Flucht aus Odessa nach Mönchengladbach
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Rheinische Post

Morgenausgabe

Stimme
des Westens

Dorothee Krings

02. März 2022

Liebe Frau Do,

es werden nun allerhand hypothetische Überlegungen angestellt über die weiteren Pläne des russischen Präsidenten, über die Folgen seiner Isoliertheit, über den Zustand seiner Psyche. Während seine Panzer in kilometerlangen Kolonnen durch die Ukraine rollen. So wie sie sich vor Monaten für einen Angriffskrieg formiert haben, den zu wenig Menschen für möglich halten wollten. Dabei genügt es im Grunde, zur Kenntnis zu nehmen, wie Wladimir Putin bisher Kriege geführt und Konflikte angeheizt hat – in Tschetschenien, in Syrien. Es genügt, um zu wissen, dass den Ukrainern grausame Tage bevorstehen. Und dass der Westen dringend weiterdenken muss – ohne auf interne Widerstände gegen Putin zu hoffen. Und ohne auf Reste von Anstand oder Rücksichtnahme zu bauen. Die Szenarien sind erschreckend, doch sie nicht für möglich halten, ist keine Option mehr.

Heute wichtig:

Ukraine: In der Nacht gingen die Angriffe auf die Ukraine weiter. Ukrainische Medien berichten von Kämpfen in Charkiw und Cherson. Aus der ukrainischen Großstadt Schytomyr ist ein Luftangriff gemeldet worden. Einen Überblick aus der Nacht finden Sie hier. In unserem Newsblog halten wir Sie außerdem über die aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden.

USA: US-Präsident Joe Biden hat in seiner Rede zur Lage der Nation weitere Konsequenzen für Russland angekündigt: Auch die USA sperren ihren Luftraum für russische Flugzeuge. Russlands Präsident habe gedacht, er könne den Westen spalten und die Nato würde nicht reagieren. „Putin hat sich geirrt“, sagte Biden. Unser Korrespondent Thomas Spang berichtet.

SPD: Gerhard Schröder verzichtet nicht auf seine umstrittenen Aufsichtsratsposten. Sein Büroteam zieht die Konsequenzen und verlässt den Altkanzler. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Angekratzt ist auch die Autorität von Fraktionschefs Rolf Mützenich. Die Russland-Krise schüttelt die SPD durch. Tim Braune über die Lage bei den Genossen.

Geflüchtete: Bisher sind nach Angaben der UN 677.000 Menschen aus der Ukraine geflüchtet. Für vier Frauen aus Odessa endete die Flucht in Mönchengladbach. Die Jüdische Gemeinde kümmert sich um die Menschen. Mein Kollege Andreas Gruhn hat sich ihre Geschichten erzählen lassen.

Meinung am Morgen:

EU: Die EU scheint in diesen Tagen über die eigene Entschlossenheit zu staunen. Das mutige Einstehen der Ukrainer für ihre Freiheit habe die Europäische Union daran erinnert, wofür sie eigentlich gegründet wurde, schreibt Gregor Mayntz in seinem Kommentar. Und erinnert an den umstrittenen Ausspruch des früheren US-Außenministers Alexander Haig, wonach es Wichtigeres als den Frieden gebe: den Frieden in Freiheit.

Aufrüstung: Scharfe Sanktionen und die Geschlossenheit der Nato sind unabdingbar, um Russlands Machthaber Wladimir Putin wenigstens ökonomisch die Folgen seines verbrecherischen Überfalls auf die Ukraine spüren zu lassen, schreibt Martin Kessler in seinem Kommentar zur Kehrtwende Deutschlands in der Rüstungspolitik. Allerdings müsse der Westen weiterhin einen kühlen Kopf bewahren, um nicht unbedacht in eine kriegerische Auseinandersetzung mit Russland hineinzuschlittern.

Haushalt: Die gewaltige neue Vorratskasse von 100 Milliarden Euro für die Auf- und Ausrüstung der Bundeswehr stellt  den Bundesfinanzminister vor Herausforderungen. Denn Christian Lindner (FDP) will zurück zur Schuldenbremse. Was das für den gesamten Bundeshaushalt bedeutet und wie die einzelnen Parteien dazu stehen, schlüsselt Birgit Marschall in ihrer Analyse auf.

So gesehen:

 Heute beginnt mit dem Aschermittwoch für Christen die Fastenzeit. 40 Tage der Besinnung und Konzentration, des Verzichts auf Gewohnheiten oder Dinge, die ablenken, zerstreuen, zur körperlichen wie seelischen Überfütterung beitragen. Gewöhnlich bietet diese Zeit die Chance, ein wenig auf Abstand zum eigenen Alltag zu gehen, sich befristet neue Ziele zu setzen, etwas anderes auszuprobieren als man gewöhnlich lebt. In diesem Jahr kann einem das banal erscheinen, weil die Passions- und Bußwochen in eine Zeit fallen, in der nicht weit entfernt so viele Menschen barbarischer Gewalt ausgeliefert sind, leiden, sterben, trauern. Vielleicht ist die Fastenzeit in diesem Jahr darum eher eine stille Zeit tief empfundener Verbundenheit. Aus der durchaus tätige Unterstützung für Menschen in Not werden kann. Kommen Sie gut in den Tag!

Herzlich,

Ihre

Dorothee Krings

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