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WirtschaftsWoche
 
 
 
 
Agenda
von Beat Balzli
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Liebe Leserinnen und Leser,

Bundesumweltministerin Svenja Schulze ist bislang allenfalls intimen Kennern der Berliner Politik aufgefallen. Die SPD-Frau fristete lange ein Dasein im Schatten der anderen (vermeintlich wichtigeren) Ministerinnen und Minister: Wirtschaft, Finanzen und Verteidigung etwa. Das ändert sich gerade. Schulze steht aktuell im Zentrum der Debatte um eine bessere Welt. Ihr 65-seitiger Entwurf für ein „Bundes-Klimaschutzgesetz“, seit wenigen Tagen zur Begutachtung im Kanzleramt, bringt die Wirtschaft in Wallung und das Kabinett in Stellung – für oder gegen sie. CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier unterstellte der Kollegin Profilierungssucht, Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus polterte gegen das anmaßend-fordernde „Mach-mal“-Gesetz. Finanzminister und SPD-Vizekanzler Olaf Scholz veranlasste so viel Koalitionspartnerzorn prompt zu einer Verteidigung seiner Parteifreundin. Was sie da mache, sei gut. Punkt. Die Aufregung wundert unsere Reporter Sven Böll, Sophie Crocoll, Max Haerder, Angela Hennersdorf und Cordula Tutt kaum: Sie beschreiben das neue Gesetz der Ministerin als „großen Testfall“. Dafür, ob die Bundesregierung ihre nationalen und auch die international unterschriebenen Klimaschutzverpflichtungen ernst meint. Und dafür, ob es gelingen kann, die zusehends verfeindeten Lager im Land zu versöhnen: Den Ökojüngern gelten Umweltschutz und Energiewende als alternativlos und nicht zu hinterfragen – koste es an Subventionen, was es wolle. Den Kritikern dieser Weltanschauung wird nicht weniger als die Verantwortung an der drohenden Klimaapokalypse zugeschoben. Wie kann da ein Mittelweg gelingen? Ganz einfach, schreiben meine Kollegen, besinnen wir uns auf den Markt: „Wer die Luft verschmutzt, sollte dafür bezahlen. Immer.“ Wie das am besten geht, dafür gibt es intelligente Modelle. Titelgeschichte jetzt lesen
 
 
 
WirtschaftsWoche 10/2019: Ersatzreligion Klimaschutz  
 
Ersatzreligion Klimaschutz
 
Im Kampf gegen die Erderwärmung bleiben ökonomisch sinnvolle Lösungen auf der Strecke – dabei würden diese Milliarden an Subventionen sparen. jetzt lesen
 
 
 
Vorbild Schweiz
 
Wenn es noch einen Beweis brauchte, dass die Marktwirtschaft hierzulande dabei ist, unter die Räder zu geraten, dann liefert ihn gerade die Posse um das neue, schnelle Handynetz 5G. Als im Frühjahr 2018 die Bundesnetzagentur bekannt gab, wie sie sich die Versteigerung der Frequenzen vorstellte, da schien die Welt noch in Ordnung zu sein, und alles in unternehmerischer Freiheit nach Angebot und Nachfrage zuzugehen. Dann kam Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), forderte flächendeckendes 5G-Netz in ganz Deutschland, eine Vollversorgung der Autobahnen, Bundes-, Landes- und Staatsstraßen. Natürlich auch der Schienenwege. Inzwischen ist der Anforderungskatalog 174 Seiten dick – und die Telekom-Konzerne klagen per Eilantrag gegen die geplante Versteigerung am 19. März, halten ein Geschäft unter solchen Rahmenbedingungen nicht für zumutbar. Währenddessen startet in der Schweiz schon jetzt das erste kommerzielle Angebot für 5G-Nutzer. Der Telekom-Konzern Sunrise bietet die Technik auf Bergen und in Tälern, in Dörfern und auf Skipisten an. Wie kann das sein? Unsere Reporter Benedikt Becker und Simon Book sind dieser Frage nachgegangen. Und haben zwischen den Alpengipfeln eine erstaunliche Antwort gefunden: Eben weil die Politik sich nicht eingemischt hat, hat sie all ihre Ziele für den Netzausbau erreicht. jetzt lesen
 
 
 
Leitbild Rentner
 
Gibt es einen Satz der vergangenen 30 Jahre, der ein ähnliches politisches Bonmot-Potenzial hat, wie Helmut Kohls „blühende Landschaften“ im Osten? Vielleicht dieser: „Die Rente ist sicher“, in die Welt gebracht von Norbert Blüm, Bundesarbeitsminister unter Kohl, und seitdem tausendfach wiederholt, verzerrt, verspottet. Doch Blüm scheint das nichts anzuhaben. Im Gespräch mit meiner Kollegin Elisabeth Niejahr jedenfalls verteidigt er ihn nur allzu gerne: „Die Rentenversicherung“, sagt Blüm, „ist allen privaten Alternativen überlegen.“ Nur weil der Motor gerade stottere, sei das Auto ja nicht kaputt – sondern nur der Tank leer. Ein typischer Blüm-Sound, der das Interview zu einer sehr kurzweiligen Veranstaltung werden lässt. Etwa auch, wenn die beiden zur Riester-Rente kommen. Abschaffen, sagt Blüm da „und dafür die Beiträge erhöhen. Dann müssten sich auch die Arbeitgeber wieder stärker beteiligten. Außerdem war ich schon 1997 für eine Aufhebung des gesetzlichen Rentenalters. Soll doch jeder so lange arbeiten, wie er kann und will!“ Was für eine Forderung. Wie gemacht für einen potenziellen Koalitionspartner wie die FDP, möchte man meinen. Blüm ist da anderer Ansicht. Schließlich habe er seinerzeit schon versucht, das Rentenalter zu kippen. Das aber „konnte ich leider nicht gegen die FDP durchsetzen.“ jetzt lesen
 
 
 
Ebenbild Porsche
 
Der Name an sich ist eine Verpflichtung: Piëch. Vorname: Anton. Genannt: Toni. Ein Mann von 40 Jahren, gestartet als Journalist, dann Medienunternehmer in China, später noch einiges mehr. Und nun: Autokonstrukteur. Wie seine großen Ahnen, der Porsche-Piëch-Clan, der die Mehrheit der Stammaktien an Autobauer VW hält und einst den ersten Volkswagen aus der Taufe hob. Dieser Super-Dynastie-Spross will also einen Wagen bauen. Elektroantrieb, weniger als 1800 Kilo schwer, Reichweite mit einer Batterieladung von 500 Kilometern, wahlweise lieferbar als SUV, Viersitzer oder Sportwagen. Kommende Woche will Piëch ein Modell des Wagens beim Genfer Auto-Salon erstmals der Weltöffentlichkeit präsentieren. Die Tatsache an sich, schreibt unsere Investigativ-Reporterin Melanie Bergermann, wäre wahrscheinlich nicht einmal den Fachmagazinen eine Randnotiz wert. Wäre da nicht der große Name. „Er ist ein Gütesiegel. Er steht für Innovation“, sagt Piëch. Aber auch eine Bürde: „Wir dürfen uns nicht blamieren.“ Dabei, schreibt Bergermann, ist genau das alles andere als sicher. Auf zu viele Fragen bleibt Piëch bislang eine Antwort schuldig. Wer das Auto für ihn bauen soll etwa. Wer das nötige Geld dafür gibt. Und wie Toni Piëch mit seiner Vergangenheit umzugehen gedenkt. jetzt lesen
 
 
 
Zerrbild Rocket
 
Oliver Samwer, das war einmal der „aggressivste Mann im Internet“. So bezeichnete er sich jedenfalls selbst noch vor ein paar Jahren. Damals, als sein Unternehmen Rocket Internet fast im Tagesrhythmus neue Unternehmen gründete, vor Ideen nur so sprühte, der Liebling der Analysten und Kunden war. Vorbei. Heute gleichen Samwers Sätze PR-Stanzen, sein Unternehmen ist eine Holding, organisiert als europäische Aktiengesellschaft – und auch die Gründerzeiten sind vorbei. Samwer investiert nur noch hier und da seine Millionen, die er mit den Börsengängen eingenommen hat. Ansonsten wird verwaltet. Und das nicht besonders gut, wie unser Reporter Henryk Hielscher herausgefunden hat. Wachstum und Börsenkurs schwächeln, der Personalbestand in der Berliner Zentrale hat sich durch die dauernde Umorganisation des Geschäfts in den vergangenen Jahren nahezu halbiert. In der Finanz- und Digitalszene macht sich Ernüchterung über den einstigen Guru breit. War’s das etwa schon wieder mit den hochfliegenden Plänen von Samwer, der versprochen hatte, Rocket zur führenden Onlineplattform außerhalb der USA und Chinas auszubauen? Hielschers Antwort ist deutlich: wenn nicht bald etwas passiert, womöglich schon. „Hartnäckig halten sich Gerüchte, Samwer lote heimlich den Rückzug vom Börsenparkett aus.“ jetzt lesen
 
 
 
Abbild Werner von Siemens
 
Nehmen wir etwa Lin Kayser. Ein deutscher Gründer. 46 Jahre alt, vermögend, dank eines lukrativen Verkaufs seines ersten Start-ups an Adobe. Doch ist er ein reiner Silicon-Valley-Jünger? Vorbild Mark Zuckerberg? Mitnichten. In seinem Büro stapeln sich die Bücher; in einer Vitrine verwahrt er wichtige Exemplare und wertvolle Unikate, darunter eine 335 Jahre alte Erstausgabe über Christiaan Huygens’ Teleskop und einen alten Druck von Jules Vernes’ „In 80 Tagen um die Welt“. Kayser will eher Werner von Siemens, Carl Zeiss oder Gottlieb Daimler nacheifern, gehört zu einer neuen Generation Gründer, die sich nicht mehr mit Copycats zufriedengeben, sondern selbst etwas erschaffen wollen. Und die sich dazu auf Ingenieurkunst besinnen, eine Tugend, die schon den Wohlstand früherer Generationen in ihrer Heimat gesichert hat. Meine Kollegen Thomas Stölzel und Varinia Bernau haben sie besucht – und dabei Erstaunliches gefunden: Fast unbemerkt, schreiben sie, macht sich gerade eine ganze Gründerkaste im Land daran „neue Jobmaschinen zu erschaffen. Sie denken nicht nur an die nächste hippe App, mit der wenige Menschen viel Geld verdienen können. Sie machen sich an Innovationen, die gut bezahlte Jobs sichern könnten.“ jetzt lesen
 
 
 
Ein in diesem Sinne optimistisches Wochenende wünscht,


Beat Balzli
Chefredakteur WirtschaftsWoche
 
 
 
PS: Sie haben Fragen oder Anregungen? Schreiben Sie mir unter agenda@wiwo.de – oder auf Twitter.
 
 
 
 
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