Daniel Stelter Ein Traum von einem Land
 
 
 
 
 
Liebe Leserinnen und Leser,
 

Der Existenzialismus ist zurück. Diesmal grassiert er nicht unter den Caféhaus-Philosophen im Quartier Latin und auch nicht unter den Hipstern und Tagedieben in Berlin-Kreuzberg. Der Existenzialismus hat dieser Tage all jene am Schlafittchen, die eigentlich stets von jenseits der verkopften Lebensphilosophien auf das Dasein geblickt haben: die Selbständigen, die Unternehmer, die Gründer, die Freiberufler. Kurz: all diejenigen, die in den zurückliegenden Jahren eigentlich alles richtig gemacht haben. Sie haben Initiative ergriffen und Eigenverantwortung übernommen; oft haben sie mit ihrem Mut andere Menschen in Lohn und Arbeit gebracht, und immer haben sie dabei das große Wunder am Laufen gehalten, um das sie viele Arbeitnehmer belächelt, aber am Ende auch beneidet haben: Aus Ehrgeiz und Visionen haben sie ihre Freiheit und ihre Existenz vorangetrieben.
 

Siebzig Jahre lang waren diese Menschen das ökonomische und oft auch soziale Rückgrat der Republik. Denn Mittelstand, das sind noch immer 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland und 99,5 aller privatwirtschaftlichen Betriebe. Jetzt, in der aktuellen Corona-Krise aber sind die in Sonntagsreden oft hofierten Macher und Gründer dazu verurteilt, Angst zu haben. Es ist indes nicht irgendeine Angst – kein leichtes Bangen, kein Unwohlsein. Für die Unternehmer geht es dieser Tage um alles: um die Existenz als solche, um dieses schaurige und verschwitzte Dasein, das laut Existenzphilosophie allem exzentrischen So-Sein vorausgeht.

Schwindel- und Druckgefühle

Denn Angst ist der Schwindel der Freiheit. Es ist nicht überliefert, ob auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier diese dramatische Sentenz des dänischen Philosophen Sören Kierkegaard im Hinterkopf hatte, als er heute Morgen Vertreter und Vertreterinnen von 40 Wirtschaftsverbänden zu einem kleinen Digitalgipfel in sein warmes Ministerbüro hereinzoomen ließ, um mit ihnen über die verspäteten Auszahlungen von Überbrückungsgeldern oder über mangelnde Perspektiven und Wege aus der Krise zu diskutieren.

Ganz abwegig wäre der Satz jedenfalls nicht gewesen. Viele, die da heute dem Wirtschaftsminister ihre kaum noch zu ertragende Misere klagten, kommen vor lauter Schwindel- und Druckgefühlen kaum noch durch den Tag. „Unsere Betriebe sind die Intensivpatienten der Pandemie“, klagte Michael Frenzel, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft auf der anschließenden Pressekonferenz. Man mag das für ein unangebrachtes Bild, ja für eine zynische Zuspitzung halten. Doch das ist es, worum es bei der Existenzangst geht: um das Sein oder das Nichts. Dazwischen gibt‘s nichts – auch keinen Trost oder eine weitere Vertröstung von Peter Altmaier.

Sein und Nichts

Um das Grundlegende und Existenzielle geht es in gewisser Weise auch in einem Cicero-Gastbeitrag von Michael Rogowski. Der Ex-BDI-Präsident nämlich hat sich ebenfalls mit dem Krisenmanagement der Regierung auseinandergesetzt. Bei der Wahl zwischen Sein und Nichts tendiert Rogowski zum Nichts. Oder besser gesagt zum „Das-war-wohl-nichts“.

Und auch ein Interview mit der Sprachwissenschaftlerin Sabine Krome pendelt zwischen den zwei Polen des Daseins. Die Duden-Redaktion nämlich hat sich dazu entschlossen, die Nutzung des grammatischen Maskulinums auch automatisch als Festlegung auf ein biologisches Geschlecht zu verstehen. Aus existenzieller Sicht gibt es eben nur Mann oder Frau, Arzt oder Ärztin, Mieterschutz oder Mieterinnenschutz. Doch lesen Sie selbst.

Existenzielle Erkenntnis beim Lesen wünscht

Ihr Ralf Hanselle, Stellvertretender Chefredakteur

 
 
 
 
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