Bonjour de Le Pin-au-Haras! Paradis – auch als einst altsprachlich aufgewachsener (und Französisch, dritte Fremdsprache, Donnerstag 7./8. Stunde meidender) Mensch braucht es nicht allzu viel Fantasie, um eine Idee zu entwickeln, wer Pate bei der Namensgebung unserer Unterkunft gestanden hat. Das kleine Fachwerkhäuschen, umgeben von Apfelbäumen, Holundersträuchen und Hortensien inmitten eines Tals, dessen Weg auch durchaus in Richtung des krassen Gegenteils des Paradieses hätte führen können, trägt seinen Namen zu recht: Überbordendes Grün, nebenan stapft eine ältere Schimmeldame durch kniehohes Gras. Das einzige Geräusch, was man im Halbdunkel hört, ist das neugierige Schnauben der Stute. Sie mag sich fragen, was ein Deutscher wohl hier macht. Ich hingegen frage mich, wann ich das letzte Mal im Halbdunkel unterwegs war, ohne dass irgendeine Form von Kunstlicht mir den Weg beleuchtet hat. Im Halbdunkel, das der Dämmerung folgt, fallen hin und wieder reife Pflaumen von den Bäumen am Wegrand. Ansonsten Ruhe, zumindest fast. In der Ferne kläfft ein Hund, was offenkundig den lokalen Enten- und Gänsezuchtverein ziemlich aus der Fassung bringt. Die Laute der Spontandemo dringen durch das Tal. Ok, wieder was gelernt, Paradies ist auch nicht mehr ganz das, was es mal war. Die Vertreibung aus dem Paradies, zumindest tagsüber, ist dann heute früh angesagt. Dann geht es zum Turnierplatz. Zum Haras du Pin, Austragungsort der Europameisterschaften der Vielseitigkeit. Dort sollen auch paradiesische Zustände herrschen, berichten Frühankömmlinge. Viel entscheidender aber: Pferde, Reiterinnen und Reiter sowie der gesamte Tross, der an der Unternehmung deutsches EM-Team hängt, ist sicher angekommen. Alle sind fit. Die erste Verfassungsprüfung dürfte also eine reine Formsache sein. Nachmittags findet die „Horse Inspection“, die ja im Vielseitigkeitslager immer auch ein bisschen Maskenball ist, vor dem Herrenhaus statt, auf der „Allée des Grand Champs“, der Allee der großen Felder – ein passender Name, denn auf den knapp 1.100 Kilometern Autofahrt gestern von Hamburg in die Normandie kam man vor allem an eben jenen vorbei, an großen Feldern. Wir sind zu dritt gefahren, mit mir ein Kollege der knipsenden Zunft, eine Kollegin der Kategorie Verbandsinformation. Die war um unsere Allgemeinbildung besorgt. Spätestens seit der Fahrt durch Rouen – „hier war doch das mit Jeanne d’Arc“ – wissen wir nun viel über Königin Mathilde, den englischen König Johann Ohneland (genau, der Bruder von Richard Löwenherz), über die Normannen und, und, und. Nur woran Jeanne d’Arc genau (Spoileralarm – grenzwertiger Wortwitz folgt!) gescheitert ist, habe ich nicht so präsent. Wir alle sind am vollständigen Text der französischen Nationalhymne gescheitert, als ich dann „God save our gracious king“ angestimmt habe, wurde ich brüsk unterbrochen. „Die Hymne wollen wir ja wohl nicht hören…“ Ich finde ja, dass die besten gewinnen sollen. Nicht mehr und nicht weniger. Gegen den Marseillaise-Ohrwurm („Allons enfants de la Patrie, Le jour de gloire est arrivé!) hilft übrigens ein Tipp, der bei jedem Ohrwurm verfängt, „Griechischer Wein“. Die deutsche Abordnung, sechs Pferde, zwei Damen, vier Herren, hat sich in einem kurzen Trainingslager im mondänen Seebad Deauville auf die EM vorbereitet. Hoffentlich der erste Schritt zu „Einigkeit, und Recht und Freiheit“ am Sonntag gegen 15 Uhr. |