Buon giorno da Milano,
Nun also Mailand. Die Stadt, die Synonym ist für Mode, Architektur und diesen gewissen italienischen Chic. Mailand, Models, (ar)Mani und Matsch. Dass die Sonne in Norditalien auch nicht immer scheint, hat sich mittlerweile wohl herumgesprochen. Wie zum Beweis stehen immer noch große Pfützen an den Straßenrändern der Metropole. Selbst auf Straßen, die auch nachts gut frequentiert sind, ist noch reichlich Wasser zu sehen. Ich kann das beurteilen, ich wohne an einer eben solchen. Erdgeschoss, mehr muss man wohl nicht sagen. Ohne zu viel über Unterkünfte von Journalisten schreiben zu wollen – da gibt es ja spannendere Dinge – nur so viel: Bei der Vielseitigkeits-EM in der Normandie hörte das AirBnB auf den Namen Paradies und hielt, was der Name versprach. In Mailand heißt es weder so, noch ist es so. Und statt eines urigen Holztürchens ist es diesmal eine Metalltür mit etlichen Stahlstiften, die beim Schließen aus der Tür gen Zarge schnellen. Ich habe mehrere Jahre in Kreuzberg gelebt und gelernt: Bei solchen Türen fragt man nicht nach, sondern freut sich, dass sie da sind. Ihr Vorhandensein hat zumeist seine Gründe.
Zur Rennbahn San Siro sind es 20 Gehminuten, wenn man denn nicht gerade im versammelten Schritt unterwegs ist. Eine gute Reisegeschwindigkeit, um zumindest morgens und abends einen Eindruck von Mailand zu bekommen. Morgens fegen viele Mailänder den Bürgersteig vor ihren kleinen Lädchen. Das hat mir so lange gefallen, bis ein Laubbläser genau dies vor der Pressestelle tat. Die ist in der alten Tribüne der Rennbahn untergebracht und was wie ein überdimensioniertes EM-Werbeplakat an der Außenwand aussieht, ist auch genau das. Nur ohne Außenwand. Das winddurchlässige Gewebe muss als Werbeträger und als Außenwand herhalten. Da macht ein Konzert in Knatter-Dur für zwei Solo-Laubbläser in der Stadt der Opern, der Verdis und Puccinis und der Scala wirklich Freude.
Auf dem Weg habe ich etwas für mich Neues gesehen: „Basilikum to go“ im Container, einer Art Minigewächshaus, drinnen mit Borten und Kunstlicht unter dem auch andere Pflänzchen gediehen. Aber nicht die, die bei uns in Deutschland bald auch zuhause angebaut werden dürfen. Sah eher nach profanem Salat aus. Wobei die Ampelkoalitions-Pflanzen auch auf einigen Balkons auf dem Weg von meiner Unterkunft gen Stadion wucherten. Zumindest sah das so aus, wie Pflanzen, die man immer im Fernsehen sieht, wenn es ums Cannabis geht.
Das Stadion in der Mitte der Rennbahn ist matschig, der Grasboden in der Arena aber gut. Da waren sich alle einig. Im Warm Up Springen durften alle 85 Reiter/Pferd-Kombinationen 90 Sekunden nach Herzenslaune im Stadion reiten und springen.
Die Taktiken sind da ganz unterschiedlich. Marcus Ehning ritt Stargold, der den ein oder anderen Buckler, der für ihn schon fast zum Markenzeichen gehört, zeigte, über die Sprünge. Auch Gerrit Niebergs Ben sprang, einen roten Oxer auch zweimal, genauso wie Jana Wargers ihren Limbridge springen ließ. Philipp Weishaupts Zineday hüpfte mit jugendlichem Überschwang, gern auch deutlich höher als nötig. Das sei eben die Unerfahrenheit eines gerade erst Neunjährigen, so Weishaupt. Und das junge Pferd könne hier gut Erfahrungen sammeln, „dann kann der Herr Becker mich ja im kommenden Jahr vielleicht wieder nominieren“. Der „Herr Becker“ – Vorname: Otto, Funktion: Bundestrainer – schmunzelte, und merkte an, dass Weishaupt hier eigentlich nicht angereist sei, um Erfahrungen zu sammeln, sondern noch ein bisschen mehr, „sonst haben wir ein Problem“.
Philipp Weishaupts Stallkollege Christian Kukuk verzichtete mit Mumbai komplett aufs Springen. Der Schimmel kenne Gras, er sei das „wahrscheinlich erfahrenste der deutschen Pferde“ und müsse deshalb keine überflüssigen Sprünge machen. (weitere Eindrücke von gestern und ein Gespräch mit Hugo Simon hat St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer in ihrem Blog zusammengefasst).
Einen kurzen Schreckmoment verursachte gestern der dynamische Westfale Ben bei der Verfassungsprüfung. Auf dem Rückweg vergaß er kurzfristig seine Kinderstube, statt Zuckeltrab sprang er herum und landete auf dem Zeh von Gerrit Nieberg. Merke: Führungskräfte müssen immer aufpassen, dass die Teammitglieder auf eigenen Füßen stehen. Es täte nicht mehr weh, sagte Nieberg gestern Nachmittag. Gerrit ist das erste Mal in einem Team beim Championat für Deutschland dabei. Co-Bundestrainer Marcus Döring hatte auch schon ein Konzept zur Hand, was man im Falle eines dicken Fußes hätte machen können: „Birkenstock an, schwarz färben, fertig!“ Ich liebe pragmatische Ansätze!
Heute geht es sportlich ab Mittag los: Zeitspringen, auf einem dann hoffentlich komplett aufgebauten Areal. Der Rasen im Stadion, den niemand moniert hat, soll bis dahin noch einmal geschnitten sein – „Schneider“ gibt es ja genug in der Modemetropole.