Doch manchmal kommt es zu Fehleinschätzungen des Marktes. Dann werden Chance oder Risiken völlig falsch bewertet und daher auch die Kurse, so dass man von unter- oder überbewerteten Aktien spricht. Soweit alles ganz normales Alltagszeug an der Börse. Doch dann gibt es Situationen, wo Chancen lauern ohne große Risiken, wo eine vermeintlich hohe Bewertung bei genauer Betrachtung gar nicht so hoch ist und somit ein besonders günstiges Chance-Risiko-Verhältnis vorliegt. Und vielleicht haben wir genau so eine Ausnahme-Chance direkt vor der Nase und müssen nur zugreifen... Die 5G-Revolution Wer gedacht hat, ich würde jetzt von sich selbst herstellenden Bitcoins aus dem 3D-Drucker fabulieren, hat sich geirrt. Im Grunde geht es um einen alten Hut, nämlich um die 5. Generation des Mobilfunkstandards, kurz 5G. Hat man schon gehört, die Lizenzen wurden versteigert, die Telekom-Firmen bauen ihre Netze, Apple & Co. bringen die ersten 5G-tauglichen Geräte auf den Markt, Umwelt-Aktivisten warnen vor Strahlungen und diffusen Schallwellen und versuchen mit allen Mitteln, den Rollout der Netze zu verhindern. Dabei brauchen gerade die Öko-Aktivisten 5G. Denn sie träumen ja von intelligenten Energie-Netzen, von Smart-Grid und Smart-Metering. Das Netz soll in beide Richtungen laufen und private Strom-Erzeuger nebst ihrer E-Autos auch mal zum dezentralen Speicher werden. Tja, dafür braucht man schnelle, mobile Datennetze: 5G. Denn 5G hat eine höhere Latenz als seine Vorgänger, also eine schnellere Reaktionszeit. Die ist wichtig beim autonomen Fahren. Wenn der Bordcomputer ein Signal abgibt an ein zentrales Leitsystem und dieses dann die Antwort zurück übermittelt, damit das Auto bei 50 km/h in der Stadt auf veränderte Verkehrssituationen reagiert, dann sollte dies nicht mehrere Sekunden dauern, sondern muss quasi in Echtzeit stattfinden. Die Oma auf dem Zebrastreifen ist sonst nämlich plattgefahren, bevor das Auto überhaupt weiß, dass es ein Hindernis geben könnte. Autonomens Fahren ist nur ein Beispiel von vielen. Die ganze digitale Entwicklung geht in Richtung exponentiell wachsender Datenmengen und der Empfang erfolgt immer stärker über mobile Endgeräte. Aber auch Streaming von der Couch aus muss genügend Geschwindigkeit haben, damit man die bestmögliche Auflösung auf dem neusten Smart-TV genießen kann. Von Online-Gaming gar nicht zu reden. Nun ist 5G auch deshalb so schnell, weil es auf viel kleinere Funkzellen setzt. Das bedeutet wiederum, dass viel mehr Sende-/Empfangsmodule platziert werden müssen, vor allem in den Ballungszentren. Und da ist Platz rar und konkurriert mit Bäumen, Gebäuden, Straßen. Die alle wiederum als Hindernisse die Sendeleistung reduzieren und damit mehr Sender erfordern. Diese Module kosten viel Geld. Milliarden, um genau zu sein. Und die Telekommunikations-Firmen haben sich bereit erklärt bei Ersteigerung ihrer 5G-Lizenzen, innerhalb weniger Jahre fast flächendeckend 5G-Netze in Betrieb zu nehmen. Zur Refinanzierung trennen sie sich daher von den Sendemasten und lagern diese an externe Anbieter aus. Sale-and-lease back, Verkaufen und Zurückmieten, nennt man das. In Europa nimmt dieses Verfahren gerade Fahrt auf und sowohl die Deutsche Telekom als auch Vodafone und die O2-Mutter Telefonica bieten ihre Sendemasten an. In den USA ist man da schon viel weiter und die großen Carrier Verizon, T-Mobile US und AT&T haben bereits vor Jahren den Großteil ihrer Sendemasten veräußert. Die Tower-REITs Käufer waren der international tätige Marktführer American Tower, der kleinere US-fokussierte Konkurrent Crown Castle und die sehr viel kleinere SBA, die in Nord-, Mittel- und Südamerika aktiv ist. Alle drei sind als Real Investment Trust konzipiert, kurz REITs. Damit sind sie steuerbegünstigt, sofern sie 90 Prozent ihrer ausschüttungsfähigen Gewinne als Dividenden an ihre Anteilseigner auskehren. Nun leiden REITs als Anlageklasse in der Corona-Krise stark, vor allem Hotel-REITs und Mall-REITs, weil ihre Miet-Einnahmen durch den Lockdown und den Zusammenbruch des Reise- und Tourismus-Sektors eingebrochen sind und daher Gewinne und auch die Wertansätze der Immobilien in den Keller gehen. Hohe Abschreibungen und Verluste sind die Folge. Und natürlich Dividenden-Ausfälle sowie vereinzelt erste Pleiten. Alle REIT-Klassen haben daher momentan einen schweren Stand, auch wenn einige zu Unrecht in Sippenhaft genommen werden. Wie Datencenter-REITS, denn der Boom bei Cloud-Anwendungen bringt hier starke Wachstumsraten bei Daten-Centern. Oder Tower-REITs, weil mobile Kommunikation und Daten-Transfers ebenfalls boomen dank Home Office, Streaming und 5G. Das Geschäftsmodell Die Tower REITs kaufen oder mieten langfristig Grundstücke, auf denen sie ihre Sende-Masten errichten. Oder sie kaufen Grundstücke mit bestehenden Sende-Masten von den Carriern. Dann vermieten sie die Sende-Masten langfristig an die Carrier, die dann dort ihre Sende- und Empfangs-Geräte installieren dürfen. Die Technik ist also nicht Eigentum der Tower-REITs und daher müssen sie diese auch nicht warten oder ersetzen, wenn sie defekt sind. Wenn nun American Tower einen Mast von AT&T kauft, dann hängt da ein Sender-/Empfänger-Modul von AT&T dran. AT&T mietet den Mast langfristig zurück und zahlt dafür Miete. Hat aber auf einen Schlag den Kaufpreis vereinnahmt, um damit z.B. den weiteren Netz-Ausbau zu finanzieren. American Tower kann genau kalkulieren, was man selbst an Kosten hat und da dann die Miet-Einnahmen gegensetzen, ggf. inklusive der Zinsaufwendungen für Kredite, die man zur Finanzierung aufgenommen hat. Ein simples, stetiges Business-Modell. Charme bekommt es nun dadurch, dass jeder Mast bis zu vier Sende-/Empfangs-Stationen aufnehmen kann. Also auch einen von T-Mobile, von Verizon und von Dish. Die Kosten für den Mast bleiben die gleichen, aber die Einnahmen erhöhen sich mit jeder höheren Auslastung des Masts. Wachstumspotenziale AMT, CCI (kurz für: Crown Castle International; übrigens ein Dividenden-Musterdepotwert bei den „Gewinner-Aktien“) und SBA haben daher gleich mehrere Wachstums-Möglichkeiten. Die bestehenden Masten können besser ausgelastet werden und es müssen viele weitere Standorte erschlossen werden, weil 5G dies erfordert und die Daten-Mengen explodieren. Des Weiteren können kleinere Wettbewerber übernommen werden, wodurch sich Einsparungen bei den Overhead-Kosten ergeben, z.B. beim Management, bei der Wartung und Betreuung der Masten. Crown Castle International Corp. (ISIN: US22822V1017) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A12GN3 / CCI | 72 Mrd. USD | 84 / 61 / 53 | 165,12 USD | Je größer das Unternehmen ist, umso stärker sind seine Kostenvorteile. Und seine Verhandlungsposition gegenüber den Carriern, wenn die ihre Netze ausbauen wollen. Darüber hinaus darf man nicht übersehen, dass 5G zwar der Nachfolger von 4G (LTE) ist, aber diesen Standard nicht ersetzt. Das alte Mobilfunknetz wird ja weiterhin genutzt. Gerade wir in Deutschland wissen das, weil vielerorts noch nicht einmal 4G funktioniert, sondern auf 3G bzw. EDGE zurückgegriffen werden muss. Und das ist das UMTS-Netz, das vor 20 Jahren aktiviert wurde. Aus Sicht der Tower-REITs paradiesische Zustände. Sie haben die Masten, an denen die Sende-/Empfangs-Module installiert werden. Aber es wird nicht ein 4G-Gerät gegen ein 5G-Gerät getauscht, was ein Nullsummenspiel wäre. Sondern zusätzlich zu 3G und 4G kommen jetzt 5G-Module. Die Netze laufen parallel und 5G braucht nicht nur mehr Sende-/Empfangs-Module, sondern die kommen zusätzlich zu den ohnehin bestehenden. Also werden noch viel mehr Masten benötigt, denn deren Kapazität ist mit vier Modulen ausgereizt. Hinzu kommt, dass man auf dem platten Land und an Bahntrassen und Autobahnen hohe Sende-Masten aufstellen kann. Aber in bester Innenstadtlage von München sind wohl eher kleine, unauffällige Mästchen gefragt. Wer hier bereits Standorte hat, die noch aufgerüstet werden können, ist klar im Vorteil. Denn jeder neue Mast, ob groß oder klein, sorgt für Unmut und Protest bei den Anwohnern. Jeder will das neue schnelle Internet, aber bitte keinen Mast im Garten. Zinsen sind ein Freund Die Tower-REITs haben nur begrenzt Eigenkapital zur Verfügung und aufgrund ihrer hohen Investitionen nutzen sie die Möglichkeit, Fremdkapital aufzunehmen. Der Verschuldungsgrad ist also entsprechend hoch und das wird von manchen Anlegern kritisch gesehen. Ich sehe hier eher doppelte Chancen. Die Kunden der Tower-REITs sind die großen Carrier und die können wiederum ihren Kunden nur dann Geld abknöpfen, wenn diese mit ihren iPhones und iPads auch ruckelfrei ins Netz kommen. Also bezahlen sie ihre Mieten an die Tower-REITs anstandslos, denn ohne deren Masten kein Netz. Die Einnahmen der Tower-REITs sind daher ausgesprochen sicher. Und dann fallen die Zinsen immer weiter. Für hoch verschuldete Unternehmen mit sicheren Einnahmeströmen ein ideales Szenario. Denn bei jeder weiteren Anschlussfinanzierung sinkt der Zinssatz und damit wird das Finanzergebnis entlastet. Was sich positiv auf den Gewinn auswirkt. Die Bewertung Wir haben also ein krisensicheres Geschäftsmodell mit stetigen, wachsenden Cashflows und hohem Verschuldungsgrad. Und vergleichsweise niedrigen Gewinnen und eher moderaten Dividendenrenditen. Die beiden letzteren Faktoren schrecken viele Anleger ab und lassen die Tower-REITS im Vergleich teuer aussehen. Falsch gedacht! Dass die Gewinne so niedrig sind liegt daran, dass die Unternehmen stark investieren. Sie kaufen so schnell und so viele neue Grundstücke und Masten, wie sie können. Wer viel investiert, macht keine großen Gewinne. Hier kann man den Vergleich zu Amazon ziehen! Ja, genau, Amazon. Auch Amazon erzielt enorme Cashflows und steckt den Großteil wieder ins Wachstum. Nur deshalb fällt der Gewinn vergleichsweise niedrig aus. Würde Amazon ein Quartal mal die Investitionen stoppen, würde der Gewinn enorm nach oben schießen. Aber das tut Amazon nicht, weil es mit jedem investierten Dollar zusätzlichen Cashflow erzeugt. Und mit dieser Strategie wurde Amazon zum führen E-Commerce-Unternehmen und bringt inzwischen mehr als eine Billion US-Dollar auf die Börsenwaagschale. Aufgrund der niedrigen Gewinne sind auch die Dividenden eher moderat. Dabei denkt man bei REITs an hohe Dividenden-Erträge und manche Dividenden-Anleger meiden deshalb die Tower-REITs. Nicht schlau. Denn nicht die Dividenden-Rendite ist maßgeblich, sondern das Dividenden-Wachstum. Und American Tower erhöht seit vielen Jahren in jedem Quartal seine Quartals-Dividende. Im Durchschnitt der letzten Jahre legte die Dividenden-Rendite jeweils um gut 10 Prozent pro Jahr zu. Ein echter Dividenden-Wachstumswert! Mein Fazit: Die Tower-REITS werden zurzeit stiefmütterlich behandelt. Als REITs sind sie nicht en vogue, als Dividenden-Werte zu unattraktiv, und als Investments zu hoch bewertet, da ihre Gewinne vergleichsweise niedrig sind. Aber wir wissen es ja besser. Denn wir haben erkannt, dass die Zukunfts-Investitionen mehr wert sind als heutige Gewinne. Wir haben erkannt, dass die heutigen niedrigen Dividenden-Renditen weniger wert sind als die üppigen Dividendensteigerungen. Und wir haben den hohen Verschuldungsgrad als wenig bedrohlich enttarnt, denn ihm stehen verlässliche und ausfallssichere Einnahmeströme gegenüber. Zusätzlich sehen wir in den weiter sinkenden Zinsen weitere Spielräume zur Verbesserung des Finanzergebnisses. Und so stellt sich am Ende die Frage, weshalb derartig attraktive Wachstums-Aussichten, die so offenkundig erkennbar sind, nicht deutlich über dem Vor-Corona-Niveau bepreist werden. Wenn wir uns irren, wird der Kurs weiterhin lustlos vor sich hin dümpeln. Wenn der Markt sich irrt, wird irgendwann der Kursturbo zünden. Niedrige Risiken, hohe Chancen, man muss nur genaue(er) hinsehen... Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig, Value Investor und Betreiber des Blogs iNTELLiGENT iNVESTiEREN. Autorenprofil Michael C. Kissig studierte nach Abschluss seiner Bankausbildung Volks- und Rechtswissenschaften und ist heute als Unternehmensberater und Investor tätig. Neben seinem Value-Investing-Blog „iNTELLiGENT iNVESTiEREN“ verfasst er regelmäßig eine Kolumne für das „Aktien Magazin“. | | Hinweispflicht nach §34b WpHG: Der/die Verfasser ist/sind in ein oder mehreren der oben genannten Wertpapieren/Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels investiert: Amazon & American Tower. Es können daher Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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