am vergangenen Wochenende war auf der Leipziger Buchmesse viel von Booktok die Rede, den Buchrezensionen auf Tiktok und dem enormen Erfolg, den die Genreliteratur, Young Adult, Fantasy, Mangas, aber auch Non-Fiction-Bücher hier haben. Der Markt freut sich, weil die jungen Leserinnen und Leser auch aufwändig ausgestattete Bücher kaufen, manchmal sicher nur als Accessoire, in Stapeln oder mit dem besonderen Farbschnitt. Aber egal. Findet man unter dem Booktok-Hashtag auch bekannte Autoren der Literaturgeschichte? Die Influencerin Valentina Vapaux, die durch ihren Youtube-Chanel bekannt wurde und zu den bekannten deutschen Booktokerinnen gehört, hat im Gespräch mit dem „Frankfurter Allgemeine Quarterly“ gerade gesagt , dass es auch eine Reihe klassischer Autoren gebe auf Social Media. Zum Beispiel Kafka: „Kafka wird gehypt auf Tiktok! Was erstens daran liegt, dass er Gefühle existentieller Enge, Ängste, Depressionen anspricht. Was auch ein bisschen zum Alltag von Teenagern passt“, sagt sie. Zweitens gehe es bei Tiktok immer um Ästhetik. „Und Kafkas Käfer aus ,Die Verwandlung‘ eignet sich einfach gut, um Bilder und Memes zu kreiren.“
Für ein Kafka- oder Käfer-Meme muss man Kafka nicht gelesen haben. Aber vielleicht führt der Weg dahin. Es ist ein Angebot. Mich hat das berühmte Foto von Kafka aus dem Jahr 1923, auf dem er so direkt in die Kamera schaut, immer sehr fasziniert. Es hat ganz sicher dazu beigetragen, dass ich mich für Kafka interessiert und seine Erzählungen gelesen habe, die heute zu den wichtigsten Lektüren meines Lebens zählen. Und was früher ein Foto war, ist heute vielleicht ein Meme.
Julia Encke
Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
Franz Kafka wird uns jetzt das ganze Jahr begleiten. Am 3. Juni ist sein 100. Todestag. Das berühmte Foto von ihm war, obwohl es in allen Formaten auftaucht, ursprünglich ein Passbild aus dem Automaten und ist gerade in Berlin in einer Ausstellung zu sehen, die die Geschichte der Familie Kafka anhand von Fotografien erzählt . Indem ihr berühmtestes Mitglied in der Schau aber immer wieder aus dem Blick rutscht – Kafka ist gar nicht auf jedem Foto zu sehen –, verändert die Ausstellung auch den Blick auf den Schriftsteller: „Die Großfamilie, die da ersteht“, so meine Kollegin Petra Ahne, „ist weitläufiger, kosmopolitischer, einander zugewandter, als die zum Klischee geronnene Vorstellung vom sich nicht zugehörig fühlenden, mit einem tyrannischen Vater geschlagenen Schriftsteller vermuten lässt.“
In der ARD-Mediathek wiederum – vielleicht haben Sie sich das schon angeschaut – ist Daniel Kehlmanns und David Schalkos „Kafka“-Serie zu sehen. Allein das Vorhaben, ein Autorenleben in bewegte Bilder zu übersetzen, sei ein Risiko, schreibt meine Kollegin Sandra Kegel. „Man erinnere nur daran, was Margarethe von Trotta jüngst alles an Kostümen und Requisiten aus dem Fundus hervorkramte, um ihre Ingeborg Bachmann nur irgendwie erstrahlen zu lassen, wenn schon der Rest sich im Tippen auf der Schreibmaschine verausgabte. Denken, nachdenken, zweifeln – das lässt sich schwer bebildern.“ Aber die Serie hat sie dennoch überzeugt. Lesen Sie hier, warum. Die Idee ihres Films, so hat es David Schalko in einem Interview gesagt, sei gewesen, „Klischees von Kafka nicht unbedingt zu vermeiden, sondern sie zu interpretieren“. Vielleicht ist dies das Geheimnis ihres Zugangs.
In seinen „Aufzeichnungen zu Kafka“ hat Adorno dieses Phänomen beschrieben: dass man bei jedem seltsamen und unklaren Kafka-Satz dazu neigt, sich zu wundern, dass man sich so leicht darin wiedererkennt. Was beschrieben wird, scheint Situationen widerzuspiegeln, die man selbst erlebt hat oder zu erleben befürchtet. Kafka zu lesen, sagt Adorno, sei ein „déjà-vu in Permanenz“ und bedeute, sich unablässig zu fragen: „Woher kenne ich das?“ Angesichts der Jubiläumsselbstbespiegelungen, die uns wahrscheinlich das ganze Jahr begleiten werden, lohnt es sich, diesem Déja-Vu-Effekt auf den Grund zu gehen. Wenn Sie für sich schon eine Antwort gefunden haben, schreiben Sie mir gern an Literatur-NL@faz.de. Ich bin gespannt.
Und wenn Sie uns Ihr Lösungswort zum Literaturrätsel vom 8. März geschickt haben und jetzt neugierig sind, ob es auch stimmt, ob Sie die einzelnen Fragen richtig beantwortet und vielleicht sogar gewonnen haben: Hier finden Sie, was Sie wissen möchten.
Wir wünschen Ihnen schöne Feiertage mit ausreichend Gelegenheit zum Lesen!
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