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Forscher fordern mehr Bewusstheit für unbeabsichtigte Effekte durch Gen-Editierung mit Crispr

 
CRISPR/Cas9: Wissenschaftliche Erkenntnisse an menschlichen Embryonen sind für Pflanzen und Nutztiere relevant. Bericht: Claire Robinson

Forscher haben herausgefunden, dass CRISPR-Cas9 Genom-Editierung (engl.: genome editing) zu unbeabsichtigten Mutationen (DNA-Schäden) an dem anvisierten Abschnitt der DNA in frühen menschlichen Embryonen* führen kann.

Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die Auswirkungen von CRISPR-Cas9 Genom- Editierung weiter zu erforschen, insbesondere wenn sie zur Bearbeitung menschlicher DNA in der Laborforschung eingesetzt wird.

Die Ergebnisse haben jedoch auch Relevanz für gen-editierte Pflanzen und Nutztiere. Doch die Befürworter der Deregulierung von Gen-Editierung bei Pflanzen und Nutztieren schweigen zu den möglichen Folgen, die wie üblich nur von Forschern im klinischen Bereich beleuchtet werden. Im Fall von gen-editierten Pflanzen könnten diese Folgen zur Produktion von neuen Toxinen, Allergenen oder erhöhten Werten bereits vorhandener Toxine oder Allergene führen.
In der neuen Studie, die in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Science (USA) veröffentlicht wurde, analysierten die Wissenschaftler retrospektiv Daten aus früheren Forschungen, in denen sie menschliche Embryonen während der ersten Tage der Entwicklung gen-editiert hatten.

Das Team fand heraus, dass es sich bei der Mehrheit der CRISPR/Cas9-induzierten Mutationen um kleine Insertionen (Einfügungen) oder Deletionen (Löschungen) handelte. In etwa 16 % der Proben gab es jedoch große unbeabsichtigte Mutationen, die mit herkömmlichen Screening-Methoden zur Bewertung von DNA-Veränderungen übersehen worden wären.

Beschränkungen von CRISPR

Professor Kathy Niakan, Gruppenleiterin des Human Embryo and Stem Cell Laboratory am Francis Crick Institute und Professorin für Reproduktionsphysiologie an der University of Cambridge und Seniorautorin der Studie, kommentierte: "Es ist wichtig, diese Ereignisse zu verstehen, wie sie zustande kommen und wie häufig sie sind, damit wir die aktuellen Grenzen der Technologie einschätzen und damit wir in Zukunft Strategien zur Verbesserung dieser Technologie entwickeln können, um solche Mutationen zu minimieren."

Gregorio Alanis-Lobato, Hauptautor und ehemaliger Postdoktorand im Human Embryo and Stem Cell Laboratory am Crick, sagte: "Konventionelle Tests, die zur Überprüfung der Genauigkeit von CRISPR-Cas9 verwendet werden, können die Arten von unbeabsichtigten On-Target-Mutationen (das sind Mutationen der DNA am Ziel-Ort der beabsichtigten Veränderung) übersehen, die wir in dieser Studie identifiziert haben. Es gibt noch so viel für uns über die Auswirkungen der CRISPR-Cas9-Technologie zu lernen, und während dieses wertvolle Werkzeug verfeinert wird, müssen wir alle Veränderungen gründlich untersuchen."

Die Forscher haben eine Open-Source-Rechenpipeline entwickelt, um zu identifizieren, ob CRISPR/Cas9 unbeabsichtigte On-Target-Mutationen verursacht hat, basierend auf verschiedenen Arten von Sequenzierungsdaten.

Chromosomen-Chaos

Die neu veröffentlichte Studie ist eine von drei wissenschafltichen Arbeiten, die bereits im Jahr 2020 auf der Pre-Print-Website bioRxiv veröffentlicht wurden Sie beschreiben größere unbeabsichtigte DNA-Schäden (Mutationen) an der beabsichtigten Gen-Editierstelle in menschlichen Embryonen, die mit dem CRISPR/Cas9-Werkzeug bearbeitet wurden. Dies führte dazu, dass ein Artikel in Nature News die Ergebnisse als "chromosomales Chaos" bezeichnete. GMWatch berichtete über die drei Studien und den Nature News Kommentar im Juli 2020.

Relevanz für Pflanzen

Die Mechanismen des Gen-Editierens und des anschließenden DNA-Reparaturprozesses durch die Zelle sind, was den "Edit" (die Editierung) darstellt, bei Pflanzen die gleichen wie bei Menschen und anderen Tieren. Es gibt also keinen Grund zu erwarten, dass gen-editierte Pflanzen frei von solchen genetischen Fehlern wären oder dass pflanzliche Gen-Editierung "präziser" sei als menschliches/tierische Gen-Editierung. In der Tat haben viele Studien solche Fehler bei Pflanzen und auch bei anderen Organismen dokumentiert.

Wie bei menschlicher Gen-Editierung sind jedoch die Screening-Methoden, die im Allgemeinen verwendet werden, um in editierten Pflanzen nach genetischen Fehlern zu suchen, unzureichend, was bedeutet, dass viele solcher Fehler übersehen wurden. Die meisten Studien über gen-editierte Pflanzen und Nutztiere verwenden Kurzstrecken-PCR und Short-Read-Gensequenzierung, um nach Fehlern zu suchen. Benötigt werden jedoch Langstrecken-PCR und Long-Read-Sequenzierung, die ein weitaus breiteres Spektrum an Fehlern aufspüren könnten. Die Verwendung von unzureichenden Screening-Methoden hat zu dem Trend beigetragen, dass Pflanzengen-Editoren falsche Behauptungen über die Präzision und Vorhersagbarkeit der Technologie aufstellen.

In einer wissenschaftlichen Übersichtsarbeit bestätigten Kawall und Kollegen, dass die "überwiegende Mehrheit" der Studien über gen-editierte Pflanzen unzureichende und voreingenommene Nachweismethoden zum Screening auf genetische Fehler verwendet, was bedeutet, dass sie viele solcher Fehler übersehen werden. Unter den Studien über gen-editierte Tiere enthielt keine eine gründliche Analyse von genetischen Fehlern.

Die von den Forschern der neuen Studie entwickelte Rechenpipeline könnte für die Analyse von Sequenzierdaten von gen-editierten Pflanzen und Nutztieren verwendet werden.

Die Arten von genetischen Fehlern sind bei Tieren und Pflanzen gleich, aber die Folgen können unterschiedlich sein

Während die Arten von genetischen Fehlern, die durch Gen-Editierung entstehen, bei Tieren (einschließlich Menschen) und Pflanzen gleich sind, können sich die Folgen der Fehler zwischen den biologischen Arten und Reichen deutlich unterscheiden. Zum Beispiel wird ein gen-editiertes Tier nicht giftig sein, da es sich sonst selbst vergiften würde. Aber Veränderungen in der Funktion mehrerer Gene, die versehentlich oder absichtlich durch Gen-Editierung in Pflanzen stattfinden können, könnten zu unbeabsichtigten und unvorhersehbaren Veränderungen in der Biochemie der Pflanze führen, einschließlich der Produktion von Toxinen oder Allergenen. Und da diese Qualität mit bloßem Auge nicht zu erkennen ist, ist es unwahrscheinlich, dass sie von Entwicklern entdeckt wird, es sei denn, Tests werden durch Vorschriften erzwungen.

Missbildungen können sowohl bei Pflanzen als auch bei Tieren auftreten, aber da viele solcher Effekte offensichtlich sind, können sie leichter aus dem Zuchtprogramm ausgesondert werden. Die Missbildungen und vorzeitigen Todesfälle, die während der Forschung und Entwicklung von gen-editierten Tieren auftreten können, werfen jedoch ernsthafte ethische und tierschutzrechtliche Bedenken auf.

Können genetische Fehler aus gen-editierten Pflanzen herausgezüchtet werden?

Pflanzengen-Editoren sagen oft, dass die genetischen Fehler, die durch Gen-Editierung entstehen, während der Entwicklung von gen-editierten Pflanzen herausgezüchtet werden, da es keinen Sinn macht, zu versuchen, eine Pflanze zu verkaufen, die nicht für den Zweck geeignet ist.

Beim Screening gentechnisch veränderter Pflanzen achten die Gen-Editoren jedoch nur auf den Erfolg oder Misserfolg der beabsichtigten Eigenschaft und darauf, ob die Pflanze gut wächst und eine akzeptable Leistung erbringt. Sie führen keine tiefgreifenden Analysen der Zusammensetzung durch, die als "omics"-Molekularprofile bekannt sind (zum Beispiel: die Proteomik, sie umfasst die Erforschung des Proteoms mit biochemischen Methoden. Das Proteom umfasst die Gesamtheit aller in einer Zelle oder einem Lebewesen unter definierten Bedingungen und zu einem definierten Zeitpunkt vorliegenden Proteine.), um nach unbeabsichtigten Toxinen und Allergenen oder veränderten Gehalten derselben zu suchen. Sie suchen auch nicht nach einer veränderten Zusammensetzung oder Wechselwirkungen mit der Umwelt, die sich auf die Tierwelt auswirken könnten. Wenn jemand behaupten möchte, dass diese Tests durchgeführt werden, dann muss er erklären, warum sie nicht in der von Experten begutachteten Literatur veröffentlicht werden.

Es ist möglich, einige der unbeabsichtigten genetischen Fehler durch Rückkreuzung mit normalen Pflanzen herauszuzüchten - aber es werden nicht alle Fehler eliminiert werden. Und es ist nicht einfach, die Konsequenzen der verbleibenden genetischen Fehler zu kennen, ohne weitere Untersuchungen, z.B. durch "Omics"-Analysen. Außerdem kann man keine genetischen Fehler herauszüchten, die mit dem Gen, dessen Veränderung von Interesse ist, verbunden sind, denn wenn man diese unbeabsichtigten Fehler herauszüchtet, verliert man auch die beabsichtigte genetische Veränderung.

Bei vegetativ vermehrten Pflanzen wie Kartoffeln, Bananen und Obstbäumen kann man genetische Fehler nicht herauszüchten, so dass alle genetischen Fehler, die in den verschiedenen Stadien des Gen-Editierung-Prozesses (Pflanzengewebekultur, genetische Transformation von Pflanzenzellen, Gen-Editierung) unweigerlich auftreten, bis in das endgültige, vermarktete Produkt bestehen bleiben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erkenntnisse bei menschlichen Embryonen auch für das Gene Editing bei Pflanzen und Nutztieren relevant sind. Forscher müssen sich dieser Tatsache stellen und angemessene Screening-Methoden und Analysewerkzeuge (einschließlich des in der neuen Publikation vorgestellten) einsetzen, um nach genetischen Fehlern in gen-editierten Organismen zu suchen. Und dann müssen sie weitere Forschung betreiben, um die möglichen Folgen zu untersuchen. Im Falle von Pflanzen bedeutet das "Omics"-Analysen und langfristige Fütterungsstudien.

Klar ist auch, dass man erst jetzt beginnt, die vollen Auswirkungen der Gen-Editierung-Methoden zu verstehen, und dass Behauptungen, Gen-Editierung sei so präzise, dass man es bei Tieren und Pflanzen gefahrlos einsetzen könne, durch eine schnell wachsende Zahl von Forschungsergebnissen nicht gestützt werden.

* In Großbritannien ist Gen-Editierung an menschlichen Embryonen reguliert und derzeit nur zu Forschungszwecken erlaubt. Die Forschung ist auf die ersten 14 Tage der Entwicklung beschränkt und die Embryonen dürfen nicht in eine Gebärmutter eingepflanzt werden. Auch Länder außerhalb Großbritanniens haben die 14-Tage-Regel übernommen. Sie wird jedoch von Wissenschaftlern in Frage gestellt, die diese Grenze ausweiten wollen.

Quelle des Kommentars zu der neuen Studie an menschlichen Embryonen: Francis Crick Institut
https://www.crick.ac.uk/news/2021-04-09_researchers-call-for-greater-awareness-of-unintended-consequences-of-crispr-gene-editing

Die neue Studie:
Alanis-Lobato, G., et al: Frequent loss-of-heterozygosity in CRISPR-Cas9-edited early human embryos. PNAS, April 2021. DOI: 10.1073/pnas.2004832117

--- Ende des Artikels

Daten des englischen Original-Artikels:
Titel: Researchers call for greater awareness of unintended consequences of crispr-gene-editing
Autor: Claire Robinnson
Datum: 13. April 2021
URL: https://gmwatch.org/en/news/latest-news/19756

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Drei Anmerkungen des Übersetzers zum Thema:

1)  In der Welt der Medizin häufen sich bereits Forschungs-Erkenntnisse über Unkontrollierbarkeit und unerwartete Effekte durch Gen-Editierungs-Methoden – siehe den prägnanten Artikel „Unerwartete Ergebnisse und Risiken“
https://gmwatch.org/en/news/news-languages/nachrichten-in-deutsch/19834

2)  Höchste deutsche und Europäische wissenschaftliche Institutionen, die bereits bekannt für ihre Bevorzugung eines Einsatzes von Gentechnischen Veränderten Organismen (GVO) für den Nahrungsmittelsektor sind, unternehmen große Anstrengungen, um den Beschluß des EuGH, dass alle GVO vollumfänglich auf Risiken untersucht und reguliert werden müssen, zu auszuhöhlen.

Die unabhängigen Wissenschaftlichen Gruppen ENSSER (European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility) und CSS (Critical Scientists Switzerland) haben 2021 einen wissenschaftlichen Bericht zur Regulierung des "Genome Editing" veröffentlicht.
Dieser Bericht kritisiert frühere Stellungnahmen der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und des European Academies Science Advisory Council (EASAC), indem er zeigt, dass diese Stellungnahmen nicht wissenschaftlich objektiv und ausgewogen sind und keinen Konsens in der wissenschaftlichen Gemeinschaft insgesamt darstellen:
Dieser Bericht trägt den Titel: "Wissenschaftliche Kritik der Leopoldina- und EASAC-Stellungnahmen zu genome-editierten Pflanzen in der EU"

Es gibt eine Zusammenfassung in Deutsch:
https://ensser.org/wp-content/uploads/2021/04/Greens-EFA-GMO-Study-DE-Executive-Summary-1.pdf    

sowie die gesamte Studie in Englisch bei:
https://ensser.org/wp-content/uploads/2021/04/Greens-EFA-GMO-Study-1.pdf

3)  Leopoldina und EASAC sperren sich nicht alleine dagegen, die Unwägbarkeiten und Risiken von GVO als Nahrungsmittel im vollen Umfang anzuerkennen.

Der US-amerikanische Verbraucheranwalt Steven Druker weist in seinem sorgfältig recherchierten Buch „Manipulierte Gene, Verdrehte Wahrheit“ die unverantwortlichen Machenschaften von Befürwortern gentechnisch veränderter Nahrung nach und deren Zusammenarbeit mit Grosskonzernen, Wissenschaft und Politik sowie mit den Medien – und er zeigt die bewusste Täuschung und den Betrug an der Bevölkerung auf.
Siehe für weitere Informationen diese Buchvorstellung bei:
https://gmwatch.org/en/news/news-languages/nachrichten-in-deutsch/19815
 
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Beaarbeitung des Artikels ins Deutsche durch die GenAG/attac-Bielefeld – Juni 2021

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