Liebe/r Leser/in, Twitter war mir immer fremd. Ein Universum, in dem jeder Gedanke, jede Diskussion, jedes Argument auf 280 Zeichen runtergebrochen wird, im dem es nur noch um Pointen geht und die größtmögliche Provokation, den lautesten Schlagabtausch für die höchste Reichweite. Die Welt ist meist doch komplexer als das. Und irgendwann wird alles nur noch irre, auch weil alles in mehrere Richtungen interpretiert werden kann. Nach der Übernahme der Social-Media-Plattform durch Elon Musk dürfte das nicht besser werden. Der Unternehmer selbst verbreitete am Wochenende höchst merkwürdige Verschwörungstheorien – Musk folgen auf Twitter 112 Millionen Menschen. Er teilte den Link zu einem Artikel. Darin wird behauptet, Paul Pelosi, der 82-jährige Ehemann der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi, der am Wochenende in seinem Haus von einem Einbrecher verletzt worden war, habe seinem Angreifer selbst die Tür geöffnet. Es habe sich um einen Callboy gehandelt. „Da könnte mehr dran sein“, schrieb Musk dazu, obwohl die Polizei längst von einem eindeutigen Einbruch sprach. Musk steht nach der Twitter-Übernahme noch mehr im Rampenlicht als ohnehin schon zuvor: vor allem die Frage, ob er den US-Wahlkampf befeuern wird und ob er Trumps gesperrten Twitter-Account wieder freigibt. Musk will Twitter zu einem Hort der Meinungsfreiheit machen, in Zukunft sogar Geld für die blauen Haken kassieren.
Ich war nie bei Twitter und werde mich auch in Zukunft nicht anmelden. Ohnehin streiten sich dort in erster Linie Politiker und Journalisten, weniger die breite deutsche Öffentlichkeit. Und natürlich Bots, also automatisierte KI-Anwendungen, die Unsinn in die Welt tragen. Für mich hat das nichts mehr mit der Realität zu tun, mit wertvoller Debatte – egal wer nun an der Spitze dieses Netzwerks steht.
Wie sich Verschwörungen über KI-gesteuerte Anwendungen auf Twitter und anderen Plattformen verbreiten, lesen Sie auch in der aktuellen FOCUS-Titelgeschichte.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche! |