Freitag, 8. November 2024 | |
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| Liebe Leserin, lieber Leser, |
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Die Inflation des Wortes „Zeitenwende“ könnte einen glauben lassen, dass damit auch die Entwertung des Begriffs einhergeht. Das Gegenteil ist der Fall. Als gäbe es nicht Krisenherde genug auf der Welt, erwachten wir am Morgen des 6. November mit Donald Trump als wiedergewähltem 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika und gingen abends mit einer demontierten Berliner Ampel zu Bett. Dabei waren sich viele sicher, dass, würde das eine jenseits des Atlantiks eintreten, es diesseits keinesfalls zum anderen, äußersten kommen werde. Zu viel stand auf dem Spiel, so die gängige Meinung. Nun, es ist anders gekommen, und die multiplen Scherbenhaufen werden allerorts besichtigt. Don Winslow, einer der erfolgreichsten Krimiautoren der Welt, dessen Anti-Trump-Videos auf der Plattform X von mehr als 15 Millionen Menschen heruntergeladen werden, hatte nach eigener Aussage sogar mit dem Schreiben aufgehört, um sich ganz dem Kampf gegen Trump zu verschreiben. Es lohnt sich, das Interview in der F.A.S. von 2022 noch einmal nachzulesen, indem Winslow bekennt, wie hart es für ihn sei, sein Dasein als Schriftsteller zurückzustellen, aber: „Du kannst dir eben nicht immer aussuchen, in welchen Zeiten du lebst und was sich daraus für Aufgaben für dich ergeben.“ | Sandra Kegel | Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. | |
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| Sein amerikanischer Kollege Stephen King musste angesichts des Wahlerfolgs von Trump, wie er bei X schreibt, an jene Warnschilder in Geschäften denken, die zerbrechliche Gegenstände verkaufen. Sie ließen sich auf die Demokratie übertragen: „Schön anzuschauen, reizvoll in der Hand zu halten, aber wenn es kaputtgeht, ist es verkauft.“ Jetzt kommt es nur noch darauf an, wie hoch der MAGA-Preis ist, könnte man anfügen. In ihrer kommenden Ausgabe hat die F.A.S. prominente Stimmen der amerikanischen Literatur zusammengetragen, um von ihnen zu erfahren, was sie aus dem Wahlsieg herauslesen : Siri Hustved, Grande Dame der Literatur mit Wohnsitz Brooklyn, ist noch ganz in Rage darüber, dass ein „lügender, rachsüchtiger, inkohärenter, frauenfeindlicher, rassistischer Verkaufsfritze“ und verurteilter Verbrecher von ihren Landsleuten aufs Neue ins Weiße Haus gehievt wurde. Sie glaubt, dass vor allem die Pandemie „eine namenlose Unzufriedenheit hinterlassen habe, die reif für Ausbeutung war: Millionen von Menschen haben den Köder geschluckt“. *** Unsere Leseempfehlungen: Zoë Jenny erzählt sie von ihrem Vater, dessen Leben sich um Bücher drehte, ihrer Kindheit im linken Milieu – und einem RAF-Terroristen auf dem Dachboden Prix Goncourt für „Houris“: Kamel Daoud schreibt den ersten großen Roman über die algerischen Terrorjahre, an die zu erinnern in Algerien eigentlich verboten ist Acht Fragen, acht Antworten: Die Lösungsschritte zum Literaturrätsel von Jürgen Kaube aus dem Oktober für Neugierige *** Heidi Julavits, Autorin und Professorin von der Columbia Universität, musste sich dagegen erst einmal mit Alltag betäuben: Haare waschen, Kaffee kochen, Textnachrichten beantworten, um sich vorzumachen, „dass noch immer gestern ist“. Währenddessen wurde George Saunders, jener Autor, dessen Phantasie bekanntlich keine Grenzen kennt, durch die Realität eines Besseren belehrt: „Es ist wirklich passiert. Es ist abstoßend. Aber es ist passiert“, schreibt er. Warum? Das versuche er gerade herauszufinden. Und wenn er diesen Prozess des „Das ist ekelhaft, ich hasse das“ in ein „nuancierteres, detaillierteres Verständnis verwandeln kann, werde ich wichtige Arbeit getan haben“. Sein New Yorker Kollege Joshua Cohen, der für seinen Roman „Die Netanjahus“ den Pulitzerpreis erhielt, hält grimmig dagegen, wenn er in der F.A.S., meint, dass jeder, der den Wahlsieg Trumps nicht habe kommen sehen, blind gewesen sei. Einzig die seit Jahren in Amerika lebende Kanadierin Leanne Shapton sieht in ihrer Stellungnahme einen Hoffnungsschimmer am Horizont des Landes, das von nun an wieder „von einem mobbenden, kriminellen Geschäftsmann geführt wird“. Weil jede Aktion eine entgegengesetzte Reaktion hervorrufe, so Shapton, bringe auch jeder Verfall aufs Neue Wachstum hervor. Ob und wie dies geschehen wird, lässt sich in den nächsten Wochen und Monaten besichtigen. Die Schriftsteller werden es beobachten – und wir mit ihnen. Welchen gern auch historischen Roman würden Sie, liebe Leser, zur Lektüre empfehlen, um sich einen Reim zu machen auf die politische Weltlage der Gegenwart? Wir freuen uns auf Ihre Zuschriften an Literatur-NL@faz.de! Gute Lektüren wünscht Ihre Sandra Kegel
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| | | Die Schriftstellerin Zoë Jenny hat ein Buch über ihren Vater geschrieben: Im Interview erzählt sie von dem Verleger, dessen Leben sich um Bücher drehte, ihrer Kindheit im linken Milieu – und einem RAF-Terroristen auf dem Dachboden. |
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