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Liebe/r Leser/in,

Merz sagt: „Es reicht!“
Scholz sagt: „Sprücheklopfer.“
Merz sagt: „Nationale Notlage.“ 
Scholz sagt: „Interna
tionale Verträge.“

Wir erleben in diesen 
Tagen zwei Alphatiere, die von Verantwortung reden, während sie in Wahrheit um Deutungsmacht ringen.

Der eine: wütend und autoritär. Der andere: kraftlos und gelähmt. Der eine: zum Äußersten entschlossen, auch zur Konfrontation mit der EU. Der andere: in aufreizender Unnahbarkeit erstarrt. 

Merz treibt den Kanzler vor sich her. Scholz will den Emporkömmling loswerden. Mummenschanztage in Berlin. 

Im Moment der größten Not offenbart sich der Charakter. Diese Tage nach Solingen sind für die deutsche Politik ein solcher Moment – und es ist nicht schön, was wir da sehen: einen Kanzler, der seine Ohnmacht mit Arroganz kaschiert. Einen Oppositionsführer, der seinen Geltungsdrang kaum zügeln kann. Was ist wahr – 
und was strategisch? 

Steht Deutschland vor dem kollektiven Kollaps? Nein.
Erleben wir einen Kontrollverlust staatlicher Institutionen? Ja. 
Schweben wir auf jeder Parkbank in Gefahr? Nein.
Fürchten sich immer mehr Deutsche im öffentlichen Raum? Ja. 
Werden wir von Flüchtlingen überrannt? Nein. 
Haben wir ein Problem mit der Anzahl? Den Abschiebungen? In den Schulen? Mit Messer-Jungs, Mädchen-Angst und Talahons? Ja, ja, ja, ja, ja und ja.  

Der islamistische Terror ist zurück. Behörden versagen. Polizeien sind überfordert. Jeden Tag werden 38 Menschen bei einem Messerangriff verletzt.

Wir müssen uns schmerzhafte Fragen stellen. Nach Fehlern, Schuld und Versagen. Aber auch: nach Lösungen, die durchsetzbar sind. 

Verantwortungsvolle Politik nimmt das Machbare in den Blick. Was fehlt den Behörden, um auch am nächsten Tag beim Abschiebekandidaten zu klingeln? Was erhöht den Druck auf ihn, sich dem Gesetz nicht zu entziehen – Geld weg? Handy weg? 
Zimmer weg? Was fehlt den Institutionen – 
rechtlich, finanziell, personell, technisch –, 
um Migration zu kontrollieren und den Menschen das Vertrauen in die Ordnungs
kraft des Staates zurückzugeben?

Jochen Kopelke, Chef der Gewerkschaft der Polizei, hat den Autoren unserer Titelgeschichte 
geschildert, dass der Alltagsbetrieb kaum noch zu bezahlen sei. Wie soll die Bundes­polizei die Grenzen überwachen, wenn schon das Geld für den Treibstoff fehlt? Wie soll der Verfassungsschutz einen ­Islamisten enttarnen, wenn er weder ausreichend Technik noch Befugnisse hat?

Politiker sind groß darin, aus jeder Debatte einen Antagonismus zu stricken. Dein Unsinn ist mein Sinn. Deine Niederlage ist mein Sieg. Nach Solingen können wir uns diese Reflexe nicht mehr leisten. Es muss endlich ums Sowohl-als-auch gehen!

Einer priorisiert Messerverbote. Der Nächste Grenzkontrollen. Ein Dritter Vorratsdaten
speicherung. Der Vierte das Individual­recht auf Asyl.

Könnte man unter ­Demo
kraten nicht dazu übergehen, gute Absicht zu unterstellen anstatt Verrat? Den verrückten Gedanken zulassen, dass jede 
Idee ein Mosaikstein sein könnte im ­komplizierten Puzzle unserer Sicherheitsarchitektur?

Zuhören statt verdammen?

Herzlich Ihre

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Franziska Reich,
Chefredakteurin FOCUS-Magazin

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