Arno Schmidt hat einmal ausgerechnet, dass wir unserem Leben nicht viel mehr als dreitausend Bücher werden lesen können. Er nahm dabei an, für ein Buch würden im Durchschnitt fünf Tage gebraucht; für „Krieg und Frieden“ und „Zettels Traum“ etwas mehr, für „Das Urteil“ und „Brand‘s Haide“ etwas weniger. Schmidt gab uns also etwa 41 Jahre Lesezeit (5 x 3000 : 365 = 41,09). Bei der heutigen Lebenserwartung von etwa achtzig Jahren und einem Einsetzen des Lesens mit Fünfzehn, käme man aber bei insistentem Durchlesen schon auf 4745 Bücher.
Das ist immer noch nicht viel, vor allem, wenn man bedenkt, dass Arno Schmidt Mehrfachlektüre gar nicht ins Auge fasst. Die französische Klassikerbibliothek „Pléiade“ allein umfasst schon 465 Bände, in denen mitunter bis zu zehn Bücher und mehr versammelt sind. Die Zahl der Editionen des „Deutschen Klassiker Verlags“ liegt nicht weit darunter. Sachbücher und Kriminalromane haben wir dann noch gar nicht mitgezählt.
Jürgen Kaube
Herausgeber.
Auf die Frage von Fridtjof Küchemann, welche Bücher bei unseren Lesern mahnend von Regal herabschauen und sagen „Lies mich endlich“ oder gar „Lies mich nochmal“, sind viele Antworten eingegangen. Die 1200 Seiten von Nino Haratischwilis „Das achte Leben“ waren darunter – acht Leben, das wäre dann schon 38.000 Bücher! –, von Carlos Fuentes „Terra Nostra“, zu dem ein Leser mitteilt, es habe schon fünf Umzüge überstanden. Was tatsächlich eine sehr gute Maßzahl für die Ernsthaftigkeit des Lesewillens ist. In anderen Bibliotheken wartet Joseph Roths „Hiob“ darauf, gelesen zu werden. Wieder andere Leser würden auf die einsame Insel Heinrich Manns Romane über Heinrich IV. und Hilary Mantels Cromwell-Trilogie mitnehmen, Goethes Werke – die Weimarer Ausgabe hat 144 Bände – oder „Der Meister und Margarita“.
Manche Lektüren schieben wir vor uns her, weil die Werke so umfangreich sind. Manche, weil wir vergessen haben, weshalb sie uns wichtig sein sollten. Manche vielleicht auch, weil wir mit Schwierigkeiten beim Lesen rechnen. Jean Pauls „Titan“ beispielsweise, tatsächlich ein unendliches, wunderliches und abgründiges Buch, wanderte bei einem Leser seit dem Studium, als es ihm empfohlen wurde, immer weiter nach hinten in seinem Bücherschrank, bis eine Übernachtung im verschneiten Fichtelgebirge samt Besuch in Jean Pauls Geburtsort Wunsiedel als Wink verstanden wurde, sich den Roman endlich vorzunehmen. Er wird es nicht bereuen.
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