Und so mendelt sich das Grabscher-Gen durch, nicht nur in der Politik. Betroffene lassen es oft auf sich beruhen, weil Aussage gegen Aussage stünde, oder aus Scham. In Frankreich erlebt die Welt gerade, wie eine Frau die Scham dazu zwingt, die Seite zu wechseln. In ihrem Fall geht es um viel mehr als Grabschen. Gisèle Pelicot wurde von ihrem Ehemann Dominique jahrelang betäubt und zur Vergewaltigung freigegeben. 51 Männer zwischen 26 und 74 Jahren sind angeklagt, überwiegend Familienväter mit bürgerlichen Berufen. Das ganze Ausmaß des Verrats und die abstoßenden Details – auf Video aufgezeichnet – kennen wir nur, weil Gisèle Pelicot durchgesetzt hat, dass wir davon erfahren. Damit die Taten öffentlich werden – und die Täter. Viele von ihnen beharren darauf, nicht gewusst zu haben, dass sie die bewusstlose Frau vergewaltigen. Der Ehemann habe ja zugestimmt, das muss ein Sex-Spiel gewesen sein… Gestern betrat die 71-Jährige im Strafprozess in Avignon zum ersten Mal den Zeugenstand: Sie höre von vielen Frauen und von Männern, wie mutig sie sei. „Ich sage: Es ist kein Mut, es ist der Wille und die Entschlossenheit, die Gesellschaft zu verändern.“ Andere Opfer sollen wissen: „Madame Pelicot hat es geschafft, dann schaffen wir es auch. Wenn man vergewaltigt wird, ist da Scham. Und nicht wir sollten uns schämen – sondern sie.“ In Deutschland sind die Fälle von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch von Frauen zwischen 2014 und 2023 auf 62.404 gestiegen. Das ist ein Plus von fast 89 Prozent. Vielleicht kann Madame Pelicot auch diesen Opfern Kraft geben. Was sind Ihre Gedanken zu diesem Strafprozess? Schreiben Sie uns: feedback@focus-magazin.de |