von wegen Zankapfel, das Gegenteil ist der Fall! Hätten Sie gedacht, dass die Erdgaspipeline Nord Stream 2 in Wahrheit kein höchst umstrittenes Geopolitikum ist, sondern in Wahrheit ein Projekt zur Völkerverständigung? Ehrlich gesagt, ich auch nicht. Aber unser Bundespräsident hat mich eines Besseren belehrt. Und zwar in seinem Interview mit der Rheinischen Post, worin er ohne alle Umschweife eine historisch-moralische Kausalität zwischen dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion und der von seinem alten Chef Gerhard Schröder protegierten Röhre herstellt. Jetzt sind wir dank dieser präsidialen Lektion in Geschichtsklitterei also wieder ein bisschen schlauer und harren erwartungsvoll der nächsten Unterrichtseinheit. Vielleicht so etwas in der Art wie: „80 Jahre Stalingrad – Warum Deutschland den Klimawandel stoppen muss!“
 

Apropos Klimawandel: Die Bundesrepublik versinkt ja derzeit im Schnee, zumindest nördlich gelegene Teile des Landes. Was natürlich eine weitere Katastrophe in diesem katastrophenreichen Mutanten-Jahr ist. Aus diesem Anlass wird mit heißem Atem das entsprechende Vokabular aus dem Schuppen geholt und sorgfältig auf Eis gestellt: Von „Schneemassen“ ist die Rede, wenn und wo der Schnee überhaupt nur liegenbleibt. In Bildunterschriften „kämpfen sich“ Fahrradfahrer durch den Schnee, obwohl sie einfach auf ihm fahren. „Sibirisch“ und „extrem“ sind bereits hohe einstellige Minusgrade – wo schon der Mittelgebirgs-Sauerländer in den 1980ern ganz anderes gewohnt war. Mein Kollege Jens Nordalm hat den Untergangsjargon kalt analysiert und kommt zu dem Ergebnis: Wetter liegt im Auge des Betrachters. „Was man auf der Südhalbkugel Regenzeit nennt, heißt in Großbritannien Sommer“, so Nordalm. Und ein Australier habe sich in London gewundert, als man dort über eine „Hitzewelle“ bei um die 30 Grad stöhnte: „Hitzewelle sei, wenn Tierkadaver die Straßen säumten.“
 

Genießen Sie den Winter und bleiben Sie am besten zuhause! Jetzt haben Sie ja dank des Wetters noch einen weiteren Grund dafür, die Wohnung nicht zu verlassen. Und wenn es daheim kuschelig warm ist, könnte das mit russischem Erdgas zu tun haben. Nastrovje und Druschba! Auf die deutsch-sowjetische Freundschaft!
 

Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur