PRESSEMITTEILUNG Nr. 168/2021
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Präses: „Laufen Sie sich um Gottes und der Menschen willen die Hacken ab“ |
Hilfe-Teams in den Flutgebieten starten in den langfristigen Einsatz |
Bad Neuenahr-Ahrweiler/Euskirchen (17. November 2021). In Gottesdiensten in Bad Neuenahr-Ahrweiler und Euskirchen haben evangelische Kirche und Diakonie heute Mitarbeitende auf den Weg geschickt, die die Menschen in den Überschwemmungsgebieten von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz in den kommenden Monaten verlässlich begleiten und unterstützen. Den Helferinnen und Helfern rief Präses Latzel in Euskirchen zu: „Laufen Sie sich um Gottes und der Menschen willen die Hacken ab. Ich zahle Ihnen gerne neue Schuhe.“ Evangelische Kirche im Rheinland, Diakonie Katastrophenhilfe, Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe und diakonische Einrichtungen vor Ort helfen gemeinsam. In insgesamt neun Regionen sind sozial-diakonische und seelsorglich-psychosoziale Teams im Einsatz: In den rheinland-pfälzischen Regionen Ahrtal und Trier/Eifel sind 14 Mitarbeitende tätig, in den nordrhein-westfälischen Regionen Stolberg, Eschweiler, Euskirchen, Bonn/Voreifel, Erftstadt, Bergisches Land und Hagen/Sauerland derzeit 21 Mitarbeitende. Die Finanzierung sichern Spendenmittel, die evangelische Kirche und Diakonie nach der Flutkatastrophe erhalten haben. Diakonie-Vorstand Heine-Göttelmann: „Bargeld allein reicht nicht aus“ „Viele Betroffene benötigen jetzt Hilfe zur Selbsthilfe: Bargeld allein reicht hier oft nicht aus – die Menschen brauchen zusätzliche individuelle Begleitung“, stellte Diakonie-RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann heraus. „Die Mitarbeitenden der mobilen Teams beraten deshalb zum Beispiel beim Ausfüllen von staatlichen Anträgen. Sie helfen dabei, Baugutachter zu finden. Sie leiten durch den Behördendschungel. Und sie vermitteln die passenden diakonischen Angebote. Die Mitarbeitenden haben aber auch ein offenes Ohr für alle Sorgen und Nöte: Es geht darum, erlebte Traumata zu verarbeiten und die schrecklichen Erfahrungen hinter sich zu lassen. Hier steht die seelsorgliche Begleitung im Vordergrund.“ Präses Latzel: „Das Wasser steckt weiter in den Mauern – und in den Seelen“ Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, betonte in seiner Predigt in den Gottesdiensten in Bad Neuenahr-Ahrweiler und Euskirchen: „In den vergangenen vier Monaten wurde sehr viel geleistet. Häuser, Straßen, Brücken, Leitungen wurden wiederhergestellt. Es gab eine Spendenbereitschaft, wie wir sie selten erlebt haben. Politik und Zivilgesellschaft haben gemeinsam angepackt. Und dennoch fühlen sich viele Menschen alleingelassen. Weil die Hilfe, von der sie lesen und hören, bei ihnen noch nicht ankommt. Weil sie die Formulare nicht verstehen, weil die Heizung nicht geht oder weil ihr Leben einfach nicht wieder in die Spur kommt. Das Wasser steckt weiter in den Mauern – und in den Seelen.“ Deswegen würden jetzt „Flutengel 2.0“ gebraucht, Menschen, die den Betroffenen helfen. Wie die Hilfe in Rheinland-Pfalz konkret aussieht Diese „Flutengel 2.0“, erkennbar an blauen Anoraks oder gleichfarbigen Westen, sind bereits unterwegs: „Wir fahren durch das gesamte Ahrtal“, berichtet Stephan Zöllner, Referent im dortigen Regionalteam der Diakonie Katastrophenhilfe. „Wir unterstützen zum Beispiel Senioren, die keinen Computer oder keine E-Mail-Adresse haben. Wir füllen mit ihnen zusammen Anträge auf Hilfeleistungen aus, digitalisieren die Dokumente und prüfen den Vorgang bis zur Auszahlung. Wir bringen aber auch Nachbarn zusammen und weisen auf Begegnungscafés hin, in denen sich die Menschen gegenseitig stützen können.“ Pfarrer Bernd Bazin, Seelsorger in Ahrweiler, ergänzt: „Viele Betroffene können sich erst jetzt seelisch dem Ausmaß der Zerstörung stellen. Die elementaren Fragen des Lebens – Wo kann meine Familie wohnen? Woher bekomme ich etwas zu essen? Wie geht es mit Beruf, Kindergarten, Schule, Pflege von Angehörigen weiter? – mussten zuerst beantwortet werden.“ Jetzt gehe es darum, durch eine „nachgehende Seelsorge“ an der Seite der Menschen zu sein. Nach mehr als vier Monaten im Ausnahmezustand drohe die Überlastung der seelischen Selbstheilungskräfte: „Als Fachkräfte aus Seelsorge und psychosozialer Beratung helfen wir den Menschen, ihre Lasten Schritt für Schritt loszuwerden“, sagt Pfarrer Bazin. Günter Kern: „Ich schaue heute wieder in hoffnungsvolle Gesichter“ Der Vor-Ort-Beauftragte der rheinland-pfälzischen Landesregierung, Innenstaatssekretär a. D. Günter Kern, zollte Kirche und Diakonie für ihr Engagement Wertschätzung und Dank. „Wir wissen, dass der November ohnehin ein schwieriger Monat für die Psyche und Gesundheit ist. Ich spüre aber, wie es den Menschen hilft, wenn sie wissen, dass sie nicht alleine sind, dass sie gesehen werden und dass sich unsere Gesellschaft um sie kümmert. Die Verzweiflung, die ich nach der Flut erlebt habe, weicht immer mehr dem Blick nach vorn. Ich schaue heute wieder in hoffnungsvolle Gesichter, wenn ich vor Ort bin.“ Wie die Hilfe in Nordrhein-Westfalen konkret aussieht Nadine Günther-Merzenich, Leiterin des Euskirchener Regionalteams der Diakonie Katastrophenhilfe, berichtet: „Wir bieten handfeste Unterstützung an. Wir begleiten Menschen zu Terminen. Wir motivieren sie, den nächsten Schritt zu gehen. Viele sind im Alltag ohnehin stark eingebunden, weil sie Beruf und Familie unter einen Hut bringen müssen. Jetzt sollen sie auch noch einen Hausstand neu aufbauen. Wir begleiten die Betroffenen bei diesen Herausforderungen. Die mobilen Teams helfen beispielsweise dabei, den richtigen Handwerker zu finden und Gelder zu beantragen. Oder sie stehen ihnen bei Problemen des Alltags zur Seite – zum Beispiel, wo man das Grundbuchblatt finden und seine Steuernummer anfordern kann.“ Pfarrerin Claudia Müller-Bück, Seelsorgerin in Euskirchen, ergänzt: „Eine große Sorge der Menschen ist derzeit, wie sie über den Winter kommen. Häufig sind die Wände der Wohnungen abgeschlagen, die Böden fehlen. Wir helfen zwar mit Heizgeräten, aber es ist eben kein richtiges Zuhause.“ Da Schulen, Vereine, Arbeitsstätten und ganze Ortschaften betroffen seien, fehle den Menschen Stabilität, das Vertraute im Alltag. Viele hätten im Keller und Erdgeschoss wichtige Erinnerungen wie Fotos oder den traditionellen Weihnachtsschmuck verloren. „Als Seelsorger hören wir zu. Und wir halten selbst das aus, was Menschen ihren Angehörigen nicht erzählen möchten, weil sie meinen, stark sein zu müssen – wir halten selbst die größte Hoffnungslosigkeit aus. Gleichzeitig überlegen wir gemeinsam, was früher in schwierigen Situationen geholfen hat und wie man der negativen Gedankenspirale entkommen kann“, sagt Pfarrerin Müller-Bück. Dr. Fritz Jaeckel: „Aus Ihrer Kraft erwächst Hoffnung“ Mit seiner Teilnahme am Gottesdienst in Euskirchen vertrat Dr. Fritz Jaeckel, Beauftragter des Landes Nordrhein-Westfalen für den Wiederaufbau in den Flutgebieten, den wegen eines kurzfristig anberaumten Landtags-Termins verhinderten Ministerpräsidenten Hendrik Wüst. „Verlust von Heimat und Sicherheit trägt in hohem Maße dazu bei, dass Menschen sich ängstigen. Viele Menschen sind müde und erschöpft“, sagte Jaeckel. Deshalb sei der Dienst der Helferinnen und Helfer gerade jetzt so wichtig. „Flutengel 2.0 – was für ein wunderbarer Begriff für Sie“, wandte sich Jaeckel an die mobilen Teams: „Aus Ihrer Kraft erwächst Hoffnung.“ „Müssen uns auf häufiger auftretende Katastrophen vorbereiten“ Martin Keßler, Direktor der Diakonie Katastrophenhilfe, stellte die Flut in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz in einen globalen Zusammenhang: Die Ereignisse in Deutschland zeigten, „dass wir uns alle weltweit auf stärkere und häufiger auftretende Katastrophen vorbereiten müssen“. Der Klimawandel sei real, und die katastrophalen Auswirkungen seien nun auch in Deutschland mehr ins Bewusstsein gerückt. „Die Vorbereitung der Bevölkerung und Verbesserung von katastrophenvorsorgenden Maßnahmen sind Teil unserer Hilfe in Deutschland. Es wird sicherlich einige Jahre dauern, bis die letzten Häuser wiederaufgebaut sind, aber wir glauben daran, mit den uns anvertrauten Spendengeldern eine bessere Vorbereitung auf künftige Katastrophen leisten zu können.“ 8014 Zeichen Hinweis an die Redaktionen: Wenn Sie von der Vorstellung der Hilfe-Teams in Bad Neuenahr-Ahrweiler und Euskirchen Bildmaterial benötigen, schicken Sie bitte eine E-Mail an pressestelle@ekir.de. Stichwort: Buß- und Bettag, 17. November In früheren Zeiten wurden Buß- und Bettage immer wieder aus aktuellem Anlass angesetzt. Angesichts von Not und Gefahr wurde die Bevölkerung zu Umkehr und Gebet aufgerufen. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird ein allgemeiner Buß- und Bettag am Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag, dem letzten Sonntag des Kirchenjahrs, begangen. In diesem Jahr fällt der Buß- und Bettag auf den 17. November. 388 Zeichen Autorinnen: Cornelia Breuer-Iff, Evangelische Kirche im Rheinland, und Ilka Hahn, Diakonie RWL Kontakt: Kontakt: Pressesprecher Jens Peter Iven, jens.iven@ekir.de, Telefon 0211 4562-373 |
Absender: Evangelische Kirche im Rheinland | Das Landeskirchenamt | Stabsstelle Kommunikation und Medien | verantwortlich: Pressesprecher Jens Peter Iven | Hans-Böckler-Straße 7 | 40476 Düsseldorf | Tel: 0211/4562-373 | Fax: 0211/4562-490 | Mobil: 0172/2603373 | www.ekir.de/presse |
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