| ePredigt vom 10.01.2021 (Lukas 3, 36) Liebe Gemeinde, ich begrüße Sie alle ganz herzlich am heutigen 1. Sonntag nach Epiphanias. Als Predigttext soll uns heute die Jahreslosung dienen, welche wir im 6. Kapitel des Lukasevangeliums, Vers 36 finden. Hören wir also zunächst auf den Text der Losung für das Jahr 2021: Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Liebe Gemeinde, wenn wir in unserer Bibel lesen dann stoßen wir immer wieder auf Worte, die aus unserem Sprachschatz nahezu verschwunden sind. Und so können vor allem jüngere Leser kaum noch etwas mit diesen Worten anfangen. "Barmherzigkeit" ist auch so ein Wort, welches wir erst wieder mit Leben füllen müssen, damit wir erkennen, was dieses Wort alles beinhaltet. Lassen Sie uns heute Morgen einmal zusammen erkunden, was sich denn hinter der Barmherzigkeit verbirgt. 1. Das offene Herz Das barmherzige Herz nimmt zunächst einmal die Not der anderen Menschen wahr. Ich glaube, da liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor uns allen. Wie viel Nöte unserer Mitmenschen erkennen wir erst gar nicht, da wir uns doch immer wieder um uns selber drehen? Nehmen wir nur einmal die Coronazeit. Wir alle haben doch unter Einschränkungen gelitten bzw. leider weiterhin darunter. Und da sieht man natürlich erst einmal die eigene Not, die sich daraus ergibt. Und die Not der anderen erkennt man daher leider kaum. Unser Vater im Himmel der sieht aber unser aller Nöte, erkennt sie und nimmt sich ihrer an. Wie bekommen aber wir nun diese Sache mit dem offenen Herzen hin? Ganz einfach, liebe Gemeinde, indem wir unseren Herrn bitten, dass er uns unsere inneren Augen auftun möge, damit wir mit unseren äußeren Augen auch die Nöte unserer Mitmenschen besser wahrnehmen können. Dieses einfache Gebet wird unser Herr ganz bestimmt nicht unbeantwortet lassen. Nun ist das Erkennen der Nöte unserer Mitmenschen ja noch keine Barmherzigkeit. Da gehört noch etwas mehr dazu, nämlich 2. Das Handeln Wir können uns natürlich fragen, wie man der Not unserer Mitmenschen abhelfen könnte. Wenn wir uns diese Frage so allgemein stellen, dann sind wir sehr schnell dabei, für die Lösung der Nöte unserer Mitmenschen staatliche Organisationen ins Feld zu führen. Mein Mitmensch ist in finanziellen Nöten. Dafür ist doch das Sozialamt zuständig. Mein Mitmensch hat psychische Probleme, z.b. mit der Einsamkeit in der Coronazeit. Na dafür gibt es doch schließlich fachärztliche Hilfe. Mein Mitmensch wird von Gebrechen geplagt. Ja, da ist doch der Pflegedienst für zuständig. Diese Antworten, die wir uns dann selber geben sind natürlich auch nicht grundverkehrt. Es gibt bestimmt Situationen wo diese Einrichtungen und Ämter eingreifen können und auch müssen. Aber wie wäre es denn, wenn wir uns eine ganz andere Frage stellen? Nämlich diese Frage: Wie kann ICH der Not meines Mitmenschen abhelfen? So, und jetzt sind die oben genannten Einrichtungen einmal außen vor. Jetzt können wir uns fragen, welche Möglichkeiten wir denn haben, um die Nöte unserer Mitmenschen nicht nur wahrzunehmen, sondern auch für Abhilfe zu sorgen. Bleiben wir einmal bei den oben genannten Beispielen. Wenn es in meiner finanziellen Möglichkeit steht, dann kann ich ja auch von dem, was ich zu viel habe, demjenigen etwas abgeben, der es dringend benötigt. Wenn mein Mitmensch unter der Einsamkeit in dieser Zeit leidet, dann kann ich ihm doch ein wenig meiner Zeit schenken. Dann verzichte ich eben mal auf den Freitagskrimi und setze mich mit meinem Mitmenschen zusammen und rede ganz einfach mit ihm. Und wenn mein Nächster unter einem Gebrechen leidet für dessen Abhilfe der Pflegedienst zuständig wäre, dann kann ich mich ja auch einmal fragen, was ich denn tun kann, um Abhilfe zu schaffen. Wenn wir das gesagte einmal zu zusammenfassen, dann versteht man unter Barmherzigkeit die Fähigkeit, die Nöte der Mitmenschen zu erkennen und Abhilfe zu schaffen. Eigentlich ist die Barmherzigkeit ja gar nicht so schwer und eine ganz einfache praktische Angelegenheit, die wir alle ausüben können. Aber es gibt da noch: 3. Stolpersteine der Barmherzigkeit Ein erster Stolperstein ist sicherlich die Enttäuschung. Vielleich haben wir ja schon einmal einem Menschen in Not beigestanden und dieser macht immer und immer wieder den gleichen Fehler, der ihn dann wieder in einen ausweglose Lage hineinmanövriert. "Das bringt doch alles nichts, dem ist doch eh nicht mehr zu helfen", so sind wir schnell geneigt darüber zu denken. Was wäre denn, wenn Gott so über uns denken würde ? Ja, liebe Gemeinde, dann wären wir ganz arm dran. Gott sei Dank denkt Gott aber nicht so über uns sondern erweist uns gegenüber immer wieder seine Barmherzigkeit. Auch wenn wir die gleiche Sache immer wieder vermasseln. Probieren wir dies doch auch unseren Mitmenschen gegenüber aus. Ein weiterer Stolperstein ist der Egoismus, den wir auch so beschreiben können. "Ich, mich, meiner, mir, Jesus segne diese vier!!!" Barmherzigkeit hingegen geht genau den entgegengesetzten Weg und betet "Du, dich, deiner Dir, Jesus segne diese vier!!! Und dann haben wir noch den dritten Stolperstein, die Hartherzigkeit. "Mir hat auch niemand geholfen", ist so eine typische Aussage eines hartherzigen Menschen. Wenn dies bei uns zutreffend ist, dann seien wir doch Gott dankbar, dass er uns mit so vielen Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgestattet hat, dass wir bisher alles alleine geschafft haben. Und seien wir doch großzügig mit der Weitergabe dieser Fähigkeiten an die Menschen, die diese nun mal gerade nicht besitzen. Und seien wir uns gewiss. Auch in unserem Leben gibt es irgendwann Situationen, die wir alleine nicht mehr bewältigen können und in denen wir auf die Barmherzigkeit unserer Mitmenschen angewiesen sind. Kleben wir uns doch in diesem noch neuen Jahr einmal das Wort Barmherzigkeit auf unseren Spiegel, wenn wir aufstehen, in unser Auto, wenn wir zur Arbeit fahren und auf unseren Arbeitsplatz, wenn wir unserer Tätigkeit nachgehen. Somit werden wir immer daran erinnert. "Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist." Lassen Sie uns zum Abschluss des heutigen Gottesdienst gemeinsam in den ersten Vers des Liedes "Mir ist Erbarmung widerfahren..." (EG 355) von Philipp Friedrich Hiller einstimmen, der da lautet, wie folgt: Mir ist Erbarmung widerfahren, Erbarmung, deren ich nicht wert; das zähl ich zu dem Wunderbaren, mein stolzes Herz hat's nie begehrt. Nun weiß ich das und bin erfreut und rühme die Barmherzigkeit. Der Herr segne Dich und behüte Dich Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig Der Herr hebe sein Angesicht über Dich und gebe Dir seinen Frieden Amen. Liebe Gemeinde, ich wünsche Ihnen allen noch einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in die neue Woche. Es grüßt Sie alle ganz herzlich Ihr Ulrich Naber |
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