ePredigt vom 02.07.2017 (Lukas 15, 1-7) Liebe Gemeinde,
ich begrüße Sie alle ganz herzlich am heutigen 3. Sonntag nach Trinitatis. Den Predigttext für den heutigen Sonntag finden wir im Lukasevangelium, Kapitel 15, die Verse 1-7. Lassen Sie uns diesen Text zunächst gemeinsam lesen:
Vom verlorenen Schaf
Es nahten sich ihm aber allerlei Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eins von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er's findet? Und wenn er's gefunden hat, so legt er sich's auf die Schultern voller Freude. Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.
Liebe Gemeinde,
wenn ich der heutigen Predigt eine Überschrift geben würde, dann fiele mir spontan ein: "Dein ganz persönlicher Jesus". Lassen Sie uns anhand unseres Predigttextes doch einmal schauen, was es auf sich hat mit dem ganz persönlichen Jesus und was dieser ganz persönlich für einen jeden von uns tut.
1. Der suchende Jesus
Auch ein falscher Weg beginnt mit dem ersten Schritt. So könnte ich mir gut vorstellen, dass sich das Schaf aus unserem Gleichnis zunächst nur ein wenig abseits der Herde aufgehalten hat, weil das Gras dort vielleicht ein wenig grüner war, als an dem Platz, wo alle grasten. Ganz langsam entfernt es sich immer weiter von der Herde, weil es immer auf immer neue, vermeintlich bessere Futterstellen stieß. Und auf einmal stellte es fest, dass es den Kontakt zur Herde verloren hatte.
Liebe Gemeinde, dies ist doch auch ein Sinnbild für unsere heutige Zeit. Da ist ein junger Mann konfirmiert worden und auch im Jugendkreis tätig. Auf einer Party hatte er den ersten Kontakt zu Drogen und fand, dass man sich daran angenehm berauschen konnte. Es war ja nur hin und wieder. Und dann auf einmal stellte er fest, dass er ohne die Drogen schon gar nicht mehr leben konnte. Den Kontakt zum Jugendkreis und zur Gemeinde hatte er so nach und nach aufgegeben. Es war ja auch viel angesagter mit den neuen coolen Typen abzuhängen, als weiterhin in der Gemeinde zu bleiben.
Anstelle von Drogen können wir auch Arbeit, Hobbys und andere Religionen setzen. Wir alle sind doch permanent gefährdet, uns von unserem Weg als Jesusnachfolger ablenken zu lassen. Ja, es ist noch jemand außer unserem Herrn allgegenwärtig, der es auf unsere Seele abgesehen hat. Und wenn dieser jemand dann sagt, dass es doch viel interessanter ist, sonntags zum Fußball zu gehen, als kalte Kirchenbänke warm zu sitzen, dann könnte man schon mal nachgeben. Und schon beginnt der erste Schritt auf dem falschen Weg.
Jesus sieht das alles schon in den Anfangsstadien. Wo wir meinen, noch alles im Griff zu haben, da sieht er schon die konkrete Gefahr, in welcher wir uns befinden und macht sich auf den Weg hin zu uns. Viele Menschen meinen ja, sie steckten so tief in ihrer selbstverschuldeten Notlage, dass auch Gott nicht mehr helfen kann und will.
Hier die erlösende Nachricht: Keine Not ist so groß, als das Jesus sie nicht wenden könnte. Jesus steht immer nur ein Gebet weit von uns entfernt und wartet nur auf unseren Hilferuf. Sobald wie diesen abgesetzt haben ist er sofort zur Stelle und nimmt uns in seine liebenden Arme.
2. Der tragende Jesus
Wie unser Schaf aus dem Gleichnis entfernen wir uns manchmal so weit von Jesus, dass die Rückkehr aus eigener Kraft unmöglich erscheint. Und dann, liebe Gemeinde, geschieht das wunderbare. Jesus nimmt uns nicht nur in seine liebenden Arme, erträgt uns auch, wenn wir nicht mehr können.
Selbst wenn wir keine Kraft mehr haben, uns an Jesus festzuhalten, selbst dann trägt er uns wie das Schaf auf seinen Schultern. Wir müssen uns nur von Jesus tragen lassen. Wer, bitteschön, ist denn so dämlich und lässt sich nicht von Jesus tragen?
Das sind leider keine Einzelfälle. Sobald der Mensch ein wenig Kraft bei Jesus geschöpft hat, meint er oftmals, den Weg auch wieder alleine gehen zu können und lässt sich nur all zu gerne von der Schulter Jesu auf die eigenen Füße fallen.
Ich erlebe es leider immer wieder in der christlichen Suchtkrankenhife, dass Menschen zu früh eine Therapie abbrechen und auf der halben Wegstrecke meinen, wieder allein und ohne Hilfe zurechtzukommen. Das endet leider nahezu immer in einem Desaster und die Menschen landen genau dort, wo Jesus sie auf seine Schultern genommen hatte.
Wir würden vielleicht sagen: Selber schuld, der hat schließlich seine Chance gehabt. Nun muss er sehen, wie er allein zurechtkommt. Vieleicht würden wir, die wir mit einem großen Herzen ausgestattet sind, dem Menschen noch eine zweite Chance einräumen, aber dann wäre unweigerlich Schluss. Und was macht Jesus: Er geht wieder dem Sünder hinterher und nimmt ihn wieder in seine Arme und trägt ihn wieder auf seinen Schultern.
Wo wir aufgeben, wo wir mit unseren Kräften am Ende sind, da, liebe Gemeinde, fängt unser Herr erst sein Wirken an.
Und das gilt unser ganzes Leben lang. Wer es noch nicht kennt, dem empfehle ich das Gedicht "Spuren im Sand". Bitte einfach mal googeln.
3. Der heimleitende Jesus
Jesus nimmt uns nicht nur in die Arme und trägt uns, nein, er bringt uns auch wieder heim zu seiner Herde. Er hilft uns nicht nur wieder auf die Beine, was allein für sich gesehen schon ein Wunder wäre. Nein der heimleitende Jesus bringt das Schaf zurück zur Herde, wo es fortan wieder ein vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft sein darf.
Machen wir das als christliche Herde auch so ? Nehmen wir die Menschen bei uns auf, die uns Jesus vor die Füße legt? In der Praxis sieht dies leider anders aus.
Ich habe auch einige Zeit meines Lebens in einem Gefängnis gearbeitet. Meine Aufgabe bestand uner anderem darin, die "Neuen" aufzunehmen und mit dem, was sie erwartet, bekannt zu machen. Viele Gesichter sah ich leider mehrmals. Natürlich habe ich immer wieder nach dem "Warum" gefragt. Wissen Sie was, eine häufige Aussage war? "Mit so einem wie mir will doch keiner mehr etwas zu tun haben. Was blieb mir denn anders übrig, als wieder in die alten Verhaltensweisen zu verfallen. Einmal Verbrecher, immer Verbrecher."
Ja das ist schlimm, wenn zukünftige Arbeitgebern und stellenweise auch Behörden so denken und reagieren. Aber das schlimmste ist, dass christliche Gemeinschaften in vielen Fällen nicht viel besser waren, als weltliche Organisationen.
Und genau hier sind wir hier und heute gefordert. Hier müssen wir aufstehen und im Namen Jesus reden. Wenn wir also merken, dass in unseren Gemeinden und Gemeinschaften Menschen offensichtlich ausgeschlossen werden, dann dürfen wir einfach nicht hinwegsehen, dann müssen wir aufstehen und unseren Geschwistern diesen heimleitenden Jesus bezeugen. Mir persönlich ist auch schon mal passiert, dass die Gemeinde ein wenig "verschnupft" reagierte, als ich diesen Missstand an den Pranger gestellt habe. Aber bedenken wir bitte eines; wir greifen keinen Menschen persönlich an, wir weisen nur darauf hin, was Jesus von uns erwartet.
Wenn Jesus in die tiefsten Nöte der Menschen hineingeht, wenn ER sie liebevoll in seine Arme nimmt und sie auch sicher wieder zur Gemeinde zurückträgt, wer sind wir dann, dass wir diese Gemeindemitglieder draußen vor lassen?
Lassen Sie uns auch daran denken, dass auch wir nur einen Geniestreich Satans weit davon entfernt sind, in eine ähnliche Situation zu geraten.
Danken wir lieber dem großen Gott dafür, dass er auch uns immer wieder führt, trägt und begleitet mit dem ersten Vers des Liedes: "Großer Gott, wir loben dich..." (EG 331) von Ignaz Franz, der da lautet, wie folgt:
Großer Gott, wir loben dich; Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.
Der Herr segne Dich und behüte Dich Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig Der Herr hebe sein Angesicht über Dich und gebe Dir seinen Frieden
Amen.
Liebe Gemeinde, ich wünsche Ihnen allen noch einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in die neue Woche. Es grüßt Sie alle ganz herzlich Ihr Ulrich Naber |