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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Dienstag, 25.01.2022 | Verregnet bei max. 6°C. | ||
+ Passend zum heutigen Gegenteiltag herrscht in Berlin Chaos statt guter Krisenkommunikation + Bis Ende Februar ist die Schulpflicht ausgesetzt + Berliner Abgeordnetenhaus erhöht sich trotz Pandemie die Diäten + |
von Julius Betschka |
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Guten Morgen, heute ist Gegenteiltag. Oder gerade nicht? Wir werden uns heute wie immer nicht mit Berlin beschäftigen. Die Corona-Lage an Schulen interessiert uns nicht – und selbst die stolze Bundes-CDU ist sich heute nicht sicher, ob sie nun Sternekoch oder „Tellerwäscher des Zeitgeistes“ ist. Am Gegenteiltag wissen wir, je mehr wir wissen, um so mehr, wie viel wir wissen. Weil das höchst unsympathisch sein kann, versorgen ich Sie heute lieber mit Nicht-Wissen. Aber vielleicht ist auch das Gegenteil wahr – und es wird ein ganz normaler Tag. Sinnlos? Nicht am Gegenteiltag. | |||
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Kennen Sie das Antonym von guter Krisenkommunikation? Es lautet Chaos. Ein solches haben Amtsärzte, Bezirkspolitik und Bildungsverwaltung mit der Änderung der Quarantäne- und Test-Anweisungen an Berlins Schulen angerichtet (CP von gestern). Es ist eine organisierte Unzuständigkeit, die ratlos macht: Nach Checkpoint-Informationen wurde die Bildungsverwaltung am 17. Januar über den kommenden Schritt der Amtsärzte informiert. Dieser beruht auf einer Richtlinie des Robert-Koch-Instituts vom 14. Januar – das ist heute elf Tage her. Am vergangenen Donnerstag, 20. Januar, haben dann erste Bezirke die Schulen informiert – aber nicht alle. Die Bildungsverwaltung wiederum informierte darüber selbst weder die Gesundheitsverwaltung noch die Öffentlichkeit. Ergebnis: Die Quarantäne-Regelung der Amtsärzte widerspricht der aktuellen Corona-Verordnung, in jedem Bezirk gilt ein bisschen was anderes. Jugendstaatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) tappte selbst noch am Sonntag im Dunkeln und verkündete, an die Bildungsverwaltung sei kein Amtsarzt herangetreten. „Und dabei ist Abstimmung und geordnete Kommunikation aktuell so wichtig“, twitterte er. Spieglein, Spieglein… | |||
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An den Schulen sorgte diese Fehlkommunikation am Montag für: Chaos. Die Leitungen fühlten sich überrumpelt, schickten verzweifelte Elternbriefe. Drei Schreiben, drei Bezirke, drei komplett unterschiedliche Regeln: + „Liebe Eltern, zurzeit verändern sich die Verordnungen so schnell, dass es zu Missverständnissen kommen kann. Die Presse meldet ein Aussetzen der Quarantänepflicht für Kontaktpersonen. Diese muss jedoch erst in Verordnungen umgesetzt werden. Zurzeit gilt bei uns noch die Quarantänepflicht. Sie bekommen in diesem Fall ein „Verweisschreiben“ für den Arbeitgeber. Ein PCR-Test ist nicht mehr vorgesehen. (Grundschule in Moabit) + Liebe Eltern, die neue Test-to-stay-Strategie bedeutet für Sie: Bei positivem Schnelltest-Ergebnis wird das positive Kind nach Hause geschickt (…). Nach wie vor ist hier ein PCR-Test erforderlich. (…) Die engen Kontaktpersonen werden nicht in Quarantäne geschickt. (Schule in Zehlendorf) + Sehr geehrte Eltern, positiv getestete Schülerinnen und Schüler gehen in Quarantäne. Ein PCR-Test ist nicht mehr erforderlich. (…) Auf Anordnung des Gesundheitsamtes werden Kontaktpersonen nicht mehr in Quarantäne geschickt. (Grundschule in Reinickendorf) Eine wunderbare Vielfalt, ein echtes Berliner Multitesti. Eine Checkpoint-Leserin schreibt: „Das Wochenende haben wir damit verbracht, herauszufinden, was nun gilt. Auf der Webseite der Bildungsverwaltung wurde die Übersicht zur Quarantäne am 21.1.22 aktualisiert, wonach unser Kind in Quarantäne muss.“ Das ist übrigens der Tag, nachdem die ersten Bezirke die Schulen über die Abschaffung eben jener Kontaktpersonen-Quarantäne informiert hatten – und vier Tage nachdem die Bildungsverwaltung selbst darüber informiert wurde. Jahr zwei der Pandemie. | |||
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Ein Entlastungsventil hat Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) am Montag aber (doch noch) geöffnet: die Präsenzpflicht gilt ab heute bis Ende Februar nicht mehr. Eltern, die ihre Kinder aus Sorge zu Hause lassen wollen (oder es sich leisten können), können das ab jetzt tun. Damit passt Berlin seinen Kurs an Länder wie Brandenburg, Niedersachsen oder Hessen an. Für Busse und Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) – das Team Schulpflicht – ist es ein Kurswechsel. Doch in der überhitzten Schuldebatte nimmt nicht einmal das den Druck. Gleich meldet sich die UNICEF zu Wort: „Das Versprechen, Schulen zuletzt zu schließen, droht damit unterlaufen zu werden“, meint die Kinderschutzorganisation. Der Beitrag der Unicef zum Gegenteiltag? Um im Bild zu bleiben: Das Öffnen von Druckventilen bewahrt ja meist vor Überdruck, statt ihn zu erzeugen. Wie Berlins Schulen darauf reagierten, lesen Sie hier. | |||
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Reden ist Gold. Deshalb erklärt sich heute erstmals das komplette Pandemietriumvirat: Gemeinsam wollen Rathauschefin Giffey, Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) und Bildungssenatorin Busse nach der Senatssitzung die neue Corona-Politik erklären. Die Infektionsschutzverordnung soll nach Checkpoint-Informationen heute nicht geändert werden – in der kommenden Woche sollen die frisch gefassten Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz (dazu gleich) in Landesrecht übersetzt werden. Zwischendurch will auch das Parlament noch mitmachen: Am Mittwoch ist wegen des Schuldramas eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses geplant, am Freitag tagt der Bildungsausschuss außerplanmäßig. Frei nach dem Karl-Lauterbach-Motto: Erst handeln, dann drüber reden. | |||
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Sehr gesittet wird inzwischen bei den Ministerpräsidentenkonferenzen miteinander gesprochen. Seit Olaf Scholz die Ergebnisse danach wie ein langsam wirkendes Narkotikum in unsere Köpfe injiziert, ist jede Spannung gewichen. Wo Angela Merkel technisch und detailreich sprach, redet einen Scholz in einen gemütlichen Nachmittagsschlaf hinein. Die einzige Botschaft gestern: „Jetzt aber gilt erst mal: Kurs halten." Wenn nur einleuchtend erklärt würde, wie der ausschaut, Kapitän. Die wichtigsten Ergebnisse der Runde: + Kostenlose PCR-Tests sollen wie angekündigt für Risikogruppen und die Mitarbeiter im Gesundheitswesen rationiert werden. Alle anderen müssen für „den Gold-Standard“ zahlen. + Es braucht außer bei Risikogruppen und im Gesundheitswesen künftig keinen PCR-Test mehr, um ein positives Schnelltestergebnis zu bestätigen. Es reicht ein zweiter positiver Antigen-Test. + Die Kontaktnachverfolgung wird ebenfalls auf Risikogruppen begrenzt – etwa auf Corona-Ausbrüche in Pflegeheimen. Alle anderen sollen Kontakt selbst informieren oder die Corona-Warn-App nutzen. + Konkrete Öffnungsschritte sollen bei der nächsten Runde am 16. Februar besprochen werden – dann soll der Omikron-Scheitelpunkt erreicht sein. | |||
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