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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 25.03.2022 | Reichlich Sonne bei um die 18°C . | ||
+ Das steckt drin im großen „Entlastungspaket“ der Bundesregierung + Ex-DDR-Ministerpräsident hält Russland-Angriff auf Ukraine für „Bürgerkrieg“ + Jeder zweite Berliner hat Anspruch auf eine Sozialwohnung + |
von Julius Betschka |
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Guten Morgen, wir beginnen mit den Nachrichten aus der Nacht zum russischen Angriff auf die Ukraine: +++ Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat einen möglichen Einsatz von Chemie-Waffen durch Russland als „absolut inakzeptabel“ bezeichnet und „weitreichende Konsequenzen“ angedroht. +++ Die Nato will keine Panzer oder Flugzeuge an die Ukraine liefern. Das sagte der französische Präsident Emmanuel Macron am Donnerstagabend nach einem Sondergipfel in Brüssel. +++ Der sozialdemokratische Lobbyist für russisches Gas, Gerhard Schröder, hat den Krieg Russlands in der Türkei als Folge einer fehlenden Sicherheitsarchitektur nach dem Ende der Sowjetunion bezeichnet. Kritik an seinem Freund Wladimir Putin äußerte er nicht. +++ In der seit Wochen belagerten Stadt Mariupol verhungern Menschen. Alle Hilfslieferungen seien bisher gescheitert. Das berichtet „Kyiv Independent“ mit Berufung auf den Stadtrat. Alle weiteren aktuellen Ereignisse können Sie in übersichtlicher Form in unserem Ukraine-Newsblog nachlesen. | |||
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Elf Stunden haben die Verhandlungen von SPD, Grünen und FDP gedauert, dann hatte man sich auf ein milliardenschweres „Entlastungspaket“ geeinigt. Es soll „schnell, unbürokratisch und sozial gerecht“ sein, loben sich die Verhandler. Das steckt drin: + Alle einkommenssteuerpflichtigen Erwerbstätigen erhalten einmalig eine Energiepauschale von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt. + Für drei Monate wird die Spritsteuer gesenkt (30 Cent je Liter Benzin, bei Diesel auf 14 Cent je Liter) – Lindners Tankgutschein. + Monatstickets für Bus und Bahn sollen deutschlandweit für drei Monate auf 9 Euro im Monat vergünstigt werden. + Familien erhalten für jedes Kind ergänzend zum Kindergeld einen Einmalbonus in Höhe von 100 Euro. + Wer Sozialleistungen bezieht, erhält zu einer bereits beschlossenen Einmalzahlung von 100 Euro weitere 100 Euro hinzu. Der Heizkostenzuschuss steigt auf 270 Euro. Ist das alles sozial gerecht? „Viel Geld geht an Haushalte, die es nicht so dringend brauchen“, kommentiert Kollege Albert Funk. „Die Koalition hat sich beim Entlasten für Kurzfristpolitik entschieden, der Stimmung wegen.“ Eine Analyse der Kosten und Auswirkungen des Pakets lesen Sie hier. Übrigens scheiterte eine der wenigen sehr günstigen Maßnahmen, um weniger Geld an Russland zu überweisen und den Spritverbrauch zu senken aus ideologischen Gründen an der FDP: das Tempolimit auf Autobahnen. | |||
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So billig wie nie soll der Nahverkehr werden – das ist wohl die größte Überraschung des Pakets. Das „9 für 90“-Ticket überrumpelt besonders die Nahverkehrsunternehmen. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) warnt seine Kunden deshalb, ihre Abos nicht voreilig zu kündigen. Derzeit stimme man sich mit allen Beteiligten ab – mit den Ländern Berlin und Brandenburg und den Verkehrsunternehmen im Verbund, „um die konkreten Rahmenbedingungen zur Umsetzung zu erörtern“. Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch sagte dem Tagesspiegel, sie wolle das Angebot für eine „ÖPNV-Offensive“ nutzen: „Wenn wir unabhängig von russischem Öl und Gas werden wollen, müssen viel mehr Menschen ihr Auto stehen lassen und Bahn fahren.“ Dazu passt die Meldung von gestern: „Die Zahl der zugelassenen Pkw ist in Berlin auf 1.233.625 gestiegen.“ Selbst die Zahl der Autos pro 1000 Einwohner ist gestiegen. Jaraschs Job? Vollbremsung und dann Rückwärtsgang einlegen. | |||
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Ordnung ins Chaos. Die wohl größte Herausforderung für Bund und Länder ist zurzeit die Registrierung und Verteilung der Ukraine-Flüchtlinge. Schon am Mittwoch oder Donnerstag dieser Woche wollte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) deshalb für diese Menschen das „FREE“-System einführen, die „Fachanwendung zur Registerführung, Erfassung und Erstverteilung zum vorübergehenden Schutz“. Das bestätigen mehrere Ländervertreter. Mitarbeiter von Flüchtlingsbehörden beschreiben vor allem die kleinteilige Aufteilung nach dem bisherigen EASY-System als schwer umsetzbar. So fahren Busse immer wieder halb leer oder registrierte Flüchtlinge kommen nicht an den Zielorten an. Mit FREE soll ein Parallelsystem nur für Ukraine-Flüchtlinge geschaffen werden, die sich eben grundsätzlich frei bewegen können. FREE, das ist auch Verwaltungshumor. Allerdings stößt das neue System, das auch eine einfachere Verteilung regeln soll, auf erheblichen Widerspruch in den Ländern. Ländervertreter beklagen in der Test-Phase, dass der „Zeitaufwand sich deutlich erhöht, das System „eine unüberwindbare Hürde“ darstelle und deshalb „nicht tragbar“ sei. Das zeigen interne Mails, die dem Checkpoint vorliegen. Besonders sperren sollen sich Länder mit bislang eher weniger Flüchtlingen, weil künftig auch möglich sein soll, dass sie – zumindest kurzfristig – mehr Menschen auf einmal aufnehmen müssen, als nach dem Königsteiner Schlüssel vorgesehen wären. Auf Checkpoint-Anfrage bestätigt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums lediglich: „Die Programmierung der notwendigen Änderungen dauert an.“ Das BAMF erklärt auf Anfrage, die Länder hätten FREE bereits erprobt. „Die dabei übermittelten Änderungswünsche der Länder werden zurzeit ausgewertet und ihre Übernahme in FREE geprüft.“ Man nehme die Optimierungswünsche der Länder „sehr ernst“. Ein Sprecher weist daraufhin, dass das System in „sehr kurzer Zeit unter enger Einbindung der Länder“ entwickelt werde. Auf die Frontalkritik ging der Sprecher nicht ein. FREE muss aber noch warten. | |||
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Wir schreiben das Jahr 2022, Auftritt: Hans Modrow. Wer, bitte? Genau, der letzte SED-Ministerpräsident der DDR ist noch heute Vorsitzender des Ältestenrates der Linkspartei. In dieser Funktion wurde nun von ihm ein Papier zum „Bürgerkrieg“ in der Ukraine öffentlich. Wie bitte? Genau, Modrow sieht das so: „Die Frage, wie weit der Krieg in der Ukraine nun ein Einmarsch russischer Truppen ist oder sich als ein innerer Bürgerkrieg der Kräfte in den neuen Ost-Staaten und faschistischen Elementen im Westen der Ukraine darstellt, steht im Raum.“ Dass in der Linkspartei solche Positionen zum Krieg existieren wie in diesem Papier zu lesen ist, überrascht fast weniger als der Fakt, dass SED-Ministerpräsident Hans Modrow, 94, im Jahr 2022 noch ein politisches (Ehren-)Amt bekleiden darf. Die Reaktionen aus der Berliner Landespitze der Linkspartei auf das Papier sind scharf. Linken-Landesvorsitzende Katina Schubert schrieb auf Twitter: „Der Ältestenrat spricht nicht für die Linke.“ Die Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Anne Helm, stellte das Gremium ganz in Frage. Sie sagte dem Checkpoint: „Aufgabe und Mehrwert dieses Gremiums müssen in einer basisdemokratisch organisierten Partei zumindest diskutiert werden.“ Zuvor hatte sie geschrieben: „Der Ältestenrat hat seine Aufgabe immer auch im Mahnen gesehen. Als mahnendes Beispiel hat er jetzt seine Aufgabe wohl abschließend erfüllt.“ Die Linkspartei wies daraufhin, dass das Papier von Modrow nicht in dieser Form beschlossen wurde. Zuletzt wurde Modrow übrigens 2018 vom Parteivorstand der Linkspartei im Amt bestätigt. Parteivorsitzende damals: Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping. | |||
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300.000. So viele Neuinfektionen wie nie zuvor wurden am Donnerstag in Deutschland registriert. In Berlin waren es 9000. Trotzdem laufen in genau einer Woche fast alle Schutzmaßnahmen aus. Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) ruft deshalb die Berlinerinnen und Berliner dazu auf, in Innenräumen freiwillig weiter Maske zu tragen. Die Gesundheitssenatorin will Vorbild sein und die Maske dort ebenfalls auch nach dem 31. März tragen, schrieb Sprecherin Laura Hofmann dem Checkpoint. Gesundheitssenatorin Ulrike Gote sagte dem Checkpoint: „Wir befinden uns in einer Phase, in der die Infektionszahlen und auch die Krankenhausbelegung wieder zunehmen, bei gleichzeitigem Wegfall von Personal durch Erkrankung oder Quarantäne. Aus epidemiologischer Sicht ist deshalb jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, fast alle Corona-Maßnahmen auslaufen zu lassen.“ Laut Gesundheitsverwaltung ist ein „relevanter Anteil der Mitarbeiter:innen in den Krankenhäusern in Isolation“ – die Krankenversorgung sei aber sichergestellt. Man beobachte das Infektionsgeschehen genau, um „im Notfall die Notbremse zu ziehen“, sagte Gote. Allerdings schränkte die Grünen-Politikerin ein: „Das neue Infektionsschutzgesetz auf Bundesebene macht es aus rechtlicher Sicht schwer, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die über die vom Bund beschlossenen Basisschutzmaßnahmen hinausgehen – obwohl wir mit einem erneuten Anstieg der Inzidenz kämpfen.“ Das erkennt auch der für das Infektionsschutzgesetz fachlich zuständige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an – und zwar vor, während und nach der Entscheidung für das neue Regelwerk. Er sagte am Donnerstag im Bundestag sogar, die derzeitige Situation mit 300.000 Infektionen und bis zu 300 Toten könnte so „nicht akzeptiert“ werden. Allerdings hat Lauterbach genau das (auch auf Drängen der FDP) selbst getan: Er hat das akzeptiert. Ein Gesundheitsminister macht Politik gegen sich selbst. | |||
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