Liebe Gemeinde,
ich begrüße Sie alle ganz herzlich am heutigen 10. Sonntag nach Trinitatis. Den Predigttext für den heutigen Sonntag finden wir bei dem Evangelisten Markus im 12, Kapitel, die Verse 28-34. Lassen Sie uns diesen Text zunächst gemeinsam lesen:
Die Frage nach dem höchsten Gebot
Und es trat zu ihm einer von den Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten. Und als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen? Jesus aber antwortete ihm: Das höchste Gebot ist das: "Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften." (5.Mose 6, 4-5). Das andre ist dies: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (3. Mose 19; 18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese. Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Meister, du hast wahrhaftig recht geredet! Er ist nur einer, und ist kein anderer außer ihm; und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von allen Kräften, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer. Als Jesus aber sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und niemand wagte mehr, ihn zu fragen.
Liebe Gemeinde,
nahezu jedes Unternehmen hat heutzutage in Leitbild. Dort wird kurz zusammengefasst, was dem Unternehmen wichtig ist und wonach sich alle Mitarbeiter zu richten haben. Wir Christen haben von unserem Herrn ebenfalls ein Leitbild erhalten, welches für uns alle gleich gültig ist. Schauen wir uns dieses Leitbild doch heute Morgen einmal zusammen an.
1. Gott lieben
Das ist der zentrale Punkt unsere Christenlebens. Wir sollen Gott von ganzem Herzen lieben. Wie eine Frau ihren Mann von ganzem Herzen liebt oder der Mann natürlich auch seine Frau, so sollen wir Gott von ganzem Herzen lieben.
Geht das überhaupt ? Menschen und Gott gleichzeitig und gleichwertig lieben ? Nein, natürlich nicht. Unsere Liebe zu Gott soll stets an erster Stelle stehen; erst danach kommt z.B. die Liebe zu unseren Ehegatten.
Dann sollen wir Gott von ganzer Seele lieben. Die Seele wird beschrieben als die Gesamtheit dessen, was wir fühlen, empfinden und denken. Also sollen wir Gott all unser fühlen, empfinden und denken unterstellen. Das ist eine ganz besondere Richtschnur in unserem Leben.
Alles, was ich fühle, empfinde und denke soll ich zunächst auf Gottes Wort hin überprüfen. Ist das, was ich fühle, denke und empfinde mit Gottes Wort vereinbar, oder aber entferne ich mich von ihm.
Neid und Hass sind Gefühle, die in uns allen immer wieder hochkommen können. Sollte dies einmal wieder geschehen, dann sollen wir diese Gefühle sofort unter Kontrolle bringen, indem wir hören und lesen, was Gott dazu sagt. Natürlich gelingt uns das nicht immer. Aber wir haben ja unseren Herrn an unserer Seite, den wir um seinen Beistand bitten dürfen.
Gott mit allen Kräften zu lieben heißt nichts anderes, als dass ich meiner Liebe zu Gott auch Taten folgen lassen soll. Nicht, damit ich in den Himmel komme, sondern weil Gott mich derart lieb hat, dass er mir schon die Eintrittskarte in den Himmel geschenkt hat.
2. Den Nächsten Lieben wir mich selbst
Liebe Gemeinde, im Christentum spielt die Nächstenliebe ja eine ganz besonders große Rolle. Christentum und Nächstenliebe werden meist in einem Atemzug genannt.
Das ist auch richtig so, doch das höchste Gebot geht noch einen Schritt weiter, den viele Menschen übersehen. Mit dem "wie dich selbst" ist gemeint, dass ich zunächst auch einmal mich selbst lieben muss, kann und darf. Erst dann kann ich meine Liebe auch dem Nächsten schenken.
Vieles, was unter dem Deckmantel der Nächstenliebe getan wird, ist leider oftmals nur ein Gekrampfe mit christlichem Deckmäntelchen.
Den Nächsten lieben wir mich selbst heißt, dass ich dem Nächsten genau die Liebe entgegenbringe, die ich mir selber entgegenbringe. Eine gesunde Selbstliebe ist also geradezu die Voraussetzung dafür, dass ich meinen Nächsten auch wirklich von ganzem Herzen lieben kann.
Und genau diese Liebe zu uns selbst, genau diese Liebe erfahren wir, wenn unser Herr in unsere Herzen einzieht. Er lehrt uns die Selbstliebe und wie wir diese Liebe auf unsere Mitmenschen in Form der Nächstenliebe übertragen können.
Wenn wir das Neue Testament lesen, dann können wir diese Form der Liebe auch daran ablesen, wie Jesus seine Jünger behandelt hat. Er hat sie nicht ausgequetscht wie eine Zitrone und von einer Evangelisation zur nächsten geprügelt. Nein, er ist sorgsam mit Ihnen umgegangen und hat ihnen dadurch ein Vorbild in ihre Herzen gelegt, wie auch sie mit ihnen Nächsten umgehen sollen.
3. Nicht ferne
In christlichen Kreisen begegnen wir immer wieder der Allversöhnungstheorie. Sie besagt, kurz gesagt, dass wir alle in den Himmel kommen. Und dann haben wir noch das Gegenteil, was zwar richtig ist, von uns aber manchmal sehr brutal verkündet wird. Dies heißt: Entweder bekehrst du dich und kommst in den Himmel, oder aber du landest in der Hölle. Also am besten bekehrst du dich jetzt sofort.
Jesus ging auch hier mit den Menschen ein wenig anders um. Er hätte ja auch einen Riesenstreit mit dem Schriftgelehrten vom Zaun brechen können. Vermutlich wäre dieser dann vor Wut schnaubend nach Hause gegangen. Das kriegen wir in unseren Evangelisationen übrigens heute auch noch gut hin.
Jesus sagt dem Schriftgelehrten, dass er nicht ferne ist vom Reiche Gottes. Das bedeutet vom Ergebnis her das gleiche, wie die strikte Trennung von drinnen und draußen. Aber Jesus sieht, dass der Schriftgelehrte schon auf dem rechten Wege ist und ermuntert ihn, diesen Weg weiter zu gehen, anstatt ihn vor den Kopf zu stoßen.
Liebe Gemeinde, und genau dies ist auch eine Form der christlichen Nächstenliebe. Dem anderen den rechten Weg zu weisen und ihn ermuntern, diesen Weg weiterzugehen. Und den Nächsten auf diesem Wege liebevoll zu begleiten ist auch ein Weg, den wir einschlagen können
Mit unserer Gottesliebe und unserer Nächstenliebe preisen wir den Herrn stets vor aller Welt. Daher lassen Sie uns nunmehr gemeinsam in den 8. Vers des Liedes "Du meine Seele singe..." (EG 302) von Paul Gerhardt einstimmen, der da lautet, wie folgt:
Ach ich bin viel zu wenig, zu rühmen seinen Ruhm;
der Herr allein ist König, ich eine welke Blum.
Jedoch weil ich gehöre gen Zion in sein Zelt,
ist's billig, dass ich mehre sein Lob vor aller Welt.
Der Herr segne Dich und behüte Dich
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig
Der Herr hebe sein Angesicht auf Dich und gebe Dir seinen Frieden
Amen.
Liebe Gemeinde,
ich wünsche Ihnen allen noch einen gesegneten Sonntag und einen fröhlichen Start in die neue Woche der Gottes- und der Nächstenliebe.
Es grüßt Sie alle ganz herzlich
Ihr
Ulrich Naber