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Liebe/r Leser/in,

Es gibt Tage, da sollte man in Anwesenheit von Kindern keine Nachrichten hören. Wir saßen beim Frühstück, als Putin endgültig zu uns nach Hause kam. Die Stimme im Radio hatte gerade gesagt, dass Russland selbstverständlich auf die Stationierung der Tomahawk-Raketen in Deutschland reagieren werde. „Wir haben schon bestimmte Ziele in Europa für unsere Raketen identifiziert. Die Hauptstädte dieser europäischen Länder gehören zu den potenziellen Opfern“, hatte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gesagt. „Meint dieser Mann Berlin?“, fragte die Tochter.

Ich fühlte mich schlagartig selbst wieder als Kind, das damals, vor mehr als 40 Jahren, bei meinen Eltern in Bonn von „Friedensdemo“ und „Pershing II“ gehört hatte. Schaut man in alten Zeitungen, um sich ein Bild über historische Analogien zu machen, findet man haufenweise Sätze, die heute mit derselben Gewissheit ausgesprochen werden könnten wie einst: „Unsere Sicherheit, der Schutz unserer Freiheit gebieten nunmehr, dass wir mit der Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen beginnen“, sagte Helmut Kohl am 21. November 1983. Frieden durch Abschreckung – damals ging die Strategie auf. Was aber, wenn die Analogie diesmal bei der Hoffnung endet, weil die Eskalationsdominanz immer beim Radikaleren liegt?

Immerhin 47 Prozent der Deutschen befürchten laut einer Forsa-Umfrage, dass mit den US-Marschflugkörpern die Gefahr für einen Konflikt mit Russland steige. Nur 17 Prozent glauben, ihr Leben werde sicherer. Besonders kritisch zeigen sich Anhänger von BSW und AfD. Vor allem im Osten.
 
Nun kann man finden, dass all die Menschen irren: weil Putin nicht bei der Ukraine stoppen wird. Weil Russland nuklearfähige Iskander-Raketen im nahen Kaliningrad unterhält. Weil der Kreml ankündigt, seine bisher reaktive Atomdoktrin zu überarbeiten – die Hardliner hätten sie gern aktiver. Dies alles sind Gründe, warum die Raketenstationierung vielleicht sogar als Coup des glücklosen Olaf gelten könnte. Doch nimmt er sich die Zeit, das zu erklären? Nein. Er sagt lieber: „Diese Entscheidung ist lange vorbereitet und für alle, die sich mit Sicherheits- und Friedenspolitik beschäftigen, keine wirkliche Überraschung.“ Und die Laien? Werden eben beim Frühstück von der Kreml-Drohung überrascht. 

Vielleicht hat man als Kanzler zwischen Washington, Lindner und Kabinett nicht im Kopf, dass schon in 44 Tagen in Sachsen und Thüringen gewählt wird. Dass die AfD in aktuellen Umfragen bei 30, das BSW bei 20 Prozent liegt. Aber ich sage mal so: Man muss politisch schon ziemlich tiefbegabt sein, wenn man nicht begreift, dass derart große kommunikative Schlaglöcher von Populisten sofort genutzt werden.In holprigen Zeiten funktioniert Politik immer entlang inszenierter Antagonismen: Frieden oder Krieg. Leben oder Tod. Wenn die Parteien der Mitte wollen, dass Menschen ihnen mehr trauen als den Sprengmeistern der Demokratie, müssen sie Zusammenhänge erklären. Das ist im Falle der Raketen nicht mal schwer, wie meine Kollegen ab Seite 28 beweisen. Doch Scholz, Merz & Co. bleiben nun nur noch wenige Wochen Zeit.

Herzlich Ihre

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Franziska Reich,
Chefredakteurin FOCUS-Magazin

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