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Tagesspiegel Checkpoint vom Montag, 10.08.2020 | Gleißende Hitze bei 32°C, vereinzelte Regenschauer möglich. | ||
+ Neue Zweifel am Flussbad: Würde die Filterung überhaupt funktionieren? + Maskenquote in der BVG steigt auf 95 Prozent + Polizist bei Syndikat-Demo schwer verletzt + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, na das nenne ich ja mal Timing: Am letzten Ferienwochenende taucht endlich doch noch ein echtes Sommerloch-Ungeheuer aus den Tiefen Berlins auf – und die „B.Z.“ beißt gleich an: „Schock am Schlachtensee – Riesenwels zerbeißt Ela (11) den Fuß“, lautet die Titel-Schlagzeile. Auf Seite 4 ist aus dem Riesenwels dann schon ein „Monsterwels“ geworden, und aus dem zerbissenen Fuß – eine Schürfwunde. Für einen Tag Schulfrei sollte das reichen. | |||
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Was Sie sonst noch zum Schulbeginn wissen sollten, hat hier Susanne Vieth-Entus zusammengefasst (Abo), und weiter unten im Telegramm steht, was die Landesvorsitzende der Grünen von Bildungssenatorin Sandra Scheeres hält… | |||
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… aber wir springen gleich weiter ins nächste Gewässer, und das ist der Spreekanal. Am Sonnabend hatten wir hier exklusiv berichtet, mit welchen Tricks die Stadtentwicklungsverwaltung die tatsächlichen Kosten des Traums vom Flussbad zwischen Humboldt-Forum und Bode-Museum verschleiert – jetzt stellt sich heraus, dass es in der Umweltverwaltung Zweifel gibt, ob die vorgesehene Filterung überhaupt funktioniert. Der geplante Eingriff ist tatsächlich gewaltig: Der Kanal wird trockengelegt, vor die alten Ufermauern kommt eine zweite Mauer zur Abstützung – auf morastigem Grund. Die Betonbauer freuen sich schon, und folgerichtig bekam das Projekt bereits zweimal einen „Holcim Award“, finanziert vom gleichnamigen globalen Baustoffunternehmen. Skeptisch ist auch das Lageso – in einer Stellungnahme zum geplanten Modell heißt es: „Eine Umleitung des Mischabwassers ohne Behandlung und Wiedereinleitung im weiteren Flussverlauf halten wir für nicht mehr zeitgemäß, da durch eine reine Ableitung keine Verbesserung des ökologischen Potentials des Gewässers erfolgt.“ Mit anderen Worten: ein teures Prestigeprojekt ohne breiten Nutzen. Um die Berliner Gewässer sauber zu bekommen, müssen die Einleitungen reduziert werden – das geschieht beim Flussbad aber gerade nicht. Und zurück zu den Kosten: Für den Düker gibt es auch noch keine Kostenprognose. Vor zwanzig Jahren war die Idee eines Flussbads visionär – heute geht sie nicht voran, sondern baden, auch wenn die Koalition sich davon berauschen ließ. Und was beim Blick auf die beteiligten Stellen auffällt: Die Wasserbetriebe, zuständig für das Abwasser, spielen kaum eine Rolle – obwohl klare Flüsse ihre Aufgabe wären. Und wer ist alles beteiligt? Der Bund, das Land, mehrere Senatsverwaltungen, der Bezirk, die Anlieger… und wir sehen: Behördenpingpong lässt sich auch im Brackwasser spielen – aber es ist ein teurer Spaß. | |||
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„Ja zum Flussbad, koste es, was es wolle?“, hatten wir Sie am Sonnabend bei unserer Opinary-Abstimmung gefragt – die Antwort fiel deutlich aus (bei hoher Beteiligung): „Bloß nicht, wird Zeit, dieser Prestige-Fantasie den Stöpsel zu ziehen“ meinten 79 %, „Na logo, so ein erfrischendes Projekt dürfen wir nicht aufgeben“ 14 %. | |||
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„Sie müssen jetzt sehr tapfer sein“, schreibt Jörg Simon und präsentiert (wieder einmal) das fotografische Ergebnis eines Spaziergangs durch die Luisenstadt (Kreuzberg/Mitte), auch bekannt als Müllhausen (hier zu sehen). Ähnliche Bilder gibt’s rund um den Südstern zu sehen: „Der Kinderspielplatz ist seit einem Jahr ohne Geräte, die Allee vergammelt, der Radweg Urbanstraße zugewachsen, der Trinkwasserbrunnen funktioniert nicht“, schreibt ein Anwohner, „der schöne und wichtige Baum im Garten des Gesundheitsamts schwächelt, vermutlich Trockenstress“. Fahrradleichen säumen die Fontanepromenade, an den Grünflächen sind die niedrigen, gusseisernen Zäunchen zerstört. Es gibt Zuständige für diese Zustände, sogar hier, in der Hauptstadt der organisierten Unzuständigkeit. Sie scheinen sich damit abgefunden zu haben – anders als immer mehr Bürgerinnen und Bürger, die dieser Art von Berlin-Chick nichts abgewinnen können. Wir werden künftig hier sowie auf unseren Checkpoint-Accounts bei Twitter und Instagram zeigen, wie es in der Stadt aussieht – und wer dafür jeweils zuständig ist. Ihr Bild von Berlin nehmen wir dabei gerne auf und unter checkpoint@tagesspiegel.de entgegen. | |||
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Mit großer Freude wird in Berliner Koalitionskreisen registriert, dass es auch anderswo Schwierigkeiten mit der Kfz-Zulassung gibt – und ein folkloristischer Rückblick der Abendschau auf die vergangenen 50 Jahre, verbreitet vom Berliner Linken-MdB Thomas Nord, trägt zur Heiterkeit bei: „Wer sein Auto in Berlin zulassen will, brauchte schon immer viel Zeit und Geduld“, heißt es da. Ist ja auch komisch, die TV-Schnipsel der vergangenen Jahrzehnte mit den immer gleichen Szenen zu sehen, bis hin zum Klassiker (hier in der Fassung von 1991): „Sie haben schon gehört, dass wir heute Systemausfall haben?“ Doch nicht alle können darüber lachen. Bei VW in der Franklinstraße z.B. stehen 180 Autos auf dem Hof – alle verkauft, aber aus den bekannten Gründen nicht angemeldet. Platz für Nachschub: null. Blutdruck des Händlers: steigt. Haha. War doch schon immer so, dit is Berlin. Notfalls wird der Mangel zur Strategie bei der Mobilitätswende verklärt. Aber hatte Politik nicht mal den Anspruch, es besser zu machen? | |||
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Die Republik der Seychellen hat eine neue Adresse, meldet das Amtsblatt – sie residiert jetzt am Lietzenseeufer 2, was sicher auch Honorarkonsul Nikolaus Fuchs gefällt. Die Älteren unter uns erinnern sich: Ja, das ist der Mann, der Anfang der neunziger Jahre als Geschäftsführer einer Marketing GmbH die Olympischen Spiele 2000 kaufen sollte, im Auftrag der Senatskanzlei. Dazu legte seine Truppe die „Astrid-Dossiers“ an – Aufzeichnungen über sexuellen Neigungen und Trinkgewohnheiten der IOC-Mitglieder. Den Rechercheauftrag beschrieb einer der Beteiligten später so: „Wer will Geld, wer will Weiber, wer will Jungs, wer will Drogen.“ Nur 7 von 91 Funktionären seinen nicht bestechlich gewesen, stellten die Berlinwerber damals fest – Sydney hatte dann aber wohl doch mehr zu bieten. Als Referenz mag Fuchs dieses Kapitel seines Lebens jedenfalls nicht herausstellen – auf der Website von „Lexington Consulting“, wo er als „Geschäftsführender Gesellschafter“ firmiert, ist unter dem Punkt „Berufserfahrung“ dazu nichts zu lesen. Zu lesen ist aber, wie Fuchs den BER eröffnet hätte – und zwar in einem „Handelsblatt“-Gastbeitrag von 2013, Überschrift: „Berliner Airport-Rettung leicht gemacht“. Tja… | |||
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Ein anderer Honorarkonsul, Steffen Göpel von Belarus, konnte gestern bestaunen, wie in einer Diktatur eine Wahl abläuft (als Anschauung auch empfehlenswert für jene, die in Merkel die Tochter von Adolf Hitler sehen). Sie kennen ihn sicher von dem Foto, das seine maskenfreie Umarmung mit Christian Lindner im Corona-Mai vor dem Borchardt zeigt (folgenlos selbstverständlich, weil die Polizei zum Nachtisch Promibonus servierte) – und die dem FDP-Chef viel Ärger einbrachte. | |||
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Lindner ist längst nicht mehr allein:Auch vom Bundespräsidenten ist ein Foto ohne Abstand und Maske aufgetaucht – es zeigt Frank-Walter Steinmeier in Südtirol posierend mit dem Landeshauptmann Arno Kompatscher sowie einer Gruppe Musikerinnen. Und am Wochenende erwischte es Ricarda Lang: Ein Foto, konspirativ zwischen zwei Bahnsitzen hindurch fotografiert von AfD-MdB Joana Cotar, zeigt die stellvertretende Grünen-Vorsitzende ohne Maske, aber mit McDonalds-Tüte auf dem Tisch. In allen Fällen war zunächst Häme noch die freundlichste Reaktion, Lang wurde am Sonntag massiv beleidigt. Ja, der Bundespräsident hatte uns gerade erst in der Pose des Volkspädagogen zum Maskentragen ermahnt, und die Grünen erwägen Werbeeinschränkungen für Junkfood. So what? Das wird ja dadurch nicht falsch. Na klar, es wäre besser, Politiker hielten sich an das, was sie selbst für andere beschließen, auch dann, wenn sie in Zivil unterwegs sind (nur Steinmeier ließ sich freiwillig ablichten, bei Lindner ist die Privatsphäre tangiert, bei Lang verletzt). Aber das Blockwartvergnügen, anderen Menschen selbst die geringste (vermeintliche) moralische Verfehlung nachzuweisen, vergiftet die Gesellschaft – egal, aus welcher Ecke es kommt. Und das ist auch eine Folge der Emotionalisierung von Politik, von Selbstgerechtigkeit und moralischer Überheblichkeit, die sowohl unmenschliche Erwartungen reproduzieren wie auch unmenschliches Verhalten. | |||
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Der Auftritt des Berliner Kabarettisten Florian Schröder bei der „Querdenken“-Demo am Sonnabend in Stuttgart war auch vor diesem Hintergrund ein herausragendes Ereignis. Es ist einfach, sich in der warmen Bubble gegenseitig der eigenen überlegenen Haltung zu versichern – sie da zu vertreten, wo Gegenwind herrscht, ist ein ganz anderes Ding. Ein Video von Schröders Rede finden Sie hier (11:45 min). | |||
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Und noch etwas in diesem Kontext: Am Amtsgericht Bernau sagt heute die Berliner Juso-Landesvorsitzende Annika Klose als Zeugin im Strafprozess gegen Andy Habermann aus – der früheren AfD-Stadtverordnete (bis 2/20 in Werneuchen) hatte einen Facebook-Post von Klose so kommentiert: „Ihr würde ich doch mal ein kleines Intermezzo a la Susanna gönnen“ – nur gut zwei Wochen zuvor war eine 14-Jährige mit dem Namen Susanna von einem Asylbewerber vergewaltigt und erwürgt worden, der Fall hatte großes Aufsehen erregt. Es ist das Musterbeispiel eines Hasskommentars aus der Mitte einer Partei, die sich als „bürgerlich“ darzustellen versucht (Habermann wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft). Mal sehen, welches Preisschild das Gericht dranhängt. | |||
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