| So träge, wie die Spree durch die Stadt fließt,informierten die Verantwortlichen der Wasserbetriebe bisher auch über gefährliche Sicherheitslücken in ihrem Betrieb – viele Details treiben bis heute im Trüben. Doch langsam klärt sich der Ablauf des Geschehens.
Am 28. Juli erfuhr die Öffentlichkeit durch eine Tagesspiegel-Recherche von einem 82-seitigen, alarmierenden Gutachten, in dem eklatante Mängel aufgezeigt wurden. Mehr als 30 Schwachstellen bei der IT-Sicherheit erkannten die Prüfer von Alpha Strike Labs, die „aktuelle Gefährdungslage“ durch mögliche Manipulationen oder Anschläge bewerteten sie als „hoch“.
Doch seit wann lag das Gutachten vor? Warum wurde das Parlament nicht informiert? Was wusste der Senat? Und wie erfuhr die Wirtschaftssenatorin und BWB-Aufsichtsratsvorsitzende Ramona Pop von dem Bericht, in dem vor einem „schwerwiegenden Angriff“ auf die IT und einem „mehrwöchigen Zusammenbruch der Abwasserentsorgung Berlins“ gewarnt wird?
Wasserbetriebe und Wirtschaftssenatorin hielten sich nach der Enthüllung bedeckt, konkret wurde nach einigem Zögern nur ein Datum genannt: Der Aufsichtsrat, dem auch Finanzsenator Matthias Kollatz und Umweltstaatssekretär Stefan Tidow angehören, ist seit dem 17. Juni über Mängel, Gefährdungslage und Gegenmaßnamen im Bild. Doch nach Checkpoint-Informationen wusste die Aufsichtsratsvorsitzende Ramona Pop weit früher Bescheid: Der Vorstand der Wasserbetriebe informierte die Senatorin über die katastrophalen Testergebnisse bereits am 5. Juni bei einer Telefonkonferenz – und damit drei Tage vor dem Personalausschuss sowie zwölf Tage vor dem Rest des Gremiums.
Somit lässt sich jetzt auch rekonstruieren, wie lange der Vorstand der Wasserbetriebe die Gefährdungslage, die zu Krankheitsausbrüchen und Seuchen in der ganzen Stadt hätte führen können, vor der Senatorin verschwieg: Der Abschlussbericht von Alpha Strike Labs wurde den Wasserbetrieben nach Checkpoint-Informationen am 25. Mai übermittelt – zwölf Tage ließ BWB-Chef Jörg Simon also verstreichen, bevor er zum Telefon griff.
In einer noch unveröffentlichten Antwort auf Fragen des CDU-Abgeordneten Florian Graf schreibt Staatssekretär Christian Rickerts, die Sicherheitsmängel seien den Wasserbetrieben „nicht in dem dort beschriebenen Umfang bekannt gewesen“ – in welchem dann, bleibt offen. Die in dem Bericht dargestellten Szenarien sind nach Angaben der Wasserbetriebe zwar „nicht mehr möglich“, wie es zu den eklatanten Mängeln kommen konnte, ist allerding ebenfalls weiter unklar: „Die Analyse laufe und sei noch nicht abgeschlossen“, schreibt Rickerts unter Bezugnahme auf eine Auskunft der BWB. Die Frage, ob die Analyse mit der Wirtschaftsverwaltung abgesprochen war, beantwortet der Staatssekretär mit einem Wort: „Nein.“
CDU-Mann Graf sagte dem Checkpoint gestern Abend zu den Erkenntnissen über den zeitlichen Ablauf und den Antworten der Verwaltung auf seine Fragen: „Das ist eine klare Pflichtverletzung von Frau Pop. Als Verantwortliche hat sie nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zum sofortigen Handeln. Schließlich geht es hier um den Betrieb kritischer Infrastruktur. Wer hier Sicherheitslücken auf die leichte Schulter nimmt, handelt absolut verantwortungslos.“
Was an Rickerts Antworten auffällt, ist ein demonstrativer, jedenfalls übertriebener Gebrauch des Konjunktivs – ein Beispiel: „Nach Angaben der BWB sei…“. Eine klare Distanzierung. Bereits im Vorspann weist Pops Staatssekretär darauf hin, dass die Antworten auf Angaben der BWB beruhten, erstellt „in eigener Verantwortung“. Zuletzt hatte sich so die Senatskanzlei bei Anfragen zum BER abgesichert – bis an der FBB-Spitze Karsten Mühlenfeld gegen Engelbert Lütke Daldrup ausgetauscht wurde.
Epilog: Am 8. August, elf Tage nach Enthüllung der dramtischen Sicherheitsmängel, kündigte BWB-Chef Jörg Simon in der „Morgenpost“ seinen Abgang an: „Nach 20 Jahren ist es ganz gut, nochmal etwas anderes zu machen“ – mit der aktuellen Politik habe seine Entscheidung nichts zu tun. | |