Liebe/r Leser/in,

was macht unser Auswärtiges Amt eigentlich beruflich, war am Wochenende bei Twitter höhnisch zu lesen. Diese Frage stellen sich vielleicht auch die Mitarbeiter der Deutschen Botschaft, die gestern ihre Büros in Kabul fluchtartig verlassen und auf dem militärisch gesicherten internationalen Flughafen Zuflucht suchen mussten. Heiko Maas, so viel sei der Fairness halber gesagt, hatte das Wochenende mit dem Krisenstab verbracht und unterrichtete die Bevölkerung über dessen Bemühungen fortlaufend. Allein, sie kamen viel zu spät.
Noch im Juni hatte der SPD-Außenminister übrigens behauptet, die Bundeswehr habe in Afghanistan den Boden für eine lebendige Zivilgesellschaft bereitet.
Die Bilder des Wochenendes sprechen eine andere Sprache. Sie erinnern fatal an den Abzug der US-Truppen aus Saigon im Jahr 1975. Damals ging das Foto der US-Botschaftsmitarbeiter, die in letzter Minute von einem Hubschrauber evakuiert wurden, um die Welt und wurde so zum Symbol für den gescheiterten Vietnamkrieg.
20 Jahre lang dauerte der Einsatz des Westens in Afghanistan. Allein 59 Bundeswehrsoldaten ließen am Hindukusch ihr Leben, der Einsatz kostete die westlichen Alliierten mehr als eine Billion Euro. Das Ergebnis sei ein „Desaster“, räumte Innenminister Horst Seehofer am Sonntag unumwunden ein.
Bis zum Wochenende waren die Klima-Krise und ihre Folgen das wichtigste Thema in diesem Wahlkampf. Seither sehen wir das Leid, das die „Gotteskrieger“ über das Land bringen, dem die westliche Welt Freiheit und Demokratie versprochen hatte. Mit dem Leid wächst die Zahl derer, die Afghanistan fluchtartig verlassen. Viele werden versuchen, nach Europa zu kommen. Der Wahlkampf dürfte ab sofort ein weiteres Thema haben.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche!

Mit vielen Grüßen

Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

Drei Thesen um drei

Ein Kandidat im Sog nach unten

Armin Laschet kennt derzeit nur eine Richtung – bergab. In der aktuellen FOCUS-Umfrage kommt die Union auf 22 Prozent und hat nur noch einen Punkt mehr als die Grünen. Das liegt vor allem am Kanzlerkandidaten der Union. Erst macht er gar keinen Wahlkampf, dann verpatzt er das Krisenmanagement in den Hochwassergebieten – und mit CSU-Chef Markus Söder ist er ohnehin im Dauerstreit.
Lesen Sie im aktuellen FOCUS, was schiefläuft in der Laschet-Kampagne.

Nawalnys Mut und Mission

Eine gewisse Bewunderung kann selbst ein nüchterner Anwalt wie Nikolaos Gazeas nicht verhehlen. Bewunderung für die Hartnäckigkeit und Kompromisslosigkeit, mit der Alexej Nawalny gegen das Putin-Regime kämpft. Gazeas, ein führender Experte für Rechtshilfeersuchen, ist Nawalnys deutscher Anwalt, seitdem dieser vor einem Jahr nach einem Giftanschlag in Sibirien zur Behandlung in die Berliner Charité gebracht worden war. Nawalny ist nach Russland zurückgekehrt und in einem Straflager inhaftiert.
Zum Jahrestag des Anschlags auf Putins Gegner Nr. 1 äußert sich der Jurist über das mangelnde Aufklärungsinteresse Russlands, den notwendigen politischen Druck des Westens und die beeindruckende Furchtlosigkeit seines Mandanten. „Er möchte ein besseres, ein freies Russland, indem er die Korruption bekämpft. Und diese Mission will er weiterverfolgen.“ Nawalny habe bewusst nicht den bequemeren Weg gewählt und sei ins sichere Exil gegangen. „Das Schlimmste, was Herrn Nawalny widerfahren könnte, wäre, dass man ihn und sein Schicksal vergisst“, mahnt Gazeas.
Lesen Sie das vollständige Interview im neuen FOCUS.

Streaming-Hollywood ist fest in weiblicher Hand

Eigentlich hatte sie als Schauspielerin alles erreicht. Sogar einen Oscar bekam Reese Witherspoon, heute 45, für die Rolle der June Carter. Und trotzdem passierte ihr, was so vielen Schauspielerinnen in Hollywood passiert, wenn sie auf die 40 zugehen: Die Angebote kamen nicht mehr. Also gründete sie selbst eine Filmproduktionsfirma und realisierte Drehbücher, die komplexe Geschichten aus weiblicher Perspektive erzählen, die von Frauen erzählen, die nicht einfach nur gut oder böse, wild oder brav sind, sondern vor allem mutig, widersprüchlich und authentisch.
Heute, im Hollywood post Weinstein, im Hollywood, das fest in den Händen von Streaming-Diensten wie Netflix, Amazon und Apple ist, trifft sie damit den Zeitgeist, gehört sie zur Speerspitze einer Revolution auf Leinwand und Screens. Und zu den mächtigsten und reichsten Schauspielerinnen und vor allem Unternehmerinnen der Welt: Nach dem Verkauf ihrer Firma Hello Sunshine an Blackstone wurde ihr Baby mit über einer Milliarde Dollar bewertet.