der Sichtwortschatz: Das ist eines der Zauberwörter, mit denen erfasst und verbessert werden soll, warum es bei immer mehr Kindern im Grundschulalter mit dem Lesen und dem Lesenlernen hapert. Der Sichtwortschatz umfasst die Wörter, die wir nicht erst lesen müssen, um sie zu erkennen: Wir sehen sie, und das reicht.
Gestern, am Donnerstag, konnten Sie eine zwölfseitige Bildungsbeilage in der gedruckten F.A.Z. finden. Auch der Sonntagszeitung wird sie an diesem Wochenende noch einmal beiliegen. Im Aufmacher „Mit Lesebändern trainieren“ schreibt Heike Schmoll über neue didaktische Verfahren vor allem in Grundschulen, um die Zahl der Kinder zu verringern, die in der vierten Klasse den Mindeststandard beim Lesen nicht erreichen – mit Konsequenzen für ihren gesamten weiteren Bildungsweg. Online ist der Artikel unter dem Titel „Wie neue Lerntechniken in der Grundschule eingesetzt werden“ erschienen. Darin geht es – natürlich – auch um die Arbeit am Sichtwortschatz.
Fridtjof Küchemann
Redakteur im Feuilleton.
Was dieser Hinweis in einem Literatur-Newsletter zu suchen hat? Mich fasziniert – als Leser, als Vater, aber auch in der ehrenamtlichen Arbeit als Lesepate (über die ich ebenfalls in der erwähnten Beilage geschrieben habe ) – seit langem, wie wir Menschen das Kunststück des Lesens zustande bringen, von den Anfängen bis zum routinierten, kritischen, auch genussvollen Lesen. Jenem Lesen, das André Schüller-Zwierlein, Direktor der Universitätsbibliothek Regensburg, einmal beschrieben hat als den Blick auf verschiedene mögliche Interpretationen und Bedeutungsebenen eines Texts, auf seine Muster, Anspielungen und Referenzen, auf mögliche Vorurteile oder Widersprüche, auf seine ebenso anspruchsvolle wie empfindliche Verbindung zum kulturellen Kontext. So feinsinnig und wach lesen wir nicht nur Gedichte und Erzählungen, sondern tunlichst auch Nachrichten. Sie ahnen es: Auch an diesem Punkt steht es um die Lesekompetenz nicht zum Besten, in den Schulen wie in unserer Gesellschaft.
„Bislang“, sagt Adriaan van der Weel, emeritierter Buchwissenschaftler der Universität Leiden, „haben wir die gegenwärtige Krise des Lesens – Schüler, die den Anforderungen im Unterricht nicht gerecht werden, Bürger, die grundlegende Informationen in ihrem Alltag nicht verstehen – vor allem als funktionales Problem betrachtet. Allerdings betrifft das Defizit bei höchst ausgeprägten Lesefähigkeiten das Vermögen zu denken, und damit bedroht es die demokratische Natur unserer Gesellschaft.“ Man dürfe nicht vergessen, dass moderne Demokratien ohne Lesekompetenzen undenkbar seien. „Doch in der hochkomplexen Gesellschaft unserer Zeit ist die Demokratie so viel stärker bedroht, durch Filterblasen, Fake News und andere Formen der Desinformation, dass die bloße Fähigkeit, Wörter zu entziffern, nicht mehr ausreicht.“
Im Herbst hatten Schüller-Zwierlein und van der Weel zusammen mit Anne Mangen vom Norwegischen Zentrum für Leseerziehung und -forschung in Stavanger und Miha Kovač, der an der Universität von Ljubljana Buchmärkte, Verlage und das Lesen erforscht, das „Ljubljana-Manifest zur Bedeutung fortgeschrittener Lesekompetenzen und -praktiken“ vorgestellt, als Grundschrift eines Themas, dem der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, Slowenien, dann einen Teil seines Auftritts gewidmet hat. Und Mitte Juli treffen sich Leseforscher des Empirical Study of Literature Innovative Training Networks aus vielen Ländern Europas in Aachen, um es weiter zu vertiefen. Wir werden berichten.
Mit der Arbeit am Sichtwortschatz ist es also nicht getan: Am anderen Ende des Lesenlernens geht es nicht mehr darum, ein Wort zu erkennen, das man nicht erst zu lesen braucht, sondern auch zu lesen, was sich hinter Wörtern verbirgt, die wir zu kennen glauben. Auch in den Anklängen, Beiklängen und Missklängen von Texten birgt sich Lesens-, Bedenkens-, Wissenswertes. Und, ganz wichtig: zwischen den Zeilen.
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Gruppenbild mit Tieren: Vom 22. April an geht es beim Festival „Frankfurt liest ein Buch“ um Florian Wackers Roman „Zebras im Schnee“. Ein Zoobesuch mit dem Schriftsteller. Von Florian Balke
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Nach der großen Aufstiegsparty 2023 bei SV Darmstadt 98 sollen Privatdetektiv Wagner und sein Kollege einen Diebstahl aufklären. Dabei stoßen sie auf einen Komplott...
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