kennan klagte, man habe ihn falsch verstanden und er habe keineswegs eine militärische Eskalation herbeireden wollen, so gilt er doch als Vordenker des Kalten Kriegs. Der Wiederaufbau Westdeutschlands, das Schmieden der europäischen und atlantischen Bündnisse, die Teilung der Welt – ohne die Doktrin des „Containment“ ist die Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht zu verstehen.

Nach dem Fall der Mauer und dem Untergang der Sowjetunion dachte niemand mehr an Eindämmung. Kennans Worte setzten Staub an. Doch sie blieben wahr. Sein Urteil etwa über den Kremlherrscher Josef Stalin, dem er die Attribute „unbarmherzig, schamlos, gerissen, unendlich gefährlich“ verlieh, gilt ohne Abstriche auch für den Stalin-Wiedergänger Putin.

Heute reiben wir uns die Augen. Das Embargo gegen Moskau, die finanziellen und militärischen Hilfen für Kiew, die Wiederbelebung der Bundeswehr, der Weg Finnlands und Schwedens in die Nato – all diese Maßnahmen gelten der Abwehr, der Eindämmung einer Gefahr. Eine neue Ära des „Containment“ hat begonnen. Nicht nur gegenüber Russland. In Washington benutzt man den Begriff des längst verstorbenen Diplomaten auch, um die neue Haltung des Westens gegenüber Peking zu beschreiben.

Schon wahr – jede Doktrin hat etwas Doktrinäres. Sie greift zu kurz, sie ist missverständlich, sie engt ein. Aber sie hilft auch. Sie klärt den Blick. Sie fordert zum Handeln auf. So wie jene Doktrin, die zurückgeht auf ein Wort, das jetzt 75 Jahre alt ist. Ein Wort, das – im Guten wie im Schlechten – nichts von seiner Wirksamkeit verloren hat. Ein Wort, das gegen tödliche Gefahren immunisieren kann. Wie ein Impfstoff. Der Westen, so scheint es, verabreicht sich gerade eine Auffrischung mit Kennans Vakzin.

mit vielen Grüßen,

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Markus Krischer,
stellvertretender Chefredakteur FOCUS-Magazin

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