Bezogen auf das letzte Allzeithoch von Mitte November 2021 liegt der S&P 500 sogar mehr als 20% im Minus und damit befinden wir uns offiziell in einem Bären-Markt. Seit 1928 hat der S&P 500 durchschnittlich alle 4 Jahre einen solchen Bären-Markt hingelegt, sowas ist also nichts Ungewöhnliches. Allerdings erleben wir gerade den dritten Bären-Markt innerhalb von 4 Jahren und das ist durchaus außergewöhnlich. Doch angesichts des längsten und stärksten Bullen-Marktes aller Zeiten, der uns seit 2009 beglückt hat, relativiert sich der Kursabschwung auch wieder etwas. Doch diese Zahlenspiele können und sollen nicht darüber hinwegtäuschen, was in vielen Depots der Privatanleger wirklich vorgeht. Denn die viele Jahre anhaltende Hausse bei den Wachstums-Werten, die auch durch die Flutung des Marktes mit billigem Geld seitens der Notenbanken künstlich angeheizt wurde, hatte weitreichende Folgen. Man kann diese Geldschwemme am besten mit einem Magneten vergleichen, der neben einen Kompass gelegt wird. Der Kompass zeigt weiterhin konsequent den Weg an, aber eben nicht mehr korrekt. Und genauso lief es mit den Börsenkursen, denn das viele billige Geld sorgte für eine Assetpreis-Inflation. Im Grunde nichts Schlimmes für die Anleger. Nur dass ihre Erwartungshaltung ebenso manipuliert worden ist. Insbesondere jüngere Anleger kennen gar nichts anderes, als dass die Börsenkurse steigen. Und wann immer sie mal korrigieren, war „buy the dip“ der schlauste Weg, denn das viele Geld kam genauso schnell wieder in die Märkte, wie es zuvor aus ihnen abgeflossen war. Und es kam sogar mehr Geld zurück, dank der Niedrigzinsen. Insofern folgte auf jeden starken Kurseinbruch eine V-Erholung. Bis jetzt, denn diesmal ist es anders. Die Kurse sinken und wenn dann wieder Kauflaune aufkommt, hat die Aufwärtsbewegung zu wenig Kraft. Das nennt man Bärenmarkt-Rallye und sowas kostet engagierte Anleger zusätzlich Geld und Nerven. Viele Depots der Privatanleger weisen viel höhere Verluste auf als der S&P 500 oder die NASDAQ. Weil sie in den letzten Jahren zunehmend auf die heißen Wachstums-Aktien gesetzt haben und die Zinswende zusammen mit Preisschock und gestörten Lieferketten insbesondere in diesem Bereich zu panikartigen Ausverkäufen geführt hat. „Nicht die Unternehmens-Gewinne beeinflussen den Gesamt-Markt, es sind die Notenbanken. Und deshalb konzentriere ich mich auf die Zentralbanken und auf die Entwicklung der Liquidität, während die meisten Leute auf die Gewinne und konventionelle Kennzahlen blicken. Aber es ist die Liquidität, die die Märkte bewegt.“ – Stanley Druckenmiller – Die US-Notenbank ist der maßgebliche Akteur für die globalen Finanz-Märkte und die FED hat die Zinswende eingeläutet. Nach einem ersten kleinen Zinsschritt von 0,25 Basispunkten erfolgte jüngst ein weiterer Schritt in Höhe von 0,5 Basispunkten. Und für die nächsten beiden Monate sind jeweils weitere 0,5-Anhebungen „gesetzt“. Die FED steht nämlich unter Druck, endlich gegen die hohe Inflation vorzugehen. Dazu setzt sie auf Zinsanhebungen und auf eine Verkürzung der Notenbankbilanz. Dahinter verbirgt sich nichts anderes, als dass sie künftig weniger Anleihen kauft als getilgt werden, wodurch sich ihr Anleihebestand reduziert und der Wirtschaft und den Märkten Liquidität entzogen wird. Abgesehen davon, dass die Zinsanhebungen eine wirklich dumme Idee sind, weil sie nicht die Ursachen der Inflation bekämpfen (Lieferengpässe, Lockdown in Shanghai, Energiepreisexplosion, Ukraine-Krieg), stellt ein höheres Zinsniveau für die Wirtschaft erstmal kein Problem dar. Die Wirkung von Notenbank-Zinsanhebungen entfaltet sich nämlich erst nach etwa 18 Monaten – also genau dann, wenn vermutlich die genannten Problemfelder alle längst verschwunden sind. Das Problem sind also nicht die Zinsanhebungen, sondern das Ausbleiben der erhofften Wirkung. Und dann, zeigt die Geschichte, dreht die Notenbank immer schneller und stärker an der Zinsschraube. Zeigt sich dann endlich, nach 18 Monaten die Wirkung, hat die Notenbank üblicherweise die Wirtschaft stranguliert und total abgewürgt. Sie rudert dann zurück, aber auch die Wirkung der Zinssenkungen entfaltet sich erst nach 18 Monaten. Wie Star-Investor Ken Fisher bereits vor vielen Jahren feststellte: Nicht die Inflation ist die Gefahr für die Wirtschaft und die Börsen, sondern die (Über-) Reaktion der Notenbank auf die Inflation. Wir können also nur hoffen, dass wir in den nächsten Wochen zumindest leicht zurückgehende Inflations-Signale bekommen. Das ist aufgrund des Basis-Effekts gar nicht so unwahrscheinlich. Denn die starken Preissteigerungen begannen ja nicht mit dem Jahres-Start 2022, sondern sie nahmen bereits zur Mitte des Jahres 2021 so richtig Fahrt auf. Es besteht also Hoffnung, dass die FED die Zinsen anhebt und gleichzeitig die Inflation sinkt. Auch wenn beides nichts miteinander zu tun hat (18 Monate Zeitverzug!), könnte es die FED veranlassen, die Zinsschraube nicht zu sehr anzuziehen und so eine globale Rezession zu vermeiden. Growth sucks So oder so sind die Wachstums-Unternehmen von dieser Entwicklung besonders stark betroffen. Viele von ihnen sind nicht profitabel und benötigen daher frisches Geld, um weiter wachsen zu können. Und Geld wird teurer. Kredite sind schwerer zu bekommen und sie kosten mehr (Zinsen). Und Eigenkapital ist in der jetzigen Börsenlage auch schwerer zu bekommen; Börsengänge oder Kapitalerhöhungen sind nicht gerade gefragt. Und wenn überhaupt, dann zu den aktuellen niedrigen Kursen, so dass viel mehr Aktien für das gleiche Geld ausgegeben werden müssen im Vergleich zum Vorjahr. Der zweite negative Einflussfaktor stammt aus der Diskontierung der zukünftigen Gewinne. Der Wert eines Unternehmens ist, vereinfacht ausgedrückt, die Summe all seiner zukünftigen Gewinne. Und da das Geld in der Zukunft weniger Wert ist als heute (Stichwort Inflation), werden die zukünftigen Gewinne entsprechend abgewertet (abdiskontiert), um auf den heutigen Wert des Unternehmens zu kommen. Den vergleicht man dann mit dem aktuellen Börsenkurs und erkennt schnell, ob die Aktie über- oder unterbewertet ist. So viel zur Theorie. In der Praxis hat diese Discounted-Cashflow-Methode allerdings einige Tücken. Einerseits ist es schwer die künftigen Gewinne vorherzusagen und je weiter man in die Zukunft blickt, desto ungenauer wird die Schätzung. Und genauso verhält es sich mit dem Rechnungszins, mit dem man die künftigen Gewinne rückrechnet. Dieser hängt an der Erwartung, wie denn die Zinsen in der Zukunft liegen werden. Und ob man hier 3% oder 5% ansetzt, ergibt einen gewaltigen Unterschied bei der Bestimmung des heutigen Werts. Da die letzten Jahre die Zinsen extrem niedrig waren, haben die Analysten und Investoren den Rechnungszins immer weiter gesenkt. Dadurch wurden die zukünftigen Unternehmens-Gewinne rechnerisch immer mehr wert und folglich stieg auch der heutige faire Wert je Aktie an. Doch die steigenden Zinsen drehen das Rad in die gegenläufige Richtung. Höhere Zinsen bedeuten, dass künftige Gewinne weniger Wert sind und damit sinkt auch der faire Wert der Aktie. Heute. Deshalb fallen die Aktienkurse. Heute. Und je weniger Gewinne ein Unternehmen heute macht und je weiter seine Profitabilität und damit seine Gewinne in der Zukunft liegen, desto dramatischer wirkt sich dieser Effekt auf den Aktienkurs aus. Heute. Eine Apple-Aktie und eine Microsoft-Aktie sind auch gefallen. Auch ihre zukünftigen Gewinne werden durch die steigenden Zinsen weniger wert. Allerdings haben diese beiden Unternehmen die Möglichkeit, ihre Preise anzuheben, ohne viele Kunden zu verlieren und somit ihre Gewinne heute und für die Zukunft zu steigern. Viele andere Unternehmen, können sich das nicht leisten. Weil sie in einem knallharten Preiswettkampf liegen mit ihrer Konkurrenz oder weil ihre Produkte von den Kunden leichter weggelassen werden können und daher Preiserhöhungen zu Absatzeinbrüchen führen. Vor allem junge, wachstumsstarke Unternehmen haben zumeist noch keine starke Kundenbindung, kein herausragendes Marken-Image und keine Preissetzungsmacht. Sie sind daher die Unternehmen, die am schwächsten auf die „neue Wirklichkeit“ vorbereitet sind. Und daher sehen wir seit Monaten starke Einbrüche bei diesen Unternehmen, operativ und im Aktienkurs. Ob in der Biotech-Branche, im Wasserstoff-Sektor, im Kryptowährungs-Sektor, bei Online-Shops oder bei den FinTechs. Viele dieser Unternehmen waren maßlos überbewertet. Ich will jetzt nicht (zu sehr) als Kloogschieter rüberkommen, diese maßlose Überbewertung ist in der Rückschau klar zu erkennen, aber vor einem Jahr war sie noch nicht so deutlich zu sehen. Sicher, die Unternehmen waren auch im Frühjahr 2021 extrem hoch bewertet, aber zum damaligen Zeitpunkt waren die Zukunfts-Aussichten auch noch andere. Es gab noch 2- oder 3-stelliges Umsatz-Wachstum, es gab noch keine exorbitanten Preissteigerungen und damit keine Aussicht auf eine „harte“ Zinswende. Folglich passten die hohen Bewertungen auch noch ansatzweise zu den hohen Wachstums-Erwartungen. Wenn eine Aktie mit einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 20 bepreist wird, also dem 20-fachen Jahres-Umsatz, dann ist das absolut gesehen sehr hoch. Wächst das Unternehmen aber auf Sicht der nächsten Jahre jeweils mit Raten von 100% beim Umsatz, wächst es auch zügig in seine hohe Bewertung hinein. Je länger dieses hohe Wachstum wohl anhalten wird, desto höher kann man das KUV tolerieren. Aber... diese hohen Wachstumsraten implodieren gerade bei den meisten High-Growth-Unternehmen. Und wenn anstelle von 100% Umsatz-Wachstum nun nur noch 20% erzielt werden, dann ist ein KUV von 20 in keiner Börsensprache der Welt mehr zu rechtfertigen. Selbst Cathie Wood käme hier so langsam in Erklärungsnotstand und diese Dame ist um blumige Zukunftsvisionen ja nun wirklich nicht verlegen. Erkennt man nun aber, dass ein KUV von 20 viel zu hoch ist und eigentlich maximal ein KUV von 2 gerechtfertigt wäre, dann muss der Kurs dramatisch sinken. Um 90%, um genau zu sein. Und genau das erleben wir seit letztem Jahr bei vielen High-Growth-Aktien. 80% Kursverlust macht eine Aktie nicht zwangsläufig preiswert Leider ist es eine Milchmädchenrechnung, würde man nun jede um 80% oder mehr gefallene Aktie als günstig einstufen. So funktioniert Börse nicht. „Was ist eine Aktie, die 90% im Minus notiert? Eine Aktie, die 80% gefallen ist und sich dann halbierte.“ – David Einhorn – Ob eine Aktie heute attraktiv bepreist ist, bemisst sich nicht an ihrem Abstand zum vorherigen Höchstkurs. Der hat keinerlei Relevanz! Eine Aktie kann um 90% gefallen sein und trotzdem noch immer ein Kurs-Umsatz-Verhältnis von 10 aufweisen. Und wenn dies auf ein Umsatz-Wachstum von 15% trifft, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass man mit dieser Aktie mal Geld verdient, äußerst gering. Es bleibt uns also leider nichts anderes übrig, als die Unternehmen zu bewerten. Wir müssen uns ansehen, was sie so treiben, wie sie ihr Geld verdienen, wie ihre Marktstellung ist, die Konkurrenz-Situation, die Wachstums-Aussichten. Nicht, wie ihr Kurs vor 12 Monaten stand! Der allgemeine Ausverkauf an den Börsen hat auch viele Aktien von Unternehmen mit in die Tiefe gerissen, die es nicht verdient haben. Sie wurden in Sippenhaft genommen, weil sie zu den Wachstums-Unternehmen zählen, weil sie einer bestimmten Branche angehören, die momentan nicht mehr angesagt ist. Hier tun sich große Chancen auf, wenn wir die Aktien finden, die zu Unrecht mit verprügelt wurden. Denn die werden sich mit Sicherheit von dem Kurseinbruch wieder erholen und stellen daher Schnäppchen dar. Aber auch nur sie, nicht ihre zahnlosen Wettbewerber. Schauen wir uns mal ein paar der (ehemaligen) Fintech-Anlegerlieblinge an und was sie so an Zahlen vorgelegt haben. SoFi Technologies SoFi wurde um drei operative Segmente herum strukturiert: Kredit-Vergabe, Technologie-Plattform und Finanz-Dienstleistungen. Die Kredit-Sparte macht dabei den mit Abstand größten Umsatzanteil aus und befasst sich mit Privat-, Immobilien- und Studenten-Krediten. Die Technologie-Plattform besteht in erster Linie aus Galileo Financial Technologies, das SoFi im April 2020 für 1,2 Mrd. US-Dollar übernommen hatte. Dabei handelt es sich um eine API- und Finanzverarbeitungs-Plattform, die von einer Reihe von FinTech-Unternehmen wie MoneyLion, Skrill, Robinhood, Interactive Brokers, Chime und Shipt genutzt wird. Zu den Finanz-Dienstleistungen von SoFi gehören die Aktienhandels-App und die noch junge SoFi-Kreditkarte, die 2% unbegrenztes Cashback auf alle Einkäufe bietet, wenn die Nutzer dies in ein SoFi-Produkt einlösen. Dieses Cross-Selling von mehreren Finanzprodukten hilft SoFi, den Umsatz zu steigern und gleichzeitig die Abwanderung zu minimieren. Große Hoffnungen setzt man auf die inzwischen erteilte nationale Banklizenz. Damit wird SoFi nicht nur in der Lage sein, Kredite zu noch wettbewerbsfähigeren Zinssätzen zu vergeben und seinen Mitgliedern hochverzinsliche Giro- und Sparguthaben anzubieten, sondern auch neue Finanzprodukte und -dienstleistungen einzuführen und zu vertreiben. Für das 1. Quartal 2022 meldete SoFi einen Umsatz von 322 Mio. US-Dollar, was einem Anstieg von 49% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der Verlust je Aktie lag bei 14 Cent. Das EBITDA lag bei 9 Mio. US-Dollar und damit zum siebten Mal in Folge im positiven Bereich. Der Umsatz des 1. Quartals lag damit sogar um 13% über dem oberen Ende der Prognose-Spanne des Unternehmens, die bei 280 bis 285 Mio. US-Dollar lag. Und auch das EBITDA übertraf die Prognose (0 bis 5 Mio. US-Dollar) um 74% am oberen Ende. SoFi hebt Prognose für 2022 an Für das 2. Quartal hat SoFi Technologies eine Umsatz-Prognose von 330 bis 340 Mio. US-Dollar abgegeben. Das bedeutet ein jährliches Wachstum von 43% am oberen Ende. Für das Gesamtjahr 2020 hob SoFi seine Umsatz-Prognose auf 1,505 bis 1,51 Mrd. US-Dollar an. Zuvor hatte das Unternehmen für 2022 einen Umsatz von 1,47 Mrd. US-Dollar prognostiziert. Der Kursverlauf hat den Anlegern bisher keine Freude bereitet. Das Unternehmen kam Ende 2020 via SPAC-Merger an die Börse und die Aktie schoss in den nächsten Monaten um mehr als 100% nach oben. Am 1. Juni 2021 notierte sie um die 25 US-Dollar, doch seit Mitte November erfolgte ein brutaler Abverkauf, der am 10. Mai bei unter 5 US-Dollar seinen bisherigen Tiefpunkt erreichte. Hinsichtlich der operativen Erfolge völlig unverständlich und unverdient! Allerdings weist SoFi noch immer eine Marktkapitalisierung von gut 6 Mrd. US-Dollar auf und bei einem prognostizierten Jahresumsatz von 1,5 Mrd. US-Dollar liegt das KUV bei 4. Bitte nochmal auf der Zunge zergehen lassen: Nach diesem brutalen Kursabsturz von beinahe 90% liegt das Kurs-Umsatz-Verhältnis noch immer bei 4. Im 1. Quartal lag das Umsatz-Wachstum bei starken 49% und auf operativer Ebene ist SoFi bereits profitabel. Das bedeutet, dass SoFi ein sehr attraktives Investment ist – aber eben auch auf diesem Kursniveau noch immer kein Schnäppchen. Und es droht Gefahr. In den USA wird hinsichtlich der Studenten-Kredite von „der nächsten großen Blase“ gesprochen und steigende Zinsen sind hier die sprichwörtliche Nadel, die das Ganze zum Platzen bringen könnte. Präsident Joe Biden hat daher ein Moratorium erlassen, so dass Studenten ihre Kredite aktuell nicht zurückzahlen müssen. Dieses Moratorium wurde bereits mehrfach verlängert und läuft nun erstmal bis 31. August 2022. SoFi ist im Bereich der Studenten-Kredite aktiv und nun wird darüber spekuliert, dass Joe Biden einen Schuldenerlass bei den Studenten-Krediten anstreben könnte. Das wäre ziemlich negativ für SoFi. Zwar würden dann die Kredite auf einen Schlag durch den Staat getilgt, aber SoFi verdient ja an der Vermittlung der Finanzierung und an den Kreditzinsen. Daher würde ein zukunftsträchtiges Geschäftsfeld mit einem Schlag vernichtet. Sofern es denn so weit kommt. Das steht noch in den Sternen, muss von Anlegern aber als zusätzliches Risiko im Hinterkopf behalten werden. SoFi Technologies, Inc. (ISIN: US83406F1021) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 21e/22e/23e | Kurs | A2QPMG / SOFI | 6,2 Mrd. USD | neg. / neg. / neg. | 6,76 USD |
Upstart Holdings Upstart ist eine cloud-basierte Kredit-Plattform, die sich weitestgehend auf Künstliche Intelligenz stützt. Das Unternehmen wurde 2012 von Dave Girouard gegründet, der zuvor Präsident von Google Enterprise war und dort auch das Milliarden-Geschäft mit Cloud Apps aufgebaut hat. 2014 stieg Upstart ins Ratenkreditgeschäft ein, das bis heute den größten Teil zum Umsatz beisteuert. Noch recht frisch ist der Einstieg in zwei viel größere Märkte, Auto-Finanzierungen und Hypotheken-Kredite. Die Hoffnung ist groß, dass Upstart hier ähnliche Erfolge erzielen kann wie mit seiner Kredit-Plattform und dann wären enorme Wachstumsraten die Folge. Die Zahlen zum 1. Quartal lassen allerdings enorme Zweifel an der Fortschreibung der Erfolgs-Story aufkommen. Es wurde ein Quartals-Umsatz von 310 Mio. US-Dollar erzielt und ein operativer Gewinn von 35 Mio. US-Dollar, sowie ein Nettogewinn von 33 Mio. US-Dollar. Alle Werte weisen prozentual 3-stellige Wachstumsraten gegenüber den Vorjahres-Werten auf und wissen zu beeindrucken. Und auch die Zahl der Bank-Partner stieg weiter an und lässt auf weiteres Wachstum hoffen. Allerdings ging die Profitabilität massiv zurück und so musste Upstart seine Prognose für das Gesamtjahr zusammenstreichen. Bisher ging man von einem Umsatz von 1,4 Mrd. US-Dollar und einer EBITDA Marge von 18% aus, nun rechnet man nun nur noch mit einem Umsatz von 1,25 Mrd. US-Dollar und einer adjusted EBITDA Marge von 15%. Die Kombination ergibt, dass sich die Ergebnis-Erwartungen mal eben halbiert haben. Und das ist gar nicht sexy. Der Aktienkurs von Upstart hatte sich innerhalb weniger Monate bis zum Spätherbst 2021 auf beinahe 400 US-Dollar vervielfacht und befindet sich seitdem im krassen Sinkflug. Der bisherige Tiefpunkt wurde am 11. Mai erreicht mit knapp 25,50 US-Dollar. Die Börsenbewertung ist auf 3 Mrd. US-Dollar zusammengeschrumpft. Das klingt angesichts prozentual 3-stelliger Wachstumsraten beim Umsatz nicht sehr verwegen. Doch bei einer – gesenkten – Umsatz-Prognose für 2022 von 1,25 Mrd. US-Dollar und einem Jahres-Umsatz für 2021 von 848,59 Mio. US-Dollar liegt die Wachstumsrate nun bei 47%. Immer noch stark, aber eben auch deutlich entfernt von den bisherigen 3-stelligen Zuwachsraten. Das KUV liegt bei 2,4, da stimmen die Relationen. Wenn da nicht... ... ein noch viel größere Klumpfuß im Zahlenwerk versteckt gewesen wäre und zwar beim Kreditvolumen. Wohl gemerkt, nicht beim vermittelten Volumen, sondern bei den Krediten, die Upstart in die eigene Bilanz genommen hat. Da sollten nämlich keine sein! Upstart ist eine Vermittlungs-Plattform, die ihre Umsätze und Gewinne damit erzielt, Kreditnehmer und Kreditgeber zusammenzubringen – und dafür eine Provision einzustreichen. Doch das scheint nicht recht zu funktionieren, so dass Upstart die Kredite in der eigenen Bilanz zwischenparkt, um sie später weiterzuverkaufen. Wo ist das Problem? Da gibt es gleich mehrere: 1. Upstart ist bisher als Vermittler Partner der Banken. Wird es selbst Kredithalter, wird man zum Wettbewerber – und schrottet im Extremfall sein Geschäftsmodell. 2. Angesichts steigender Zinsen und erlahmender Wirtschaft dürften die Kreditausfälle spürbar zunehmen. Für einen reinen Vermittler kein Problem, aber wenn Upstart die Kredite in der eigenen Bilanz hat, dann schlagen die Kreditausfälle auch hier zubuche. Das würde die Ergebnisse massiv belasten. 3. Upstart ist eine softwarebasierte Technologie-Plattform. So wird das Unternehmen bewertet. Wenn diese Software nicht reibungslos funktioniert, wenn die dahinter stehende Künstliche Intelligenz also nicht so gut ist, wie gedacht, dann weckt das ernsthafte Zweifel daran, ob Upstarts Geschäftsmodell wirklich funktioniert. 4. Und wenn Upstart zunehmend Kredite in die eigene Bilanz nimmt, dann entwickelt man sich immer mehr vom Software-Unternehmen zu einer Bank. Und die werden deutlich niedriger bewertet an der Börse. Es poppen bei Upstart also gleich mehrere rote Flaggen auf, die man nicht ignorieren sollte. Sie können das Geschäftsmodell infrage stellen und Anleger sollten sich sehr genau mit diesen Punkten auseinandersetzen, bevor sie die Aktien kaufen. Und auch dann, wenn sie sie bereits im Depot haben und zwar unabhängig davon, wie hoch ihr Kursverlust bisher schon ist. Sind die Kredite in der eigenen Bilanz nur ein vorübergehendes Phänomen, stellt sich die Lage anders dar und die Risiken sind vergleichsweise überschaubar. Aber wenn nicht... [Anmerkung Armin: Es ist uns wichtig, in unserem Report jedem Autor vollkommene Unabhängigkeit und Freiheit bei der Einschätzung einer Aktie zu gewähren. Ich gehe auf meinem YouTube-Aktien-Kanal im neuen Video ebenfalls auf Upstart ein und sehe die Aktie nicht ganz so kritisch wie Michael. Mehr dazu am Sonntag ab 17:00 Uhr hier: https://youtube.com/c/AktienKanal) LendingClub Bei LendingClub treffen wir auf andere Vorzeichen als bei SoFi und Upstart. Denn LendingClub hat sein ursprüngliches Business gegen die Wand gefahren; zu keinem Zeitpunkt hat man damit Geld verdient. Der Vermittler von Peer-to-Peer-Krediten ist gescheitert und hat das Geschäftsfeld eingestellt. Zurück blieben knapp 3 Mio. Kunden. Und eine Idee. Die neue Idee war, diesen Kunden Ratenkredite zu vermitteln. Klingt nicht gerade innovativ, aber in den USA leben die meisten Menschen von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck und sie machen Schulden... über Kreditkarten. Da reden wir trotz Zinstiefphase von 2-stelligen Prozentsätzen. 1,5% pro Monat klingt nicht so schlimm, summiert sich aber aufs Jahr gerechnet auf 18% – ohne den Zinseszins-Effekt, der den Kredit nochmals teurer macht. Anfang 2020 übernahm LendingClub daher die Radius Bank, die über eine eigene Vollbank-Lizenz verfügte. Radius war eine reine Online-Bank mit einer Bilanzsumme von 2,4 Mrd. US-Dollar und Einlagen in Höhe von 1,7 Mrd. US-Dollar. Die Radius-Banking-Plattform ermöglichte es Kunden, in weniger als 3 Minuten ein Konto zu eröffnen und bot neben den üblichen Endkunden-Funktionalitäten einer Neobank-App außerdem offene APIs, um anderen Fintech-Unternehmen White-Label-Banking-as-a-Service-Funktionen wie Girokonten, digitales Onboarding und die Kontoverwaltung anzubieten. LendingClub selbst steuerte seine KI zur Kreditvergabe und Risikoermittlung bei. Ein Jahr später waren alle Genehmigungen erteilt und LendingClub konnte neu starten. Und wie! Das Angebot von LendingClub wird von den Kunden stark angenommen. Verständlich, denn LendingClub kann die durchschnittlichen Kreditkosten um 4% bis 5% pro Jahr senken. Der Kunde schließt über LendingClub eine neue Finanzierung ab und damit werden die Kreditkarten-Schulden getilgt. Die Ersparnis tritt damit sofort ein und erhöht den finanziellen Spielraum der Menschen unmittelbar. Und was bei Ratenkrediten funktioniert, klappt auch bei Auto-Finanzierungen. Auch die hat LendingClub inzwischen im Angebot und kann seinen Kunden die Kreditzinsen um bis zu 5% pro Jahr reduzieren. Für das 1. Quartal 2022 meldete LendingClub Ende April einen Umsatz von 289,5 Mio. nach 262,2 Mio. US-Dollar im 4. Quartal. Der Gewinn je Aktie lag mit 0,39 US-Dollar deutlich über den 0,27 US-Dollar aus dem 4. Quartal. Das Kreditgeschäft belief sich auf 3,22 Mrd. US-Dollar verglichen mit 3,07 Mrd. US-Dollar in Q4/21 und 1,5 Mrd. US-Dollar in Q1/21. Auf Jahressicht also mehr als eine Verdopplung! Der Nettozinsertrag in Q1/22 betrug 99,68 Mio. US-Dollar, verglichen mit 83,2 Mio. US-Dollar in Q4/21 und 18,51 Mio. US-Dollar in Q1/21. Also mehr als eine Ver-5-fachung auf Jahressicht! Die Nettozinsmarge lag bei 8,3% in Q1/22 verglichen mit 7,6% in Q4/21 und 1,8% in Q1/21. Die Risikovorsorge im Kreditgeschäft belief sich im 1. Quartal auf 52,5 Mio. US-Dollar, gegenüber 45,1 Mio. US-Dollar im 4. Quartal 2021 und 21,5 Mio. US-Dollar im Vorjahreszeitraum. 2022er Ausblick angehoben Die starken Zahlen hatten Folgen. LendingClub hob seinen Umsatzausblick für das Gesamtjahr an und rechnet nun mit einem Umsatz von 1,15 bis 1,25 Mrd. US-Dollar statt bisher 1,1 bis 1,2 Mrd. US-Dollar. Im Aktienkurs der letzten 5 Jahre zeigt sich zunächst der Niedergang mit dem ursprünglichen Peer-to-Peer-Lending-Geschäftsmodell, doch ab Herbst 2020 ging es dann mit dem Neustart los. Der Aktienkurs explodierte geradezu von rund 5 US-Dollar auf 45 US-Dollar, doch seit November 2021 ist auch er in den Sinkflug übergegangen. Er liegt zwar noch immer 3-mal so hoch wie vor anderthalb Jahren beim Start des neuen Geschäftsmodells, aber eben auch zwei Drittel unter seinen Höchstkurs aus dem November. Die Börsenkapitalisierung liegt bei 1,45 Mrd. US-Dollar und die Umsatzprognose für 2022 im Mittel bei 1,2 Mrd. US-Dollar. Das Kurs-Umsatz-Verhältnis beträgt damit 1,2. Nur 1,2! Würde man den Quartals-Gewinn von 0,39 US-Dollar auf das Jahr hochschreiben, käme man auf einen Jahresgewinn von 1,56 US-Dollar je Aktie. Damit läge das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei 9,2. Nur 9,2! LendingClub wächst stark und ist profitabel. Die Bewertung ist im Vergleich zu SoFi und Upstart geradezu lächerlich niedrig. Allerdings, wenden Kritiker ein, sei LendingClub ja inzwischen auch eher eine Bank als ein Technologie-Unternehmen. Das ist insoweit richtig, als dass LendingClub über eine Vollbank-Lizenz verfügt und sein Geschäftsmodell bewusst darauf ausgerichtet hat, die Kredite nicht mehr nur zu vermitteln, sondern einen gewissen Teil davon in die eigene Bilanz zu nehmen. Anders als bei Upstart ist das kein Unfall oder technisches Versagen, sondern Geschäftszweck. So will LendingClub an der Kreditvermittlung unterm Strich mehr verdienen. Das Risiko liegt darin, dass Kredite notleidend werden und dann die Bilanz belasten. Dafür sorgt LendingClub vor mit entsprechenden Rückstellungen. Der zweite Knackpunkt ist, dass die ausschließliche Kreditvermittlung wenig Kapitaleinsatz erforderte, während nun anteilig Kredite in der eigenen Bilanz verbleiben und somit mit Kapital unterfüttert werden müssen. Der Kapitalbedarf von LendingClub steigt also an und das rechtfertigt auch einen Bewertungsabschlag gegenüber der bisherigen „Asset-light-Variante“. Doch am Ende bleibt die Feststellung, dass LendingClub enormes Potenzial bietet und auf dem aktuellen Kursniveau unverständlich günstig bepreist scheint. „Schnäppchen“ trifft es ganz gut. LendingClub Corp. (ISIN: US52603A2087) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 21e/22e/23e | Kurs | A2PNFU / LC | 1,5 Mrd. USD | 134 / 9 / 6 | 14,34 USD |
Unser Fazit Die Zeiten der Überflieger-High-Growth-Aktien sind vorbei. Die Zinsen steigen und die Notenbanken reduzieren die Liquidität. Starkes Wachstum bleibt weiterhin Trumpf, aber nicht zu jedem Preis. Unternehmen mit starkem Geschäftsmodell und Preissetzungsmacht sind die erste Wahl, weil sie mit den Risiken und den permanenten Veränderungen am besten zurechtkommen. KUV-Monster florierten eine Zeit lang, weil immer mehr billiges Geld in die Märkte floss und die Wachstums-Aussichten schier endlos erschienen. Nun hat die Realität wieder Einzug gehalten und die Bewertung vieler Aktien geerdet. Dennoch sind nicht alle Kursverluste gleich einzustufen. Es gibt sie immer noch, die KUV-Monster, die auch nach 90% Kurseinbruch noch immer (zu) teuer sind. Und selbst das beste Unternehmen wird zu einem schlechten Investment, wenn man seine Aktie zu teuer kauft. Aber es gibt auch Unternehmen, deren Aktien zu Unrecht in den Abgrund gerissen wurden, und die für hartgesottene Anleger eine attraktive Gelegenheit darstellen, sich einen potenziellen Tenbagger ins Depot zu legen. Hohes profitables Wachstum bei niedriger Bewertung wird fast immer ein Investment-Erfolg...
Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig, Value Investor und Betreiber des Blogs „iNTELLiGENT iNVESTiEREN“. | |
Offenlegung wegen möglicher Interessenkonflikte: Die Redakteure/Autoren sind in den folgenden besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Kommentars investiert: Apple, LendingClub & Microsoft Weitere Informationen dazu findest Du hier... Meine neuesten Videos
Viel Erfolg bei Deinen Finanzentscheidungen & ein schönes Wochenende wünscht Dir Dein Armin Brack Chefredakteur Geldanlage-Report >> Die nächste Ausgabe erscheint am 21. Mai Wir freuen uns über Lob, Kritik und Anregungen. Gerne kannst Du uns auch Themenvorschläge unterbreiten. Fragen und Anregungen bitte per Mail an redaktion@geldanlage-report.de TradingView© ist eine eingetragene Marke der ICE Data Services. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten! Hier kommst Du zu TradingView©. Geldanlage-Report weiterempfehlen! Wir würden uns freuen, wenn Du den Geldanlage-Report Deinen Freunden und Kollegen weiterleiten würdest! Kostenlose Anmeldung unter www.geldanlage-report.de |