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Liebe/r Leser/in,

seit dieser Woche leben, wenn sich die Vereinten Nationen nicht verrechnet haben, acht Milliarden Menschen auf der Erde. Dahinter verbirgt sich eine wuchtige Realität, die spürbar wird, wenn man sich klarmacht, dass wir über eine Zahl mit neun Nullen reden: 8.000.000.000. Das sind 8000 Millionen Menschen oder 100-mal die Bevölkerung Deutschlands. Und jede halbe Sekunde kommt ein neuer Erdenbürger hinzu, während die Älteren dank besserer Medizin und Versorgung in vielen Teilen der Welt immer älter werden.

Um die alles sprengende Kraft dieser Dynamik zu begreifen, lohnt ein Blick zurück: Zur Geburt von Jesus von Nazareth gab es gerade einmal um die 300 Millionen Menschen. Bis zur ersten Mil­liarde dauerte es bis ins Jahr 1804, doch schon 1927 waren es zwei Milliarden, 1960 bereits drei Milliarden und nur 14 Jahre später vier Milliarden. 2011 wurde die Sieben-Milliarden-Grenze übersprungen, und seit vergangenem Dienstag leben nun mehr als acht Milliarden Menschen gleichzeitig auf unserem Planeten. Von 300 Millionen auf eine Milliarde dauerte es mehr als 1800 Jahre, von sieben auf acht Milliarden vergingen gerade einmal elf Jahre.

Laut Altem Testament erteilt Gott in der Genesis den Menschen die Order: „Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen.“ Den „Auftrag“ hat die Menschheit gründlich erledigt. Da können wir jetzt schon „mission accomplished“ melden; im Blick schon den neunmilliardsten Erdenbürger, der 2037 geboren wird. Doch schon lange herrscht in der Menschheit kein Jubel mehr über die eigene Vermehrung. Die bange Frage lautet vielmehr: Wie viele von uns hält das Ökosystem Erde aus?

Acht Milliarden Menschen, das sind acht Milliarden Träume, Wünsche und Sehnsüchte – nach Erfolg, nach Wohlstand, nach Mobilität, nach einem guten Leben. Ein gutes Leben gibt es aber nur auf einem gesunden Planeten.

Beim Klimaschutz geht es bekanntlich darum, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, gerechnet vom Beginn der Industrialisierung (1850–1900) bis zum Jahr 2100. Zur Erinnerung: 1850 lebten gerade einmal etwas mehr als eine Milliarde Menschen auf der Erde, 2100 werden es mindestens zehn Milliarden sein. Mich überrascht nicht, dass Wissenschaftler der University of Washington schon 2017 zu dem Ergebnis kamen, dass unter Berücksichtigung auch des Bevölkerungswachstums die Wahrscheinlichkeit, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, bei nur einem Prozent liegt. Selbst drei Grad seien wahrscheinlicher als zwei Grad, aber auch fünf Grad seien möglich.

Was ich damit sagen will: Die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad bei einer Verzehnfachung der Erdbevölkerung kann man vergessen. Auch der Expertenrat der Bundesregierung für Klimafragen glaubt nicht daran, dass Deutschland es schafft, bis 2030 den Ausstoß an Treibhausgasen um 65 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Denn dafür sei in der Industrie eine zehnfache und beim Verkehr eine vierzehnfache Minderung der Treibhausgase pro Jahr erforderlich. Das wird schon deshalb schwierig, weil wir gerade verstärkt Kohlekraftwerke ans Netz bringen, um das fehlende Erdgas aus Russland auszugleichen. Nach einer Studie des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) wird für das Ziel der Klimaneutralität der Bedarf der Branche an grünem Strom in den kommenden rund zehn Jahren auf 628 Terawattstunden steigen. Zum Vergleich: Das wäre mehr als der derzeitige gesamte deutsche Stromverbrauch!

Nur zur Klarheit: Dies ist kein Plädoyer gegen Umwelt- und Klimaschutz, im Gegenteil. Aber es ist ein entschiedenes Plädoyer für realistische Ziele und mehr Realpolitik im Umwelt- und Klimaschutz. Es hat aus meiner Sicht keinen Sinn, wenn jede Bundesregierung immer strengere Grenzwerte und immer engere Zeitpläne für deren Umsetzung unabhängig von allen Gegebenheiten beschließt. Diese Politik aus dem deutschen Wolkenkuckucksheim bringt uns beim Klimaschutz nicht weiter. Klimaschutzpläne ohne China und Indien schützen nur Parteiprogramme, aber nicht das Weltklima. Und wir brauchen Antworten darauf, dass das seit gut einem Jahrhundert steile Bevölkerungswachstum in den kommenden Jahrzehnten nicht zu stoppen sein wird. Die vielleicht bitterste Konsequenz lautet: Wir sollten uns darauf vorbereiten, dass die Erderwärmung nicht überoptimistischen Modellen folgt.

Bei aller Ungewissheit über kommende Entwicklungen bin ich mir einer Sache gewiss: Nicht Mega-Planungen aus den Schubladen politischer Parteien oder Regierungen werden den Klimawandel steuern, sondern der menschliche Erfindungs- und Unternehmergeist sowie unsere kollektive Vernunft. Entschieden wichtiger als Aktivisten sind Ingenieure, wenn unsere Erde acht, neun oder sogar zehn Milliarden Menschen verkraften soll.

Herzlich Ihr

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Robert Schneider,
Chefredakteur FOCUS-Magazin

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