Bonjour de Le Pin-au-Haras!
Grau, feucht und wenig einladend begann der gestrige Mittwoch. Das Pressezelt füllte sich. Die Gesichter zunächst freudig, dann besorgt. Freudig, weil Großevents immer ein bisschen etwas von Klassentreffen haben. Besorgt aber angesichts der Kapazität des Internets. Bei der Bewerbung um die Europameisterschaften war dem Haras du Pin eine Glasfaserverbindung versprochen worden. Tja und dann, ohne einen regierenden Sonnenkönig, aber mit vielen Beamten, hat es dann doch nicht geklappt mit der rechtzeitigen Verkabelung. Was die kleine Quizfrage beantwortet, was Hamburg, Hannover, Haselünne und Haras du Pin gemeinsam haben. Richtig, „Ha“ am Anfang und verschnarchtes Internet und Funklöcher. (Ich hoffe, ich habe den Haselünnern jetzt kein Unrecht getan).
Die Verfassungsprüfung verlief nicht ganz so rund, zwei Pferde mussten in die Holdingbox, darunter auch der Halbblüter Timmo von Nicolai Aldinger. Da schluckte erstmal alles ab, was Team GER die Daumen drückt. Bei der Wiedervorstellung klatschte dann das Publikum schon kurz nach dem Wendepunkt, „accepted“, also alles wieder im Lot.
Zwei feste Termine hatten die Reiterinnen und Reiter heute, die Verfassungsprüfung und die Eröffnungsfeier. Die begann um 18.30 Uhr, dazwischen war Gelegenheit im Dressurstadion unter Prüfungsbedingungen zu trainieren.
Das bot für die berichterstattende Zunft die Gelegenheit, einen ersten Blick auf das Gelände zu werfen. Fazit: Viel zu springen, ganz viel. Details dazu morgen, dann auch erste Impressionen von den Hindernissen, die ich heute – wenn es denn das Presse-Internet mitmacht – hochladen werde. Die Einschätzung des Bundestrainers Peter Thomsen will ich aber nicht vorenthalten, die steht ja auch schon in der Meldung zur Mannschaftsaufstellung: „super anspruchsvoll“ sei der Kurs, sagt der Coach.
Weil viele gefragt haben (und das auch gerne weiterhin unter jan.toenjes@st-georg.de tun können!): Nein, das deutsche Fernsehen hat leider keinerlei Übertragung geplant. Was angesichts der Leistungsträger, die hier für Deutschland an den Start gehen, leider einmal mehr zeigt, welche Bedeutung die TV-Verantwortlichen dem Reitsport im allgemeinen und der Vielseitigkeit im speziellen beimessen. Ab morgen Vormittag sind hier sage und schreibe 20(!) Goldmedaillen und insgesamt 30 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften mit dem Bundesadler unterwegs. Wer es nicht glaubt (oder wer einen oder eine ARD-Intendantin in der Nachbarschaft hat):
Hier eine kleine Statistik:
Michael Jung
4 Olympiamedaillen (davon drei goldene), vier WM-Medaillen (davon drei goldene) und elf EM-Medaillen (davon sieben goldene)
Sandra Auffarth
3 Olympiamedaillen (davon eine goldene), drei WM-Medaillen (alle drei goldene) und vier EM-Medaillen (davon zwei goldene)
Christoph Wahler
Eine WM-Medaille (Gold)
Die Erfolge aller sechs deutschen Starter auf Nachwuchs-Europameisterschaften oder junger Vielseitigkeitspferde gar nicht mitgezählt. Aber ist halt nicht Fußball – auch wenn das Kicken auf internationaler Ebene ja derzeit sportlich auch „nur so semi“ ist.
Schnell noch ein paar Worte zur Eröffnungsfeier. Das war im Wesentlichen der Einmarsch der Nationen begleitet von Musik, wie ich sie eigentlich mag: Eine funky Bassline, etwas Saxophon, das Kind der 1980er-Jahre wippt da eigentlich in den Knien. Und auch von Saxophon kann man eigentlich nie genug bekommen, wenn man auf Partys (die damals Feten hießen) zu Spandau Ballet und Bowies Let’s Dance getanzt hat. Aber ich schweife ab. Was ich nur sagen wollte: Bei aller Liebe zu besagter Musik. Das war heute davon „trop des choses“, einfach „too much“. Zu den Klängen zogen die Mannschaften flaggenwinkend ein. Vorher waren Equiden aus der Normandie vorgestellt worden. Eine nette Idee und eine tolle Rassenvielfalt – vom gewaltigen Percheron über den Cob Norman bis hin zu Vollblütern, Angloarabern und Eseln. Aber wenn ich den Gesichtsausdruck eines der Esel richtig interpretiert habe, dann fand er die ausführlichen (!) zweisprachigen (!!) Erläuterungen auch ermüdend. Selbst das frenetisch rumhopsende Maskottchen „Foxy“ (wo ist eigentlich Fix?), konnte davon nicht ablenken. Immerhin wissen wir jetzt, dass Captain Mark Phillips 1969 hier im Haras du Pin seine erste EM geritten ist. Dass in der Dressur sich etwas von seinem Frack löste, was der Note wohl nicht zuträglich war und dass er dann an einem „kleinen, blöden Sprung“ auch noch heruntergefallen ist. Reisen bildet eben doch.