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ePredigt vom 10.11.2019 (Lukas 6, 27-38)


Liebe Gemeinde,

ich begrüße Sie alle ganz herzlich am heutigen Drittletzten Sonntag des Kirchenjahres. Den Predigttext für den heutigen Sonntag finden wir im 6. Kapitel des Lukasevangeliums, die Verse 27-38. Lassen Sie uns diesen Text zunächst gemeinsam lesen:
Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen, segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen. Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar; und wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht. Wer dich bittet, dem gib; und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück.
Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch. Und wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben ihre Freunde. Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut, welchen Dank habt ihr davon?
Denn die Sünder tun dasselbe auch. Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr etwas zu bekommen hofft, welchen Dank habt ihr davon? Auch die Sünder leihen den Sündern, damit sie das Gleiche bekommen. Vielmehr liebt eure Feinde; tut Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft. So wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Kinder des Allerhöchstens sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.
Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben. Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen.

Liebe Gemeinde,

es gibt, und das lehrt uns Jesus heute, zwei Arten des Christentums. Das Christentum light und das ernstgemeinte Christentum, also die aufrechte Nachfolge. Lassen Sie uns diese beiden heute einmal gemeinsam betrachten:

1. Christentum Light

Die Mitmenschen lieben, gute Taten vollbringen und dem in Not geratenen Mitmenschen zur Seite stehen. Das sind doch an sich die Dinge, die uns unser Herr lehrt zu tun.

Und doch gibt es da einen gewaltigen Unterschied zur echten Nachfolge. Natürlich mögen wir die Menschen, die uns auch mögen und denen wir "auf Augenhöhe" begegnen. Die vielleicht sogar noch unsere Meinungen, Hobbys und Interessen teilen, das sind doch die Menschen, in deren Gegenwart wir uns sehr wohl fühlen.

Natürlich sind wir alle wohltätig gegenüber unseren Mitmenschen. Man kennt das ja: Eine Hand wäscht die andere. Hilfst Du mir helf ich Dir. Und so kann man sich ein gerüttelt Maß an guten Taten auf die Guthabenseite legen, die man irgendwann wieder einfordern kann.

Klar leihe ich meinem Nachbarn meinen Rasenmäher; der hat ja eine so tolle Schneefräse. Die muss er mir dann ja auch geben, wenn es Winter wird.

Liebe Gemeinde, auf den ersten Blick sind dies alles gute Taten. Nur, und das ist leider der Knackpunkt; bei all diesen Taten haben wir nicht wirklich unsere Mitmenschen im Blickpunkt, sondern letztendlich uns selber. Klar geben wir gern, aber nur, wenn wir auch etwas dafür zurückbekommen.

Mit dem wahren christlichen Leben meint unser Herr aber etwas ganz anderes:

2. Christentum 1.0 - Feindesliebe

"Liebt eure Feinde", so haben wir es am Anfang unsers Predigttextes gehört. Das wirft so einiges von dem was wir soeben besprochen haben über den Haufen. Jetzt geht es eben nicht mehr um mich, sondern um denjenigen, den ich nun wirklich nicht ausstehen kann.

Ich glaube, mit Fug und Recht sagen zu können, dass dies für uns alle eine wirklich ernste Herausforderung darstellt. Meinen Feind wie meinen besten Freund behandeln, ihm auch noch Gutes angedeihen lassen und ihm sogar auch noch mit Geld aus der Patsche zu helfen. Das fordert mich ganz schön heraus.

Gott sei Dank stehe ich bei dieser Aufgabe nicht alleine da. Und unser Herr gibt uns auch einige Hilfsmittel an die Hand, wie denn dies gelingen kann. Schauen wir uns diese einmal etwas näher an:

"Betet", so haben wir es vorhin gehört. Für meinen Feind beten heißt, ihn loszulassen, und ihn Gott anzuvertrauen. Wenn ich dies ernsthaft durchführe, dann merke ich auf einmal, dass mein Feind immer weniger Macht über meine Gedanken besitzt. Meinen Feind in die Hand Gottes zu überantworten ist also der erste Schritt in die richtige Richtung.

"Segnet", ja jetzt wird es schon etwas schwieriger. Wenn ich eine Person segne, dann bitte ich darum, dass auch sie Anteil an der göttlichen Kraft und der göttlichen Gnade bekommen möge. Vielleicht fehlt meinem Widersacher ja auch nur der Zugang zu Gott. Vielleicht dreht Gott ihn ja komplett um. Segnen heißt, dass ich meinen Feind nicht nur aus Rachegründen Gott anempfehle sondern auch zu seiner eigenen Läuterung.

"Tut Gutes", ok, beten und segnen lasse ich mir ja noch gefallen. Aber zuerst einmal muss der blöde Kerl von Gott einmal zu hören bekommen, was er alles für Mist gebaut hat. Und dann wären wir wieder am Anfang. Wissen Sie, wie man einen Streit fast immer mit sofortiger Wirkung beenden kann ? Sagen Sie ihrem Gegenüber doch einfach was ganz nettes. Machen sie ihm ein Kompliment oder loben Sie ihn einfach.

Die Spirale der sprachlichen Gewalt wird auf der Stelle unterbrochen. Ich werde auch häufig angegriffen und verwende sehr oft folgende Formulierung: "Wissen Sie, Sie sind mir schon lange aufgefallen als ein intelligenter Mensch, der Emotionen von Fakten trennen kann. Und dafür bewundere ich Sie." Damit ist der Krach meist vom Tisch und man kann wieder sachlich miteinander umgehen.

Ich hatte auch einmal eine hitzige Diskussion mit einem Kollegen. Auf einmal sagte er: "Du, es ist schon spät geworden. Darf ich Dich zum Essen einladen?" Zack, war der Knatsch beendet.

3. Wat soll datt denn geben?

Verzeihen Sie mir, wenn ich in mein Ruhrgebietsdeutsch zurückfalle. Diese Formulierung verwendet man bei uns, wenn uns ein Vorschlag gemacht wird, etwas ganz anders zu machen als wir es bisher gewohnt waren.

Wir beten ja immer das Vater unser. Erinnern Sie sich: "Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben (haben) unseren Schuldigern." Im Urtext steckt dieses kleine Wort "haben" so wie ich es in Klammern gesetzt habe.

Das bedeutet aber auch, dass mir nicht vergeben wird, wenn ich nicht bereit bin zu vergeben.

Zum Abschluss sagt uns unser Herr noch etwas ganz entscheidendes; nämlich: "Mit dem Maß, mit dem ihre messt, wird man euch auch messen".

Messen wir mit dem Maß des Hasses, dann werden auch wir mit dem Maß des Hasses gemessen werden. Messen wir mit dem Maß der Überheblichkeit, dann werden auch wir mit diesem Maß gemessen werden. Messen wir hingegen mit dem Maß der Liebe, dann werden auch wir am Ende aller Tage mit diesem Maß der Liebe gemessen werden.

Wir wollen doch alle in den Himmel kommen, davon gehe ich einmal aus. Dann lassen Sie und doch schon hier auf Erden die Liebe trainieren, die wir im Himmel erfahren werden. Das wird natürlich nicht immer klappen, aber ich habe stets den Einen bei mir, der mir immer wieder die zweite Chance einräumt und der mir immer wieder zeigt, wie es doch klappen kann.

Wie wir mit dem Maß der Liebe schon auf Erden messen lernen können, das beschreibt der Liederdichter Johann Scheffler sehr schön in dem ersten Vers seines Liedes "Liebe, die du mich zum Bilde..." (EG 401), der da lautet, wie folgt:
Liebe, die du mich zum Bilde deiner Gottheit hast gemacht,
Liebe, die du mich so milde nach dem Fall hast wiederbracht:
Liebe, dir ergeb ich mich, dein zu bleiben ewiglich.

Der Herr segne Dich und behüte Dich
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig
Der Herr hebe sein Angesicht über Dich und gebe Dir seinen Frieden

Amen.

Liebe Gemeinde,

ich wünsche Ihnen allen noch einen gesegneten Sonntag und einen guten Start in die neue Woche.

Es grüßt Sie alle ganz herzlich
Ihr

Ulrich Naber

 
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