Über Leute von gestern, heute und morgen
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Liebe/r Leser/in,

ich bin zwar Sachse, aber deswegen noch lange kein Impfgegner. Zwei Mal bekam ich als Genesener bereits den Biontech-Piks. Und ich bekenne mich dazu nicht nur aus aktuellen, sondern auch aus historischen Gründen. Denn schon vor mehr als 150 Jahren waren Leipzig, Chemnitz oder ­Zwickau Hotspots der Impfgegner – seinerzeit übrigens gegen die Pockenimpfung. Man wehrte sich gegen den Impfstoff (Lymphe aus Kuhpocken), aber auch gegen Einschränkungen der Freiheitsrechte. Man war organisiert im „Deutschen Bund der Impfgegner“ und las die Monatsschrift „Der Impfgegner“, die sich gegen „ärztliche Irrlehren“ wandte.

Ein gedrucktes Zentralorgan braucht es heute nicht mehr, dafür gibt es ja das Internet. Weitere überraschende Parallele zu heute: Als Staaten sich gegen unzureichende Impfquoten nicht mehr anders zu helfen wussten, griffen sie zur Impfpflicht – in Bayern 1807 als erster Staat weltweit, in Sachsen mehr als ein halbes Jahrhundert und eine Pockenepidemie später in Form eines Reichsimpfgesetzes. Nicht wenige Impfgegner entzogen sich allerdings der Pflicht mittels ärztlicher Atteste, in manchen Regionen bis zu 50 Prozent.

Doch es gibt auch Unterschiede zu da­­mals. Immer mehr Menschen machen in diesen Wochen eine beunruhigende Erfahrung: Sie erkranken an Corona, obwohl vollständig geimpft und sogar geboostert. Beunruhigend ist daran die Erkenntnis, dass Biontech, Moderna und Co. uns wohl vor schweren Verläufen und damit vor der Intensivstation schützen können, aber nicht vor einer Infektion und damit auch nicht davor, andere anzustecken.

Das unterscheidet alle bisher bekannten Corona-Impfstoffe von vielen uns bislang geläufigen Vakzinen, z. B. gegen Masern oder Pocken. Auch die Zahl der dafür erforderlichen Impfungen ist so bekannt wie überschaubar. Und dann betrifft die einzige derzeit bestehende Impfpflicht in Deutschland (gegen Masern) nicht die komplette Bevölkerung, sondern Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kitas und Erwachsene, die dort tätig sind. Sodann mutieren Pocken und Masern nicht monatlich und stellen so die Impferfolge infrage. Und: Man braucht kein bundesweites Impfregister für Masern- und Pockenimpfungen.

Ich bin kein Jurist, schon gar kein Experte für Verfassungsrecht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass diese gravierenden Unterschiede keine Bedeutung für die Frage haben sollen, ob die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht in Kürze gelingt. Allein der Gedanke, fast 70 Millionen Bürger über 18 nun jährlich oder gar halbjährlich zu impfen, überfordert einen.

Mein Verdacht: Die Politik arbeitet sich lautstark an der Impfpflicht ab, weil sie in Wahrheit keinen Plan hat, welche Haken das Virus in Zukunft noch schlagen wird. Da möchte man sich – auch vor den Wählern – keine schuldhaften Versäumnisse vorhalten lassen. Wir brauchen dringend Alternativen zur Impfpflicht.

Krisenzeiten sind oft auch Zeiten des Aufbruchs. Nie waren die Zeiten für Gründer in Deutschland besser. Investoren stellen inzwischen so viel Geld bereit, dass sie um die Start-ups buhlen müssen statt andersherum. Gleichzeitig gab es selten zuvor mehr Neuland zu erobern: von der Nahrungsmittel- bis zur Raumfahrtindustrie, von künstlicher Intelligenz bis Quantentechnologie.

Für Deutschland ist das eine enorme Chance: Schon heute stehen die Start-ups hierzulande für 1,6 Millionen Jobs, 2030 könnten es 3,7 Millionen sein. Im besten Fall also entstehen da gerade die Mittelständler von morgen. Von einer „neuen Gründerzeit“ etwa spricht Multi-Aufsichtsrätin und Investorin Ann-Kristin Achleitner.

Deshalb widmen FOCUS und FOCUS-MONEY sich diesem Thema in den kommenden Monaten ausführlich in einer neuen gemeinsamen Serie und nennen sie genau so: „Neue Gründerzeit“. Los geht es in dieser Ausgabe mit einem Essay unseres Chefautors Thomas Tuma, der mit Geldgebern, Start-ups und Wissenschaftlern über das neue deutsche Wirtschaftswunder gesprochen hat. Er ist dabei unter anderem einer jungen Gründerin aus dem Medizinbereich begegnet, die sagt: „Wir streben die Weltherrschaft an – im guten Sinne.“ Ein neues Selbstbewusstsein, das uns voranbringen kann – gerade jetzt, wo so vieles im Wandel ist.

Um diesen Wandel geht es auch im ersten Teil der Serie bei unseren Kollegen von FOCUS-MONEY. Denn selbst alteingesessene Konzerne wie BMW müssen umdenken, wenn sie ihre Marktstellung behaupten wollen. Welcher Fortschritt und Gründergeist den Autokonzern treibt, lesen Sie ab 19. Januar in FOCUS-MONEY Heft 4.

Mit vielen Grüßen,

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Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

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