Ausgabe vom 27.05.2020

Ende der Korrektur oder Phase 4 - welche Erkenntnis setzt sich durch?
Die 5 Phasen eines Crashs

Ende der Korrektur oder Phase 4 - welche Erkenntnis setzt sich durch?
von Sven Weisenhaus

Mir scheint es, dass der Kursanstieg der Aktienindizes inzwischen nicht mehr nur von den Werten getragen wird, die von der Coronavirus-Krise profitieren, sondern auch Aktien in die Kurserholung eingestiegen sind, die eigentlich noch mit erheblichen Problemen zu kämpfen haben.

Jetzt erholen sich auch noch die Nachzügler

So legten heute zum Beispiel Bank-Aktien stark zu, die von möglichen Kreditausfällen belastet sind. Und schon seit gestern schießen Aktien aus dem Transport- und Tourismussektor durch die Decke, konkret Airlines und Reiseanbieter (zum Beispiel Lufthansa und TUI), obwohl derzeit bei Urlaubsbuchungen und an den Flughäfen noch gähnende Leere herrscht, von ersten Lichtblicken einmal abgesehen. Und auch konjunktursensible Aktien zum Beispiel aus der Chemie- und Automobilbranche (unter anderem Covestro, BMW, Daimler) starten langsam aber sicher auch nach oben durch. Sie führen die Gewinnerlisten aktuell sogar an.

Man kann dies nun bullish sehen, weil die Kursanstiege damit nicht mehr nur von wenigen Aktien getragen werden, sondern nun eine gewisse Marktbreite herrscht. Man kann dies aber auch bearish sehen, weil die Aktien, die jetzt in die Kurserholung mit eingestiegen sind, vom Prinzip Hoffnung getrieben werden.

Passend dazu sagte Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank, auf der virtuellen Hauptversammlung des Finanzkonzerns, dass an den Märkten mögliche Zweit- und Drittrundeneffekte der Virus-Krise nicht ausreichend eingepreist seien. Solche Effekte können zum Beispiel Kreditausfälle von Unternehmen sein, die diese Krise nicht überleben. Und damit sind wir wieder bei den Bankenwerten, die jüngst ihre Kurserholung verstärkt haben. Die Märke setzen also immer stärker auf eine schnelle Erholung.

Viele Unternehmen werden die Krise erst nach Jahren abschließen

Das Kuriose daran ist, dass gerade auch Aktien stark steigen, die mit milliardenschweren (Staats-)Krediten vor der Insolvenz bewahrt werden. Die oben bereits genannten Lufthansa und TUI sind dafür prominente Beispiele. Doch diese Unternehmen werden auf Sicht von mehreren Jahren für Ihre Aktionäre keine Erträge erwirtschaften. Selbst wenn die Unternehmen vielleicht im kommenden oder eher sogar erst in zwei oder drei Jahren wieder Gewinne erzielen, werden diese zunächst in die Tilgung der Kredite fließen. Davon haben Aktionäre als Anteilseigner im eigentlichen Sinne einer Gewinnbeteiligung also auf absehbare Zeit nichts.

Die Aktienkurse dieser Unternehmen steigen somit nicht, weil die Aktionäre von den Unternehmensgewinnen profitieren werden, sondern sie steigen aus spekulativen Gründen, weil Anleger auf Kursgewinne setzen. Wir haben es dadurch aktuell nicht mit einem fundamental gesunden Aufwärtstrend zu tun, sondern mit einem inzwischen nur noch rein spekulativ getriebenen Markt. Und dieser steckt schon wieder in einer extremen Übertreibung, sowohl fundamental als auch charttechnisch.

Was kann die Kurserholung stoppen?

Kürzlich fragte mich ein Leser, „wie der DAX überhaupt auf 11.800 oder gar 12.000 Punkte steigen soll“, wo er doch charttechnisch noch diverse „heftige Barrieren“ vor sich hat, unter anderem das 61,80%-Fibonacci-Retracement der crashartigen Abwärtsbewegung (siehe dazu auch gestrige Analyse und Chart unten). Meine Antwort lautete wie folgt:

Charttechnische Hürden scheinen derzeit für den DAX nur kurzfristige Probleme zu sein. Denn die Börsenampeln stehen derzeit einfach in vielerlei Hinsicht auf grün. Ich frage mich daher aktuell eher, was den DAX eigentlich davon abhalten könnte, diese Hürden zu überspringen?! Denn die bullishe Stimmung der Anleger scheint zurzeit wie in Stein gemeißelt. Und in der Börse-Intern vom Mittwoch vergangener Woche war Folgendes zu lesen:

„Doch durch die zusätzliche Liquidität besteht für viele Investoren keine Notwendigkeit, bestehende Investitionen aufzulösen, um sie in andere Anlagen umzuschichten, je nach Nachrichtenlage im Risk-On- oder Risk-Off-Modus. Stattdessen können bestehende Investitionen gehalten und durch die zusätzliche Investition aufgestockt werden, wovon Aktien, Anleihen und Gold seit dem 19. März fast gleichermaßen profitieren, frei nach dem Motto: Die Flut hebt alle Boote.“

Ich bin aktuell aus fundamentaler Sicht alles andere als bullish. Aber der Trend ist einfach im Gange. Und es scheint schwer, diesen „fahrenden Zug“ anzuhalten oder gar umzukehren. Es braucht dazu allerdings meist nur ein Fünkchen, damit die Stimmung der Anleger dreht, auch wenn dieses noch nicht in Sicht scheint.

DAX beendet die crashartige Korrektur

Passend dazu hat der DAX heute auch bereits das 61,80er Retracement überschritten, wenn auch nicht nachhaltig (siehe grüner Kreis im folgenden Chart).

DAX - Fibonacci-Retracements

Die große crashartige Korrektur gilt damit nun als beendet, zumindest formal aus Sicht der Fibonacci-Marken. – Wieder ein Aspekt, der die Börsenampel grün erscheinen lässt.

Phasen 1 und 2: Einige wenige Aktien profitieren

Doch ich erinnere noch einmal an die 5 Phasen eines Crashs (siehe auch Artikel unten). Die Phasen 1 und 2 haben wir mit der crashartigen Abwärtsbewegung, die nun aus Sicht der Fibonacci-Marken als abgeschlossen gilt, im Februar und März gesehen, inklusive einer klaren Marktpanik, die typisch ist für die Phase 2. Auch haben wir gesehen, dass in dieser Zeit einige wenige Aktien entgegen der allgemeinen Verkaufswelle deutlich zulegen konnten, weil diese von dem externen Ereignis, also der Ausbreitung des Virus, profitieren konnten oder man ihnen dies zumindest unterstellte.

Phase 3: Die meisten Aktien profitieren von der Hoffnung auf Besserung

Weiterhin erleben wir, dass neue Nachrichten deutlich weniger dramatisch betrachtet werden. Sie werden sogar eher positiv gewertet, selbst wenn sie eigentlich noch katastrophal sind, weil sie nicht mehr so schlimm ausfallen wie im Vormonat. Und man argumentiert daher, dass sie noch das Tal der Tränen darstellen, welches aber inzwischen bereits durchschritten ist und es zukünftig ja wieder besser wird. Es setzt sich mehr und mehr die Annahme durch, dass das Gröbste überstanden ist und zudem alles nicht so schlimm ist – sonst würden die Kurse ja schließlich nicht so stark steigen.

Und hier muss man als Anleger sehr aufpassen. Denn wenn man selbst skeptisch ist, wird man von den steigenden Kursen unter Umständen zermürbt. Hat der Markt vielleicht Recht? Geht es der Wirtschaft doch deutlich besser, als es die Daten derzeit zeigen? Erholt sich die Wirtschaft vielleicht doch sehr schnell? Sind die Bedenken bezüglich Zweit- und Drittrundeneffekten unbegründet? Vielleicht sollte ich doch endlich stärker einsteigen, um die weiteren Kursgewinne nicht zu verpassen? Diese oder ähnliche Fragen wird man sich in der aktuellen Phase inzwischen unweigerlich stellen. Und viele bislang skeptische Anleger kippen angesichts der immer weiter steigenden Kurse bereits um und steigen auch in den Markt ein. Die Kurserholung setzt sich dadurch fort, es kommt zu einer Übertreibung.

Prozess-Ende oder Phase 4 - Welche Erkenntnis setzt sich durch?

Letztlich weiß aktuell niemand, wie stark und wie lange die Corona-Krise die Weltwirtschaft belastet. Ist der Einfluss nur von kurzer Dauer, bricht der Prozess der 5 Crash-Phasen an dieser Stelle ab und die Kurse können auf die Niveaus steigen, die vor dem Einbruch erreicht waren. Doch sollte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass die Konsumenten ihr Verhalten ändern und zurückhaltend bleiben, Unternehmen Investitionen reduzieren und geplante Vorhaben verschieben oder sogar gänzlich verwerfen, könnte Phase 4 starten.

Phase 4: Anleger werden von der Realität eingeholt

Die Aktienkurse geben wieder nach, weil durch den reduzierten Konsum und die geringeren Investitionen die Umsätze und Gewinne der Unternehmen nachhaltig belastet bleiben. Die (Gewinn-)Erwartungen waren somit zu hoch angesetzt bzw. die Kurse haben sich einfach zu weit erholt, so dass sie die tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr ausreichend berücksichtigten.

Wie geringere Investitionen aussehen können, sieht man aktuell an Prognosen zum Energiesektor. Wegen der Corona-Krise droht der Branche ein historischer Rückgang der weltweiten Investitionen. Die Internationale Energiebehörde (IEA) teilte heute mit, dass die Investitionssumme in diesem Jahr voraussichtlich um 20 % bzw. rund 400 Milliarden Dollar schrumpfen werde. Im Öl- und Gassektor beträgt der Rückgang fast ein Drittel.

In weiteren Branchen dürfte es ähnlich aussehen. In Deutschland gehen die Unternehmen zum Beispiel weiterhin von Exportrückgängen aus. Die Industrie kämpft auch dadurch noch mit ausbleibenden Aufträgen. Vom ifo-Institut war dazu zu hören, dass auch der Auftragsbestand in der  Investitionsgüterindustrie weiter sehr schlecht ist. In einem solchen Umfeld wird eben deutlich weniger investiert.

Gefahr einer Phase 4 ist sehr groß

Aktuell sehe ich eine große Gefahr, dass wir uns derzeit am Ende der Phase 3 befinden und bald Phase 4 startet. Denn dass die Anleger inzwischen wieder fast alles kaufen, was nicht niet- und nagelfest ist, spricht dafür, dass immer mehr Skeptiker umfallen und Bedenken über Bord geworfen werden. Dadurch können sich inzwischen auch Unternehmen über steigende Aktienkurse freuen, die auf Sicht von mehreren Jahren kaum Gewinne für ihre Aktionäre erwirtschaften werden, sondern milliardenschwere Kredite zurückzahlen müssen. Die Anleger verkennen dies und gehen daher spekulative Risiken ein. Die fundamentale Bewertung ist dadurch ungerechtfertigt hoch. Eine Phase 4 könnte dies bereinigen und die Aktienkurse auf ein für die Realität angemessenes Niveau zurückführen.

Selbst die EZB, die von Amts wegen eigentlich Optimismus versprühen muss, hat die Hoffnung auf einen vergleichsweise milden Konjunktureinbruch in der Euro-Zone offiziell begraben. Das  Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr zwischen 8 % und 12 % sinken, sagte die EZB-Präsidentin Christine Lagarde heute bei einer Veranstaltung. Bislang waren die Währungshüter von einem Minus zwischen 5 % und 12 % ausgegangen. Das diese Range nun auf den negativeren Bereich eingeengt wurde spricht dafür, dass die Chancen auf einen vergleichsweise milden Einbruch nicht mehr vorhanden sind. Dies räumte auch Lagarde ein.

Allerdings gilt, was ich bereits am 30. April zu den 5 Phasen eines Crashs schrieb (siehe „2001 und 2011 als mahnende Beispiele“): Die Märkte können länger irrational bleiben, als jede Vernunft es vermuten lässt.


Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
www.stockstreet.de



Die 5 Phasen eines Crashs
von Stockstreet-Team


Der folgende Artikel über die 5 Phasen des Crashs wurde bereits am 9. März bei Focus Online veröffentlicht. Da ihn sicherlich nicht alle Börse-Intern-Leser entdeckt haben, geben wir ihn nachfolgend noch einmal wider:


Menschen handeln und reagieren sehr ähnlich, so individuell sie auch erscheinen mögen. Der Handel an der Börse ist hier keine Ausnahme. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass wir auch in extremen Situationen an den Börsen immer wieder bestimmte Grundmuster erkennen.

Im Fall des Corona-Virus ist es wichtig zu wissen, wie die Märkte weiter reagieren werden. Man kann hier fünf Phasen der Panik unterscheiden. Das Erkennen dieser Phasen wird Ihnen helfen, die jeweiligen Reaktionen und Verhaltensweisen richtig zu verstehen und einzuordnen. Daraus ergibt sich sofort, was jeweils zu tun ist.

Ausgangslage: Ein schweres, externes Ereignis trifft auf die Börsen. Aktuell ist es eine durch einen Corona-Virus verursachte Pandemie.

Phase 1 - die Schockstarre und die Verleugnung

In der Nachbetrachtung von solchen externen Ereignissen werden sich sicherlich viele von Ihnen schon einmal gefragt haben, warum Sie nicht schneller reagiert haben. Und genau das hat mit der Phase 1 zu tun. Dabei hängen die Intensität und die Dauer dieser Phase natürlich direkt mit der Art des Ereignisses zusammen.

Wenn, wie zum Beispiel am 11. September 2001, die USA von Terroranschlägen getroffen werden, reagieren die Börsen natürlich sehr schnell. Aber auch hier werden die meisten Anleger eine gewisse Zeit gebraucht haben, die Ereignisse wirklich zu verarbeiten und einzuordnen. Dieses Zögern, welches bei einigen kürzer und bei anderen länger dauert, ist eine Reaktion auf den Schock, den solche plötzlichen Ereignisse hervorrufen. Dies wird als „Schockstarre“ bezeichnet.

Börsenkurse stiegen weiter

Bei Ereignissen, die weniger plötzlich auftreten, wie dem Corona-Virus, verhält es sich etwas anders. Hier konnte man die typische „Verleugnung“ miterleben. Tatsächlich sind die Kurse, nachdem die ersten Nachrichten einer möglichen Pandemie über die Newsticker gelaufen waren, zunächst sogar noch angestiegen. Erst später setzte der Einbruch ein. Diese Entwicklung war „der Verleugnung“ zuzuordnen. Dahinter verbergen sich Sätze wie: Das wird schon alles nicht so schlimm werden. Die Wirtschaft ist stark, die schafft das. Der Virus erreicht Europa/die USA nicht und ähnliches mehr.

Wir Menschen müssen uns an neue Gegebenheiten anpassen. Und dabei sind wir oft langsamer, als wir uns selbst eingestehen wollen. Dieser Anpassungsmechanismus kann unter bestimmten Voraussetzungen dazu führen, dass man eine mögliche Veränderung zunächst nicht wahrhaben will. Das gilt vor allem dann, wenn zuvor alles gut gelaufen war. Also werden mögliche Folgen erst einmal geleugnet. Dieses Leugnen kann manchmal auch völlig unvernünftig erscheinen.

Phase 1 umfasst also alle Faktoren, die eine sofortige Reaktion verhindern. Und hier sind die zunächst weiter steigenden Kurse nach dem Ausbruch des Corona-Virus ein Lehrbuchbeispiel. Tatsächlich ist es sinnvoll, bei solchen Ereignissen möglichst früh zu reagieren. Denn in der Phase 2 reagieren die Börsen panisch.

Der Crash 1929
Chart 1: Der Crash 1929

Wer hier möglichst schnell verkauft hat oder seine Positionen abgesichert hat, der hat einen erheblichen Vorteil beim Wiedereinstieg. Als Anleger müssen Sie also lernen, Phase 1 möglichst schnell zu enttarnen, um dann die Vernunft einzuschalten. Ist diese Situation dazu geeignet, die (Welt-)Wirtschaft mittelfristig stark negativ zu beeinflussen, gilt es zu verkaufen beziehungsweise abzusichern.

Phase 2 - die eigentliche Panikreaktion

Sobald die Schockstarre weicht oder die Verleugnungsphase endet, geraten die Anleger in Panik. Diese 2. Phase haben wir in der vergangenen Woche gesehen. Und es ist noch nicht sicher, dass sie bereits vorbei ist. Immer drängender wird das Gefühl, dass hier etwas geschehen ist, das die Börse eventuell länger belasten kann. Anstatt nun besonnen zu reagieren, fallen die meisten Anleger in Panik, eben weil sie nicht wissen, was sie tun sollen.

Das Typische der Panik ist jedoch die Abwesenheit von Vernunft. Statt also jetzt vernünftig zu agieren und zum Beispiel mit fallenden Kursen immer konsequenter auszusteigen oder Absicherungen zu kaufen, wird alles auf den Markt geschmissen, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Kurse fallen senkrecht in die Tiefe. Und mit weiter fallenden Kursen geraten auch immer mehr Anleger unter Druck und in Panik. Der Crash nährt den Crash. Wie wenig vernünftig in diesen Tagen gehandelt wird, erkennt man daran, dass wirklich alles verkauft wird – bis hin zu Aktien, die unter Umständen gar nicht von dem Ereignis betroffen sind.

Panikphasen dauern einen Tag bis Wochen. Die Dauer wiederum hängt davon ab, wie schnell das Ereignis Phase 1 überwunden hat und wie nachhaltig das Ereignis auf die Börsen wirken wird.

Die Ölkrise 1973-1974
Chart 2: Die Ölkrise 1973-1974

In Phase 2 steigen einige wenige Aktien, die möglicherweise von dem externen Ereignis profitieren können. Bei militärischen Auseinandersetzungen sind es häufig die Aktien von Rüstungsunternehmen, bei Pandemien selbstverständlich eher Aktien aus dem Biotechbereich und von Herstellen diverser Medikamente, Schutzausrüstungen, Desinfektionsmittel und ähnliches. – Aber Vorsicht, bei größeren Panikreaktionen der Märkte werden manchmal sogar Aktien solcher Unternehmen verkauft.

Als Krisenwährung gilt Gold. Und so legen viele Anleger einen Teil des Geldes, das nun an der Seitenlinie steht, in Gold an. Doch wie wir unlängst gesehen haben, kann in einer größeren Panik auch der Goldpreis einbrechen – zum Beispiel, wenn größere Fonds ihre Absicherung in Gold auflösen, um damit Liquidität freizubekommen, um mit Absicherung- bzw. Gegenpositionen Verluste bei den Aktien einzugrenzen.

Phase 3 - Erschöpfung und das verfrühte Aufatmen

Panik ist ein Gemütszustand, der sehr viel Energie verbraucht. Viele Anleger lesen in dieser Zeit alles an Nachrichten, was sie kriegen können, um ihre Entscheidungen vermeintlich besser zu begründen. Sie sind dabei sehr aufgeregt und unsicher. Dieser Stress führt zu einer tiefergreifenden mentalen Erschöpfung. Meist merkt man davon nicht so viel. Aber interessanterweise hat diese Erschöpfung noch einen gravierenden Effekt: Neue Nachrichten führen irgendwann nicht mehr zu größerer Panik. Vor allem dann, wenn man das Depot nun teilweise verkauft oder abgesichert hat. Wenn aber die Nachrichten nicht mehr neues Adrenalin in die Adern pumpen, bewertet unser Gehirn diese neuen Nachrichten deutlich weniger dramatisch. Die Folge ist eine grobe Fehleinschätzung: „Alles halb so schlimm!“

In dieser Phase 3 steigen viele Anleger wieder in die Märkte ein, weil sie denken, das Gröbste hinter sich zu haben. Sie verkennen aber dabei den zugrundeliegenden, eigentlich eher mentalen Prozess. Und so führt diese Phase 3 zu einer meist dynamischen Gegenbewegung in den Kursen, die dann noch die Annahme stützt, dass alles nicht so schlimm ist – sonst würden die Kurse ja schließlich nicht so stark steigen – der Kreis schließt sich. Gleichzeitig sind viele Anleger auch gerne bereit, sich hier täuschen zu lassen – allein, um der Fortsetzung der Panik zu entgehen.

Die Zäsur in diesem Modell

Zäsur: An dieser Stelle muss der erfahrene Anleger sehr aufpassen. Mit den neuen Informationen muss er sich erneut die alles entscheidende Frage stellen: Ist dieses Ereignis tatsächlich in der Lage, die Weltwirtschaft mittelfristig stark zu beeinträchtigen oder wird der Einfluss nur von kurzer Dauer sein? Ist tatsächlich erstes der Fall, kommt es zu Phase 4 und 5. Ist der Einfluss aber nur von kurzer Dauer, bricht der Prozess an dieser Stelle ab und die Kurse steigen wieder auf die Niveaus, die vor dem Einbruch erreicht waren. Und ein neues Hoch ist meist auch der Hinweis, dass die Panik-Phasen zu Ende gegangen sind.

Beim Corona-Virus lässt sich die oben formulierte Frage allerdings nicht so eindeutig beantworten. Definitiv bringt diese Pandemie einen erheblichen konjunkturellen Einbruch mit sich, allein schon, weil viele Menschen weniger aus dem Haus gehen, von Veranstaltungen fernbleiben, etc. Messen und Veranstaltungen werden daher oder aus eigenen Sicherheitsüberlegungen abgesagt. Unternehmen stellen wichtige Projekte nach hinten etc. Auch die Konsumneigung der Bürger sinkt in kritischen Phasen erheblich. Es gibt also eine Vielzahl von Belastungsfaktoren.

Phase 4 - die realistische Einschätzung und die langfristigen Folgen

Wenn Phase 4 startet, ist meist genügend Zeit vergangen, um das Ereignis und seine Folgen richtig einzuschätzen. Diese Phase beginnt bereits in der Gegenbewegung der Kurse während Phase 3. Dadurch, dass die Panik erst einmal vorbei ist, kommen viele Anleger zu einer realistischeren Einschätzung der Situation. Wenn das Ereignis die Wirtschaft mittelfristig stärker beeinträchtigen kann oder sogar noch weitere Risiken verursacht, werden immer mehr Anleger und vor allem die großen Fonds nach und nach ihr Positionen an die neuen Gegebenheiten anpassen.

Phase 4 ist also geprägt von wieder fallenden Kursen, die allerdings nicht mehr so dynamisch einbrechen, wie in der eigentlichen Panikphase (2). Diese 4. Phase dauert wenige Wochen bis Monate. In manchen Fällen sogar Jahre. Das hängt natürlich von der weiteren Entwicklung des individuellen Falles ab:

Die Finanzkrise 2008-2009
Chart 3: Die Finanzkrise 2008-2009

Können die Unternehmen Verluste ausgleichen? Wie stark sind sie beispielsweise betroffen? Je mehr Unternehmen starke Umsatzeinbußen haben, je mehr werden sich die Kurse dieser Unternehmen an die neue Situation angleichen. Sprich, die Kurse fallen weiter. In dieser Phase können sich Aktien, die davon nicht betroffen sind, meist gut halten oder sogar steigen. Auch die mittelfristigen Profiteure einer solchen Entwicklung, werden eher steigende Kurse verzeichnen.

Beim Corona-Virus könnte der Spuk schnell vorbei sein, dann, wenn sich die Bevölkerung an diesen Virus gewöhnt hat, wie es inzwischen schon ein wenig in China der Fall ist. Dann treten gewisse Aufholeffekte auf. Nach schlechten Quartalsergebnissen werden auf einmal deutlich bessere erwartet. Das führt somit zu steigenden Kursen. Es sei denn, dass Unternehmen oder Banken in Schieflage geraten, die Krise also neue Krisen hervorruft. Das bleibt abzuwarten. Doch bevor ein Ende der Krise zu steigenden Kursen führt, kommt es meist noch zu der letzten Phase:

Phase 5 - Kapitulation und Resignation

Die Phase 5 beschreibt das Ende der Panik – die Anleger kapitulieren oder/und resignieren.

Die Kapitulation: Meist kommt es nach längeren Kursverlusten zu einem Sell-Off, einem finalen Ausverkauf. Die Anleger, die nicht schon am Anfang verkauft haben und die ganze Zeit hofften, dass die Kurse wieder steigen, werden oft am Ende eines solchen Crash ihre Bestände auf den Markt schmeißen, um nicht noch mehr Verluste ertragen zu müssen. Dieser Sell-Off entsteht in einer Zeit, in der die Nachrichten voll sind von Horrorszenarien für die Wirtschaft.

Die Resignation: Bei ganz langsamen und langen Verläufen der Phase 4 wird es eher zu einer breiten Resignation unter den Anlegern kommen. Eine solche haben wir zum Beispiel im Jahr 2003 nach dem dreijährigen Crash erlebt.

In den meisten Fällen handelt es sich jedoch um Mischformen.

Diese letzte Phase 5 zu erkennen, gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Anlegers. Denn in dieser Phase sollte man die Aktien, die man hoffentlich noch zu deutlich höheren Kursen verkauft hat, zurückkaufen.

Aktien erst am Ende des Crashs kaufen

Eigentlich sind die 5 Phasen des Crashs sehr gut zu erkennen. Wenn Sie nach einem längeren Crash morgens aufwachen und absolut davon überzeugt sind, dass nun das System oder die Wirtschaft oder die Börsen endgültig crashen, können sie nahezu blind kaufen. Natürlich nur, wenn Sie das nicht zuvor schon ständig denken und die Kurse am ENDE einer längeren Abwärtsbewegung plötzlich wieder senkrecht nach unten fallen.

Fazit: Die verschiedenen Phasen der Panik zu erkennen, kann ihnen helfen, genauer einzuschätzen, wie Sie sich verhalten sollten. Schlussendlich verlaufen aber natürlich alle Krisen auf ihre ganz eigene und spezielle Art und Weise. Und so sind die Phasen nur eine gute Richtschnur, nicht mehr aber auch nicht weniger. Und doch lassen sich in fast allen Crashs genau diese Muster erkennen (siehe Charts).



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