so weit wie in der Dystopie „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq ist es in Frankreich noch nicht gekommen. Es gibt keinen islamistischen Staatspräsidenten, der durch ein umfassendes Bündnis gegen den Rechtspopulismus an die Macht kommt und die Scharia samt Vielehe einführt. Aber tatsächlich gab es bei der vergangenen Parlamentswahl gewisse Entwicklungen, die an Houellebecq erinnern: Tatsächlich schmiedeten Parteien große Bündnisse, um die Rechtspopulisten zu verhindern. Hier wie dort feiern sich vermeintliche Verteidiger der Demokratie dafür, einem Feind der Freiheit an die Macht verholfen zu haben. Während bei Houellebecq ein lupenreiner Islamist siegreich aus dem Schatten der Brandmauer gelangt, gewann am Sonntag ein linker Antisemit namens Mélenchon die Wahl, der in seiner Israelfeindlichkeit nicht einmal den Kontakt zu Islamisten scheute. „Islamo-Gauchisme“ wird dieses ungleiche Bündnis der Linken („la gauche“) mit dem politischen Islam von seinen Kritikern in Frankreich genannt, über das mein Kollege Clemens Traub schreibt. In Deutschland übrigens gibt es dafür zwar (noch?) keinen prägnanten Begriff, aber das Phänomen existiert auch hierzulande. Die Präsidentschaftswahl in den USA rückt immer näher. Währenddessen wird den Eliten der Weltmacht und der Demokratischen Partei klar, was man lange nicht sehen wollte: Präsident Joe Biden, der wohl mächtigste Mensch der Welt, ist ein seniler Mann, dessen mentale und physische Kräfte unübersehbar geschwunden sind. Bis vor Kurzem, jedenfalls bis zum TV-Duell gegen Donald Trump, galt diese Feststellung unter sich selbst für rechtschaffen haltenden Politikern und Meinungsmachern zu beiden Seiten des Atlantik noch als üble Nachrede und Verschwörungstheorie. Nun wächst in der Demokratischen Partei die Panik, wie man den Greis, der zwar immer öfter die Orientierung, aber nicht den Willen zur Macht verliert, noch vor der Wahl im November ersetzen kann. Eine solche Abwahl ist für den Nominierungsparteitag eigentlich nicht einmal theoretisch vorgesehen, wie Hugo Müller-Vogg erklärt. Der soll nämlich eigentlich nur eine Krönungsmesse sein. Nun rächt sich der kollektive Illusionismus der Partei, deren Anhänger in den Vorwahlen weitestgehend geschlossen Biden wählten. Was sich in der Demokratischen Partei und dem Machtzentrum der Führungsmacht des Westens abspielt, ist ein Drama der fatalen Desillusionierung. Und mit jeden Tag, den man sich aus Angst vor dem Eingeständnis und dem Verlust des Gesichts vor dem Vollzug des notwendigen Aufstands gegen den Greis oder wohl vielmehr die hinter ihm Stehenden scheut, wird die Lage nur noch peinlicher. In Deutschland wird noch nicht so bald gewählt. Aber für Markus Söder macht der erweiterte Wahlkampf nie Pause. Wegen des Ampel-Desasters haben Unionspolitiker die Chance, neue Wähler auch dort zu gewinnen, wo sie bisher einen schweren Stand hatten. Dafür singt Söder bei „Inas Nacht“, und Friedrich Merz plaudert im „Hotel Matze“ über Persönliches. Mein Kollege Ben Krischke hat sich beide Auftritte angehört. Ihr Ferdinand Knauß, Redakteur |