Tränen, Emotionen, großes Kino! Patrik Kittels Abschied von Bohemian, einem der diversen Grand Prix-Pferde, die bei dem Schweden zwecks Veräußerung in Beritt gegeben wurden, sorgt auf Instagram für Aufruhr. Es ist schon interessant, wie schnell die Menschheit vergisst bzw. wie bereit man ist, bei vermeintlich emotionalen Gegebenheiten Partei zu ergreifen, ohne vorher darüber nachzudenken für wen. Was, und das ist auch keine ganz neue Erkenntnis, nicht nur für Instagram gilt. Galleria Sportpferde, die Firma, in deren Besitz der einst von der Dänin Cathrine Laudrup-Dufour in die Weltspitze gerittene Westfale steht, und die ihn nun nach einigem Hickhack veräußern möchte, hat nun reagiert. Der Ton macht klar: Patrik Kittel wird wohl so schnell kein Pferd mehr von dieser Firma zum Reiten bekommen. Die Webgemeinde ist empört – der Gutmensch Kittel hier, die bösen Pferdehändler dort. Ganz einfach? Naja … Spätestens hier wünschte man sich kollektiveres Nachdenken. Oder einfacher gesagt: Hallo? Schon vergessen? Patrik Kittel? Da sollte es eigentlich klingeln. Bei wem das nicht der Fall ist: Einfach mal googeln, beispielsweise „blaue Zunge“ oder „blue tongue“. „Kittel Helgstrand Uno Donna Unique Provision“ wäre auch eine Möglichkeit (Provision heißt auf Englisch übrigens „commission“).
Klammert man die Akteure aus und konzentriert sich auf den reinen Sachverhalt, muss man sagen: Pferde, die erfolgreich sind, sind eine begehrte Handelsware, gerade im vorolympischen Jahr. Das mag nicht jeder schön finden, aber das ist so. Und dagegen ist auch nichts einzuwenden.
Interessant ist, dass die Verkäufer von Bohemian explizit das System der Provisionen anprangern und sich deswegen zunächst für einen Auktionsverkauf entschieden hatten, um diese Praxis zu umgehen. Wer es unmoralisch findet, ein gut trainiertes Pferd zu verkaufen, sollte sich überlegen, wie moralisch es ist, wenn Menschen für ein kurzes Telefonat fünfstellige Summen erhalten. Oder wenn Reiter oder Trainer beim Verkauf eines Pferdes an den eigenen Sponsor auch noch die Hand aufhalten. Wer sagt, das könne er sich nicht vorstellen, darf sich als Naivling des Jahres feiern lassen. Und nein, davon schreibt man lieber nichts auf Instagram. Dort heißt es dann eher, „ich könnte nicht glücklicher sein, dass wunderbare Menschen es mir ermöglicht haben, dieses grandiose Pferd reiten zu dürfen“. Wunderbar? Sonderbar? Das muss jeder selbst entscheiden.
Beste Grüße aus Hamburg,