wenn ein Schriftsteller ankündigt, kein Buch mehr schreiben zu wollen, hält man das oft für eine Pose oder für Koketterie. Der amerikanische Krimi-Autor Don Winslow, einer der erfolgreichsten seines Landes, hat, als vor zwei Jahren sein Roman „City of Fire“ erschien und wir ihn dazu interviewten, gesagt: „Ich höre auf!“. Er wolle sein Leben ganz dem Kampf für die amerikanische Demokratie und gegen Trump widmen, kündigte er an. Es mache ihn fertig, dass der Trumpismus das ganze Land durchsetzt habe: „Er hat immer noch ungeheuer viele Anhänger, die seine platten Lügen glauben, die seiner nationalistischen, rassistischen, autoritären Philosophie folgen. Das sind Menschen, die nach einfachen Antworten auf komplexe Probleme dürsten. Zudem hat er eine ganze Generation von Nachahmern motiviert. Selbst wenn er morgen verschwände, gäbe es genug, die genauso weitermachen würden“, so Winslow.
Don Winslow gehört zu denen, die es ernst meinen. Und er hört jetzt wirklich auf, will nicht länger Schriftsteller sein, sondern nur noch Aktivist. Er produziert gemeinsam mit dem Drehbuchautor Shane Salerno politische Videos, die sie auf Winslows Youtube-Kanal unter dem Hashtag „WinslowDigitalArmy“ veröffentlichen . Wer seine Bücher liebt, kann sich an „City of Ruins“ festhalten, das gerade in deutscher Übersetzung erschienen ist. Es ist das Finale der „City on Fire“-Saga über den Kampf irischer und italienischer Banden in seiner alten Heimat Rhode Island, dem kleinsten US-Bundesstaat in Neuengland. Danny Ryan beginnt darin als Hafenarbeiter und Mafia-Mitglied an der Ostküste und wird zum reichen Geschäftsmann in Las Vegas, mit Familie und Freunden, mit einem privaten Glück also, das bei Winslow natürlich nicht andauert. Die Gespenster der Vergangenheit kehren zurück. Und es fließt wieder Blut.
Julia Encke
Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
Ganz am Ende dieses letzten Buchs findet sich eine Danksagung, die fünf Seiten lang ist und den privaten Winslow-Kosmos umreißt: „Wie soll das gehen?“, fragt der Autor. „Wie kann ich nach einer langen und glücklichen Karriere überhaupt damit anfangen, mich bei all den Menschen zu bedanken, die zu diesem Autorenleben beigetragen haben, ja ohne die es nicht möglich gewesen wäre? Es ist unmöglich, aber ich muss es versuchen.“ Er fängt bei seinen Eltern an, die ihm und seiner Schwester, die auch als Schriftstellerin Karriere gemacht hat, erlaubt haben, alles zu lesen, was sie wollten, egal in welchem Alter. Er dankt Lehrern, dem Professor des „Grundkurses Reportage“ an der Uni in Nebraska und dem, der ihn nach Oxford führte, wo er über Jahre Shakespeare-Stücke inszenierte. Er zählt Namen von Lektorinnen, Verlegerinnen und Verlegern, von Freunden und anderen Krimi-Autoren auf, sein besonderer Dank gilt Stephen King: „Wie freundlich, gütig und großzügig du zu mir warst“. Er dankt den Leserinnen und Lesern, seiner Frau natürlich. Und schreibt dann: „Abschiede sind schwer. Nach einer langen und wunderbaren Karriere – viel mehr, als ich mir je erträumt hatte – kann ich euch allen nur ganz simpel ‚danke‘ sagen. Vielen, vielen Dank!"
Der Vorhang fällt. Aber die neuen Kapitel im wirklichen Leben von Don Winslow haben längst begonnen. Wenn man so viele Krimis geschrieben hat, kann die Verlockung auch sehr groß sein, noch einmal etwas Neues zu machen. Es wird interessant sein zu verfolgen, welche Rolle er im Wahlkampf und im Kampf gegen Trump noch spielen wird. Auf X feiert Winslow übrigens gerade ein anderes „letztes“ Buch, das seit langem erwartet und nun auch endlich bald erscheinen wird: „Eruption“ von Michael Crichton. Ein Vulkanausbruch bedroht Hawaii, der Vulkan birgt ein Geheimnis, das die gesamte Welt vernichten könnte … Crichton, der Erfinder von „Jurassic Park“, „Emergency Room“, „Twister“ und „Westworld“, arbeitete jahrelang an dem Projekt, starb aber 2008. Seine Frau Sherri Crichton verwahrte die Notizen und das Teilmanuskript ihres Mannes, bis sie den Autor gefunden hatte, der es vollenden konnte: James Patterson. „Hinter der Veröffentlichung des Romans ,Eruption‘“, schreibt Winslow, „steckt eine bemerkenswerte reale Liebesgeschichte. Es ist eine unglaubliche Geschichte über Sherri Crichtons Liebe und ihr Versprechen, etwas zu Ende zu bringen, das ihr Mann Michael liebte und an dem er arbeitete, als er starb.“ Am 12. Juni ist es soweit, dann erscheint das Buch auf Deutsch, Anfang Juni in Amerika.
„City of Ruins“ und „Eruption“ – der Thriller-Sommer scheint mir schon jetzt gerettet zu sein.
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