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Liebe/r Leser/in,

es gab eine Zeit, als Friedensappelle kitschig, weil aus der Zeit gefallen schienen. Liebliche Ostermärsche. Blockflöten für den Frieden. Sicher, man fand jeden Krieg furchtbar, aber lebte doch in der Gewissheit, die Formate der Diplomatie könnten ihn einhegen mit ihren Mechanismen aus Druck, Timing und durch Atomwaffen eingefrorenen Balancen. Deutschland lebte in Frieden – oder jedenfalls in der Abwesenheit von Krieg.

Diese trügerische Gewissheit wurde vor mehr als 20 Monaten von russischen Panzern überrollt, der Krieg im Nahen Osten hat nun eine weitere Region an den Rand der Explosion gebracht. Wo aber befinden wir uns: mitten in zwei fürchterlichen, regio­nalen Konflikten? Oder am Anfang einer monströsen Epoche?

Dieser Tage habe ich einen Zollstock wiedergefunden, auf dem statt Maßeinheiten historische Wegmarken eingezeichnet sind. 2000 Jahre Weltgeschehen am laufen­den Meter, gefertigt in heller Hainbuche. Das Wunderbare ist: Man erkennt sofort, dass da ein Krieg 1618 beginnt und wenige Zentimeter später endet. Die Menschen aber, deren Leben in den 30 Jahren zwischen den zwei Strichen ablief, konnten das Ende des Krieges nicht vorhersehen. Genauso wenig wie wir.

In diesem Jahr hat uns alle eine Frage gequält: Wie findet man Frieden? Die UN liegt am Boden. Europa zerfällt in Egoismen. Russland wütet. Israel bangt um seine Existenz, Taiwan zittert vor dem großen Schlag … Man kann schier irre werden beim Blick zu den Krisenherden der Welt.

Als wir diskutierten, ob wir weite Teile unserer vorweihnachtlichen Ausgabe der Suche nach Frieden widmen wollen, stand sofort fest, dass es weniger um Appell oder Angst als um Analyse und Klarsicht gehen muss. Im Laufe der Geschichte haben die Menschen immer nach dem Code des Friedens gesucht. Welche historischen Modelle finden sich also bei der Recherche, wie Kriege enden? Wie analysiert die Welt-­Di­plomatin Hillary Clinton die aktuellen Wirren im Nahen Osten? Und welche Schlüsse ziehen Bundeswehrsoldaten nach Jahren des Auslandseinsatzes aus der Erkenntnis, dass es weder in Mali noch in Afghanistan zum Frieden reichte? André Hassan Khan war in Afghanistan stationiert. Er sagt: „Der Einsatz hat mich verwundet. Und trotzdem: Es war richtig, dorthin zu gehen. Univer­sitäten hatten geöffnet, es gab Schulen für Mädchen. Auch wenn die Taliban die Zeit wieder zurückdrehen: Dieser kleine Funken war es wert.“ Seine Sätze haben mich beeindruckt. Könnte ich es so sehen?

Als Immanuel Kant 1795 seine berühmte Schrift „Zum ewigen Frieden“ verfasste, wählte er als Titel den Namen eines Wirtshauses und als Fundament seines Gedankengebäudes die schonungslose Anamnese des Menschen. Er attestierte uns „Bösartigkeit, die sich im freien Verhältnis der Völker unverhohlen blicken lässt“. Kant war überzeugt, dass „der Friedenszustand unter Menschen kein Naturzustand“ sei, sondern „vielmehr ein Zustand des Krieges“, den man durch Handelsinteressen und Bündnisse höchstens in Schach halten könne.

Ist das nun Ansporn? Oder zutiefst deprimierend? Wie auch immer man diese Frage für sich beantwortet: Die Auseinandersetzung mit Krieg und Frieden wird auch das nächste Jahr bestimmen. Wir sollten uns dafür wappnen.

Herzlich Ihre

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Franziska Reich,
Chefredakteurin FOCUS-Magazin

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