Christina Morina erhält den Deutschen Sachbuchpreis
Die Jury des Deutschen Sachbuchpreises hat ihre Entscheidung getroffen. Im kleinen Saal der Hamburger Elbphilharmonie wurde Christina Morina als Gewinnerin des heuer zum vierten Mal vergebenen Preises verlautbart. Geehrt wurde die Professorin für Geschichte an der Universität Bielefeld für ihr Buch “Tausend Aufbrüche - Die Deutschen und ihre Demokratie seit den 1980er-Jahren“ (Siedler), in dem sie eine vielstimmige Demokratiegeschichte von unten erzählt.
Die Jury hebt in ihrer Begründung hervor, dass die Autorin in ihrem Buch bisher wenig beachtete Quellen nutzt, um zu zeigen, wie unterschiedlich sich das Demokratieverständnis in Ost- und Westdeutschland seit den 1980er Jahren entwickelt hat. Ihre methodisch raffinierte und augenöffnende zeitgeschichtliche Analyse auf der Grundlage von Briefen, Petitionen und Flugblättern gebe Bürgerinnen und Bürgern der DDR und der BRD eine Stimme. Damit liefere das Buch Impulse für aktuelle gesellschaftliche Diskussionen.
Nominiert hatte die Jury vor einigen Wochen acht deutsche Monographien, die nicht nur gut gearbeitet und erzählt sein sollten, sondern auch imstande, eben diese „Impulse für die gesellschaftliche Auseinandersetzung“ zu geben. Wie in den vorhergehenden Jahren waren auf der Liste der nominierten Titel Sachbücher ganz unterschiedlichen Zuschnitts zu finden.
Die acht nominierten Titel für den Deutschen Sachbuchpreis 2024. Bild: Börsenverien des Deutschen Buchhandels
Der Soziologie Jens Beckert, Direktor am Kölner Institut für Gesellschaftsforschung, legte mit “Verkaufte Zukunft“ (Suhrkamp) eine nüchterne Bestandsaufnahmen der ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Effekte vor, die die Einhegung der Erderwärmung auf 1,5 Grad aller Voraussicht nach verhindern werden. Moshe Zimmermann, emeritierter Professor für Neuere Geschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem, geht in “Niemals Frieden? Israel am Scheideweg“ (Propyläen) hart mit der israelischen Politik der vergangenen Jahrzehnte ins Gericht, die so wie ihre palästinensischen Gegenspieler die Wege zu einer Lösung des Nahostkonflikts blockiert habe.
Frauke Rostalski, Professorin für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Köln, geht in “Die vulnerable Gesellschaft - Die neue Verletzlichkeit als Herausforderung der Freiheit“ (C.H.Beck) gesellschaftlichen Wertverschiebungen nach, wie sie sich in neueren Debatten ausdrücken. Die Journalistin Ruth Hoffmann zeichnet in “Das deutsche Alibi - Mythos “Stauffenberg-Attentat’“ den Umgang mit dem militärischen deutschen Widerstand gegen Hitler nach 1945 nach.
Der vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels ausgeschriebene Preis ist mit insgesamt 42.500 Euro dotiert – die Deutsche Bank tritt als Hauptsponsor auf –, wovon 25.000 Euro auf den ersten Preis und auf die anderen sieben nominierten Titel je 2.500 Euro entfallen.
Mit dem Deutschen Sachbuchpreis ausgezeichnet: Christina Morina rekonstruiert die Wendejahre und erzählt eine deutsche Demokratiegeschichte von unten. Von Paul Ingendaay
Bei einem Abend in der Berliner Wissenschaftsakademie stellen sich die Finalisten des Deutschen Sachbuchpreises vor. Nur zwei der acht Bücher handeln direkt von den Krisen unserer Zeit. Von Andreas Kilb
Wie geht das: Mit Anstand scheitern im Kampf gegen die Erderwärmung und den Ausverkauf der Natur? Jens Beckert fordert auf unaufgeregte Weise endlich mehr Realismus. Von Joachim Müller-Jung
Vor hundert Jahren wurde die berühmte Büste der Nofretete zum ersten Mal öffentlich ausgestellt. Der Historiker Sebastian Conrad erzählt die Umstände – und was dann geschah. Von Ulf von Rauchhaupt
Geiselnahme für das bessere Deutschland: In ihrem Buch „Das deutsche Alibi“ zeichnet Ruth Hoffmann den Umgang mit dem Stauffenberg-Attentat in der Bundesrepublik nach. Von Eckart Conze
Roman Köster erzählt die Geschichte des Abfalls. Dabei beschreibt er nicht nur, was Menschen jeweils als dreckig empfanden, sondern auch, wie unsere Hinterlassenschaften von einem häuslichen zu einem globalen Problem wurden. Von Kai Spanke
Je schwieriger, desto interessanter: Marcus Willaschek führt kundig und elegant durch alle wichtigen Themenfelder im Werk Immanuel Kants. Von Jürgen Goldstein
Ein Geschichte der torpedierten Chancen auf einen dauerhaften Frieden: Moshe Zimmermann geht hart mit der israelischen Politik ins Gericht. Von Helmut Mayer
Wer entscheidet, wofür sie steht, ist so umstritten wie der Besitz der Büste selbst: Sebastian Conrad stellt im Gespräch mit Stefan Trinks auf dem Festival LiteraTurm sein Buch „Die Königin – Nofretetes globale Karriere“ vor. Von Stefan Trinks
Fort mit der Herrscherwillkür, her mit Gesetzen, die für alle gelten: Eine Liebeserklärung an den sagenhaften Schriftsteller Ludwig Börne, der für die Demokratie alles in die Waagschale warf. Von Daniel Kehlmann
Was, wenn es gar nicht darum geht, die beiden Teile der Republik anzugleichen? Steffen Mau sucht in seinem neuen Buch „Ungleich vereint“ nach Alternativen in der deutschen Debatte. Und hat einen Vorschlag. Von Tobias Rüther
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Mircea Cărtărescus berichtet von seiner ersten (und einzigen) Begegnung mit dem Schriftstellerkollegen Eginald Schlattner. Ein Gastbeitrag. Von Mircea Cărtărescu
Ein Vulkanausbruch kurz vor dem Ende der Welt: „Eruption“ ist ein Manuskript aus dem Nachlass von Michael Crichton, Auflagenweltmeister James Patterson hat den Thriller vollendet. Ein neuer Blockbuster? Von Peter Körte
Mommsen rediviva: Unchauvinistisch erfüllte sich diese Historikerin der Gefühle den Wunsch nach einer bürgerlichen Existenz. Zum siebzigsten Geburtstag von Ute Frevert. Von Paul Nolte
Sonnige Tage im Freibad: In ihrem Kinderbuch „Ameisen in Adas Bauch“ sind Stefanie Höfler und Philip Waechter einen Sommer lang den Gefühlen einer Sechsjährigen auf der Spur. Von Oliver Jungen
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Was Bayerns Abiturienten zur Verzweiflung brachte: Ein Gedicht über das Unterwegssein auf unseren Straßen, ohne Reim, aber mit doppeltem Boden. Von Hubert Spiegel
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