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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Dienstag, 16.05.2023 | bewölkt, 10 bis 18°C. | ||
+ Ost-Beauftragter begrüßt Einordnung der DDR als „kommunistische Diktatur“ + Bundesinnenministerin Faeser und Landessportbund werben für Olympia 2036 in Berlin + Regierender Bürgermeister Wegner will Dealer in der U-Bahn bekämpfen + |
von Robert Ide |
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Guten Morgen, ich see-e was, was Du nicht siehst – und dit is Berlin. Wer an der Havel durch ruhige Gewässer schippert oder auf der Spree die Segel gegen die steife Frühlingsbrise setzt, kann schon mal Wasser in die Augen bekommen – von der trockenen Tatsache, wie entspannt unsere Stadt sein kann. Damit uns dieser Sommer nicht wie Sand ohne Meer verrinnt, wurden jetzt nahezu alle Berliner Badestellen als „zum Baden geeignet“ eingestuft. Auch im ufernahen Brandenburg kann man sich frisch machen, hier sind alle 282 als Badeseen gelisteten Gewässer „mikrobiologisch nicht zu beanstanden“. Nur an vier Orten an der Unterhavel soll man momentan die Beine draußen stillhalten, teilt das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) mit. „Dem Baden bei bestem Frühlingswetter steht also nichts mehr im Wege”, freut sich Lageso-Präsident Alexander Straßmeir. Nun ja, höchstens das so selten beste Frühlingswetter: Gibt’s Badehosen auch in langärmlig? | |||
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Je länger die DDR untergangenen ist, desto mehr ersteht sie wieder auf – zumindest in nicht wenigen Köpfen und in vielen Bücherregalen des Landes. Während Bestseller wie Katja Hoyers „Diesseits der Mauer“ und Dirk Oschmanns „Der Osten – eine westdeutsche Erfindung“ durch ein weichgezeichnetes Bild der Diktatur die Nostalgie befördern oder ohne selbstkritische Töne „dem Westen“ eine Art Kollektivschuld für die schwierige Einheit geben, tobt längst schon die nächste Deutungsdebatte: Wie soll die DDR eigentlich historisch eingeordnet werden? Angeregt von Anna Kaminsky, Direktorin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, im Checkpoint nimmt nun auch die Frage politisch an Fahrt auf, ob der Begriff der SED-Diktatur nicht gar zu kurz gegriffen ist. Gerade mit Blick auf die blutigen Anfangsjahre der DDR mit dem niedergewalzten Volksaufstand am 17. Juni 1953 und auf die Prägung der anderen osteuropäischen Staaten spricht sich die Stiftung auch beim eigenen Namen für den Begriff „kommunistische Diktatur“ aus – und stößt damit in der Bundesregierung auf Zustimmung. „Die Diktatur in der DDR konnte, wie in anderen Staaten im kommunistischen Herrschaftsraum, von Beginn an nur im Schutz sowjetischer Panzer bestehen“, sagt der Ost-Beauftragte der Bundesregierung Carsten Schneider (SPD) nun dem Tagesspiegel. Schneider, der auch im Stiftungsrat der Bundesstiftung Aufarbeitung sitzt, zieht Parallelen zur Gegenwart. „Russland beansprucht heute wieder mit militärischer Gewalt einen eigenen Herrschaftsraum. Gerade in den mittel- und osteuropäischen Staaten ist es deshalb wichtig, an die gemeinsame Diktaturerfahrung und an die notwendige Solidarität der Demokratien zu erinnern.“ Zur Wahrheit, wer wir heute sind, gehört die Ehrlichkeit, wer wir damals waren. Gerade im einst gewaltsam geteilten Berlin. | |||
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Erst erobert Köpenick den Fußball in Europa – und dann Berlin den Sport der ganzen Welt. Wenn es nach der dafür zuständigen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geht, sollen in gut einem Jahrzehnt wieder Olympische Spiele in Deutschland stattfinden. „Ich werbe da sehr stark für“, sagt Faeser (via „Pioneer“) – und regt an, dass auch Berlin über die Weltspiele des Sports im Jahr 2036 nachdenkt. Genau 100 Jahre nach den Nazi-Spielen im Olympiastadion könne man die Geschichte begleitend aufarbeiten und zeigen, dass auch Demokratien mit Menschenrechtsstandards solche Weltevents austragen wollen. „Für den Sport in Berlin wäre eine Olympiabewerbung das richtige Signal“, sagt Friedhard Teuffel, Direktor des Landessportbundes, dem Checkpoint. Der ehemalige Sportjournalist (der auch beim Tagesspiegel gearbeitet hat) knüpft an eine Kandidatur aber Bedingungen: „Die Spiele müssen demokratisch und nachhaltig sein, keine neue Sportstätte sollte dafür erbaut werden müssen.“ Auch das Internationale Olympische Komitee (IOC), das wegen der umstrittenen Rückberufung russischer Athletinnen und Athleten in der Sportwelt in der Kritik steht, müsse sich ändern: „Der bisherige Gigantismus passt nicht mehr in die Zeit.“ Nachhaltige Spiele, im Zweifel in Kooperation mit anderen Städten, könnten den Berliner Sport wieder voranbringen – „das hätte auch positive Wirkungen auf die Infrastruktur des in der Corona-Zeit vernachlässigten Breitensports“, meint Teuffel. Im Koalitionsvertrag bekräftigt der neue schwarz-rote Senat seine „Bereitschaft, dass Berlin als Austragungsort im Rahmen einer möglichen nationalen Bewerbung zur Verfügung steht“. Eine Jahreszahl ist – wohl mit Rücksicht auf das heikle Jubiläum der Nazi-Spiele – nicht genannt. Aber vielleicht wäre gerade das ja eine gute Idee: 100 Jahre später Weltspiele der Vielfalt und Toleranz an historischer Stätte auszurichten. Oder was denken Sie? | |||
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In Berlins U-Bahn nehmen viele ja öfter einen Zug – manche sogar auf einem Spritzplatz. Das will der neue Regierende Bürgermeister Kai Wegner nicht auf der Stadt sitzen lassen. „Wenn die Menschen in Neuköllner U-Bahnhöfen vormittags mitten durch den Drogenhandel laufen müssen, ist das für mich inakzeptabel“, sagt der CDU-Politiker im Tagesspiegel-Interview. Wegner kündigte an, was wohl selbst viele Grünen-Wählende gut finden dürften: einen verstärkten Kampf gegen Dealer. „Wir müssen Polizei und Ordnungsämter stärken, um vor allem gegen den offenen Drogenhandel an Bahnhöfen vorzugehen.“ Auch extra eingerichtete Drogenkonsumräume sowie Konsummobile in betroffenen Kiezen sollen die Präsenz von Abhängigen in der U-Bahn verringern. Wenn die Koalition damit ernst macht, wandert der Handel wahrscheinlich ab – in den Untergrund. | |||
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Was bleibt uns am Ende von uns? Lesen wir nach bei Sibylle Lewitscharoff, eine der sprachgewaltigsten und trotz vieler philosophischer Einschübe in ihren Romanen am verspieltesten schreibenden deutschen Autorinnen. In ihrem Buch „Von oben“ heißt es: „Vor dem Tod. Nach dem Tod. Das sind zwei grundverschiedene Arten, die eigene Existenz zu erfahren und auf sie zu blicken. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich bin oben. Seit kurzem. Marode Teile von mir sind unter der Erde, mein versammlungsfähiges Ich, auf das es ankommt, befindet sich oben, wiewohl das Wort Ich hierfür kein korrekter Begriff ist. Man kann eine nicht greifbare und nicht sichtbare Wesenheit schwerlich mit einem Wort bezeichnen, das ein körperliches Triumphzeichen aufpflanzt.“ Am Wochenende ist Lewitscharoff, die alle wichtigen deutschen Literaturpreise gewonnen hat und mit ihrer Todeskrankheit Multiple Sklerose öffentlich umgegangen ist, mit 69 Jahren in ihrer Wohnung in Wilmersdorf gestorben (Nachruf von Gregor Dotzauer hier). Berlin verliert eine seiner wortschönsten Stimmen. Ihre Sprache zum Glück nicht. | |||
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