Wir haben sie dort hinausgeschickt
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Liebe/r Leser/in,

wer würde sagen wollen, dass es das wert gewesen sei? Sie starben bei einer Verkehrskontrolle, etwa um 4.20 Uhr auf der Kreisstraße 22 im Nordpfälzer Bergland. Stunden vor dem Morgengrauen hätten die beiden überall sein können. Vielleicht auf einer anderen Straße, mit der ersten Tasse Kaffee bei Kollegen auf der Wache oder daheim in ihren Betten. Egal, wo. Hauptsache, woanders.

Aber woanders waren sie eben nicht. Sie waren genau dort, wo sie gestorben sind. Weil sie ihren Job machten, weil sie ihrer Arbeit nachgingen, weil sie ihren Dienst verrichteten. Eine 24-jährige Polizeianwärterin und ein 29-jähriger Oberkommissar. Sie hatten einen Wagen angehalten und ließen sich von den beiden Männern, die in dem Fahrzeug saßen, die Papiere zeigen. Die Männer waren Wilderer. Sie waren bewaffnet. Sie erschossen die beiden Polizisten. Ja, ich weiß: Die Tat ist noch nicht aufgeklärt, die Verhafteten sind nicht verurteilt. Ihre Schuld steht nicht fest. Sie haben als Verdächtige zu gelten. Ihre Namen sind abzukürzen. Ihre Rechte sind zu beachten. Sätze, die den Hergang des Verbrechens beschreiben, sollten im Konjunktiv stehen. Ich verzichte auf den Konjunktiv. Nicht, weil ich vor einem Urteil urteilen will. Nicht, weil ich die Täter und ihre Rechte verachte. Ich würde sie wohl verachten, wenn sie mich interessieren würden. Auf der Kreisstraße 22 im Nordpfälzer Bergland starben im Dunkel des frühen Montagmorgens zwei Polizisten, weil sie dort Menschen begegneten, die für Morde keinen Anlass brauchten. Nur ihre Bosheit.

Wer würde sagen wollen, dass es das wert gewesen sei? In den öffentlichen Reaktionen auf das Verbrechen glaube ich jene Ohnmacht wiederzuerkennen, die auch mich erfasst hat. Wir werden daran erinnert, dass Gewalt gegen die Polizei zunimmt. Und dass die Beamten jeden Tag ihre Gesundheit und ihr Leben riskieren, um uns zu beschützen. Ich weiß. Aber was da draußen auf der Kreisstraße 22 geschah, lässt sich so nicht erklären, nicht einordnen. Lässt sich nicht fassen. Es war eine Verkehrskon­trolle. Zwei böse Menschen griffen zu ihren Waffen und töteten. Ohne Grund. Ohne Hemmung.

„Die schießen auf uns!“ Die letzten Worte des Oberkommissars, in das Funkgerät gerufen, hallen nach. Im ganzen Land und auch in meinem Kopf. Es wäre tröstlich, wenn sich diese Worte nur ein wenig umdeuten ließen. Wenn wir alle mit dem Wort „uns“ gemeint wären. Dann hätten die Schüsse uns allen gegolten. Dann hätten die beiden Polizisten uns alle verteidigt. Aber so war es nicht. Als der Oberkommissar „Die schießen auf uns!“ rief, meinte er sich und seine Kollegin. Die Schüsse galten ihnen. Wir konnten ihnen nicht helfen. Wir konnten sie nicht beschützen. Wir konnten sie vor dem Tod nicht bewahren.

Wir haben sie dort hinausgeschickt, auf die Kreisstraße 22. Damit sie ihren Dienst verrichteten. Ihren Dienst an einem Gemeinwesen, das auf Werten aufbaut und auf Regeln vertraut – und darauf setzt, dass sich Menschen finden lassen, die diesen Werten und Regeln Geltung verschaffen. Was so einfach klingt und in Wahrheit einfach unglaublich ist: Es gibt diese Menschen. Und sie entscheiden sich für diese Aufgabe, diesen Dienst, aus freien Stücken. Ich glaube deshalb nicht, dass Polizistinnen und Polizisten mit ihrem Einsatz unsere Werte und Regeln nur verteidigen. Sie schaffen diese Werte und Regeln. Weil sie sich für sie entschieden haben. So wie die beiden im Nordpfälzer Bergland ermordeten Polizisten. Wer würde sagen wollen, dass es das nicht wert gewesen sei?

Mit vielen Grüßen,

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Markus Krischer,
stellvertretender Chefredakteur FOCUS-Magazin

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