Dabei waren ihnen Gesetze nur selten im Weg, denn sie beschritten Neuland und Vorschriften und Regelungen, die für das normale, das klassische Miteinander im Wirtschaftsleben geschaffen waren, griffen bei ihnen nicht. Das lag auch daran, dass Grenzen virtuell viel leichter zu überwinden sind, als auf physischem Weg und die Globalisierung auch zu einem Standortwettbewerb zwischen den einzelnen Staaten führte. Umsätze und Gewinne digital über Ländergrenzen hinweg zu verschieben und so der Erfassung und gegebenenfalls dem Zugriff einzelner Länderbehörden zu entziehen, erzeugen eben relativ wenig Aufwand. Im Ergebnis blieben Online-Businesses oft von Steuerlasten verschont, was ihnen einen großen Vorteil gegenüber der „Offline-Konkurrenz“ verschaffte. Im Falle von Plattformen und Online-Shops galt dies sogar lange Zeit für die dort agierenden Händler, denn wenn diese aus dem Ausland heraus operierten, waren die aufgelaufenen Steuerforderungen zumeist nicht beizubringen. Diese Hemmnisse wurden von den Staaten anfangs einfach ignoriert. Weil das Verständnis für die Problematik fehlte, weil einzelne Länder mit eigenen Regeln sich im internationalen Vergleich schnell einen Standort-Nachteil schufen und auch weil das Online-Geschäft volkswirtschaftlich nur einen kleinen Teil der Gesamtwarenströme ausmachte. Blickt man heute auf die großen und international agierenden Konzerne, stammen die meisten aus den USA und aus China. Vor allem China schützte seine Digital-Giganten jahrelang, indem ausländischen Unternehmen der Zugang zum chinesischen Markt verweigert wurde. Oft auf subtile Art, wo zwar theoretisch keine Hemmnisse vorlagen, aber die Behörden die nötigen Genehmigungen über Jahre hinweg verschleppten und so de facto blockierten. Die so frei von jeglichen Zwängen agierenden aufstrebenden Online-Stars nutzten ihre Möglichkeiten und fuhren immer schneller immer mehr Umsätze und Geld ein, das sie für eine rasante Expansion ihres Geschäfts verwendeten. Und diese hohen Wachstumsraten blieben nicht ohne Folgen, denn es bildeten sich nicht nur Quasi-Monopole heraus im virtuellen Bereich, sondern der Handel und die Gewohnheiten der Menschen verlagerten sich immer stärker ins Virtuelle: sie gingen online und wurden mobil. Die Folgen sind inzwischen überall spürbar. Immer mehr klassische Branchen leiden unter der Online-Konkurrenz und stehen mit dem Rücken zur Wand. Digitale Geschäftsmodelle sind schneller und anpassungsfähiger. Das merken auch Gesetzgeber und Regierungen. Sie haben längst die Kontrolle über diese Firmen verloren, die ihre enormen Cashflows schon lange nicht mehr nur zum Aufbau ihres Geschäfts nutzen, sondern immer öfter auch für gezielte Lobbyarbeit zu ihren Gunsten. Doch inzwischen regt sich Widerstand und massiert sich gegen die Tech-Giganten. In den USA, zuletzt aber auch besonders in China. Vor allem Alibaba und sein Chef Jack Ma bekamen das zu spüren und das schickte die Aktien auf Talfahrt. Anleger fürchten, dass politische und regulatorische Eingriffe negative Auswirkungen auf die künftigen Chancen des Unternehmens haben könnten. Und auch andere Technologie-Riesen geraten ins Fadenkreuz. Das eröffnet allerdings auch Chancen – für andere... Alibaba (ISIN: US01609W1027) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A117ME / BABA | 649 Mrd. USD | 28 / 24 / 19 | 232,73 USD |
Katzenjammer bei Chinas Big-Tech Operativ läuft es eigentlich ziemlich gut. China hat Corona besser und schneller weggesteckt als der Rest der Welt und Chinas Online-Giganten haben von Lockdowns, Home Office und Stay-at-Home massiv profitiert. Immer mehr Menschen kaufen online oder mobil ein, sie spielen online und sie bezahlen digital. Und während die Aktienkurse der US-Technologieriesen zuletzt Höchststände markierten, notieren Alibaba oder Tencent deutlich unter ihren Jahreshochs. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Es wird gerne übersehen, dass China kein freiheitliches Staatswesen hat, keine Demokratie ist mit Gewaltenteilung und Kontrolle durch das Volk und die Presse. China in eine Ein-Parteien-Diktatur und weder Bürger noch Unternehmen genießen die Freiheit, sich gegen staatliche Willkür vor unabhängigen Gerichten zur Wehr setzen zu können. Alibaba-Gründer Jack Ma hat das bereits mehrfach erlebt. Als er sich kritisch über die Kommunistische Partei Chinas äußerte, bekam er kräftig Druck und musste von seinen operativen Funktionen bei Alibaba zurücktreten. Es hätte (für ihn) auch schlimmer kommen können. In Russland landen kremlkritische Oligarchen schnell im Gefängnis oder sterben unter mysteriösen Umständen. Und in den USA? Der Privatkrieg zwischen Trump und Amazon-Gründer und -CEO Jeff Bezos ist zwar keineswegs ungefährlich für das Unternehmen, aber einfach per Federstrich konnte sich Trump seines Widersachers nicht entledigen. Bezos sitzt weiterhin fest im Sattel. In China hingegen spottete Jack Ma vor einigen Wochen über die chinesische Finanz-Aufsicht und über das Banken-System. Er geißelte es als rückständisch und den Anforderungen der modernen Welt nicht gewachsen. Das kam bei den Gescholtenen überhaupt nicht gut an. In China endet Meinungsfreiheit spätestens dort, wo man die Kommunistische Partei oder das System als Ganzes kritisiert. Und Mas Kritik traf die Verantwortlichen und provozierte eine Gegenwehr – wenige Stunden vor dem Börsengang von Ant Financial, dem Finanzarm der Alibaba Group. Wie es heißt, soll Staats-Chef Xi Jinping persönlich das Aus veranlasst haben. Und dieses wurde umgesetzt, indem die Finanz-Aufsicht kurzerhand neue Regelungen veröffentlichte, denen Ant Financial nicht gerecht werden konnte. Nicht, dass diese Regelungen bereits in Kraft oder gar Gesetzeslage wären, nein, es gibt sie bisher nur als Entwurf. Aber das reichte, um das Milliarden-IPO zu stoppen. Mit weitreichenden Folgen. In China haben die meisten Menschen kein Bankkonto. Aber ein Smartphone. Daher nutzen sie für Bankgeschäfte Apps und hier ist Ant Financial mit seinen Diensten Marktführer. Nicht nur beim mobilen Bezahlen, sondern es vereint Digital-Währungen, Künstliche Intelligenz und Machine Learning. Die Payment-Lösung AliPay ist inzwischen Standard und wird von 70 Prozent der Chinesen genutzt. Und das nicht nur auf der Plattform Alibaba, sondern bei allen Bezahlvorgängen, ob im Supermarkt, im Kino oder an der Tankstelle. Ant Financial und damit Alibaba kontrollieren rund 70 Prozent des chinesischen Markts, den Rest dominiert Tencent mit seinem Dienst WeChat und rund 24 Prozent Marktanteil. Doch hieran scheiterte der Börsengang nicht. Vielmehr hat man zum ersten Mal Einblick in die Bücher geben müssen und da haben Finanz-Aufsicht und Staatsführung wohl erstmals realisiert, was für einen Finanz-Koloss sie da haben entstehen lassen in den letzten Jahren. Alibaba hatte hier im Vorfeld durch die Umfirmierung von Ant Financial in Ant Group das Schlimmste verhindern wollen. Was nicht gelang. Denn AliPay ist längst nicht mehr die dominierende Sparte von Ant Financial, sondern es betreibt Finanz-Dienstleistungen und Kredit-Vergaben. Über seine Apps vermittelt Ant Kredite, indem man mit seinen digitalen Werkzeugen die Bonität der Kunden ermittelt und diese dann an eine Bank weitervermittelt. Dafür erhält man eine Provision. Auf diese Weise wurden bereits Kredite über 250 Milliarden US-Dollar vergeben und es ist ein einträgliches Geschäft für alle Beteiligten. Aber das Risiko fährt mit. Denn Ant selbst unterlegt nur 2 Prozent des Kreditvolumens mit Sicherheiten, das restliche Risiko im Falle eines Zahlungsausfalls tragen die Banken. Doch die haben die Kreditprüfung selbst nicht vorgenommen, sondern verlassen sich völlig auf die Prüfung von Ant. Kommt es nun verstärkt zu Zahlungs-Ausfällen bei den Kreditnehmern, geraten die Banken schnell ins Trudeln – und müssen dann durch den Staat gerettet werden. Wie während der Finanzkrise 2008/09 geschehen. Und aus dieser Zeit stammt auch der Begriff „systemrelevant“, der auch für Ant gilt, wie die Finanz-Aufsicht inzwischen erkannt hat. Deshalb sollen künftig bei „Mikro-Krediten“ anstelle von 2, ganze 30 Prozent mit Eigenkapital hinterlegt werden müssen. Das schafft für Ant natürlich völlig neue Geschäftsgrundlagen und torpediert eine der ertragsstärksten Säulen der Alibaba Group. Man wird künftig deutlich langsamer wachsen und weniger Geld verdienen – mit entsprechenden Folgen für den Wert der Ant Group und damit auch der Mutter Alibaba Group. Die Kursverluste der Alibaba-Aktien sind also nicht unberechtigt. Und es droht noch mehr Ungemach für Alibaba. Denn auch in China gehen die Behörden nun verschärft gegen die Ausnutzung der Monopol-Stellungen vor. Konkret wird Alibaba vorgeworfen, Händler zu drangsalieren. Wer auf der Handelsplattform Alibaba.com seine Waren anbiete, müsse sich verpflichten, diese nicht auf den Portalen von Konkurrenten anzubieten. So wird Wettbewerb verhindert und damit würden die Nutzer letztlich mit zu hohen Kosten belegt. So die offizielle Begründung. In Wahrheit hat Chinas Führung wohl erkannt, dass es nicht in ihrem Interesse ist, dass sich die Marktmacht auf ein oder zwei riesige Unternehmen beschränkt. Für die Wirtschaft ist es besser, wenn es eine Vielzahl von Unternehmen gibt, die im Wettbewerb stehen und so um Kunden buhlen. Das fördert Innovation und hält die Preise niedrig. Auch Tencent leidet Wer nun denkt, die WeChat-Mutter Tencent wäre der große Profiteur des Alibaba-Dilemmas, irrt sich wohl. Auch WeChat wird von den neuen Vorgaben der Finanz-Aufsicht negativ getroffen und Tencent ist auch nicht in der Position, die Rolle des „aufstrebenden Herausforderers“ von Alibaba zu übernehmen. Vielmehr ist man als weltgrößter Spiele-Produzent selbst schon ins Fadenkreuz staatlicher Eingriffe geraten und litt einige Zeit darunter, dass die Behörden einen Vergabestopp für neue Spiele-Lizenzen verhängt hatten. Auch wenn längst wieder Lizenzen vergeben werden, zeigt sich doch auch hier, wie schnell und willkürlich in China Eingriffe erfolgen und selbst Milliarden-Konzerne kurzerhand in die Knie zwingen können. Tencent Holdings Ltd. (ISIN: KYG875721634) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A1138D / NNND | 569 Mrd. EUR | 36 / 31 / 25 | 59,35 EUR |
JD.com als Alternative? Ein weiterer bekannter Player ist JD.com (JD steht für Jing Dong), die die gleichnamige und zweitgrößte Handels-Plattform Chinas betreibt. Auch JD.com spürt den neuen Druck, geht aber bereits alternative Wege. Das Unternehmen bringt Sparten und Töchter separat an die Börse; zuletzt seine Gesundheits-Sparte für rund 3,5 Milliarden US-Dollar. Und nun liebäugelt man auch damit, die Logistik-Sparte für etwa die gleiche Summe an den Markt zu bringen und darüber hinaus prüft man, seine Cloud- und KI-Sparte gegen Anteile an Jingdong Digits abzugeben, der eigenständigen Finanz-Sparte. JD.com ist in vielen Bereichen der Herausforderer der Giganten und daher weniger anfällig für staatliche Missbilligung. Aber dennoch ebenfalls schon so groß, dass man nicht unbehelligt bleibt. JD.com Inc. (ISIN: US47215P1066) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A112ST / JD | 101 Mrd. USD | 34 / 45 / 31 | 87,90 USD |
Oder lieber gleich Sea Limited? Eine echte Alternative ist Sea Limited, ein aufstrebendes Online-Unternehmen Asiens. Dabei ist der Name Programm, den SEA steht für SouthEastAsia. Das in Singapur beheimatete Unternehmen ist in Malaysia, Singapur, Thailand, Taiwan, Vietnam, den Philippinen und Indonesien tätig und in drei Segmenten aktiv: E-Commerce wird durch Shopee bedient, Garena bietet Digital Entertainment, wie Online-Gaming und E-Sports, und SeaMoney unterhält die Digital Financial Services. Die Cashcow des Unternehmens ist Garena, wo man unter anderem Spiele von Tencent vertreibt. Die beiden anderen Segmente, Shopee und Sea Money, verdienen noch kein Geld, aber sie wachsen rasant. Dabei hat Sea Ltd. gleich mehrere entscheidende Vorteile: Man ist kein chinesisches Unternehmen und erzielt in China auch nur vergleichsweise geringe Umsätze, so dass man den dortigen regulatorischen Hemmnissen kaum ausgesetzt ist. Und auch nicht unter den Auswirkungen des US-China-Handelskriegs zu leiden hat. Des Weiteren ist Sea also auch nicht davon betroffen, dass Indien den chinesischen Unternehmen das Leben immer schwerer macht, um zu verhindern, dass deren monopolistische Giganten die eigene aufstrebende Online-Wirtschaft niederwalzt. Sea Limited (ISIN: US81141R1005) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A2H5LX / SE | 101 Mrd. USD | neg. / neg. / neg. | 199,05 USD |
Mein Fazit: Schaut man auf die Charts, so kann Sea Ltd. besonders glänzen und hatte auch keine Einbußen zu verzeichnen, wie die China-Big-Techs. Für diese ist das Ungemach noch nicht vorbei; vielmehr droht eine länger anhaltende Phase der Unsicherheit, bis das neue Antimonopolgesetz verabschiedet und damit klar ist, welche Anforderungen die Unternehmen künftig zu erfüllen haben. Und was dieses an negativen Auswirkungen für ihr Business mit sich bringen wird. Denn von Verbesserungen oder Erleichterungen für die Großen ist wohl kaum auszugehen. Bis Klarheit herrscht, regiert die Unsicherheit. Und Unsicherheit ist seit jeher ein Feind steigender Kurse. Andererseits bietet dies auch immer wieder Gelegenheiten für günstige Einstiegskurse. Normalerweise. Doch aufgrund der neuen, heftigen Stoßrichtung der Staaten gegen die Big-Techs und ihre monopolartigen Marktstellungen könnte es sich als aussichtsreicher erweisen, auf ihre kleineren und agileren Wettbewerber zu setzen und so unterhalb des Radars zu jagen. Wie es die heutigen Big-Techs jahrelang auch taten und so erst zu den heutigen Titanen werden konnten. Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig, Value Investor und Betreiber des Blogs „iNTELLiGENT iNVESTiEREN“. | |
Hinweispflicht nach §34b WpHG: Der/die Verfasser ist/sind in ein oder mehreren der oben genannten Wertpapieren/Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels investiert: Sea Ltd., Alibaba (indirekt über Softbank Group), Tencent (indirekt über Prosus). Es können daher Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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