Es kann also nicht verwundern, wenn in der Chemie-Branche eher Tristesse herrscht und Unternehmen ihre Prognosen nur schwer erfüllen können. Oder auch mal kräftig verfehlen. Das ist zuletzt einer Reihe Unternehmen passiert und fand nun mit BASF seinen – vorerst – traurigen Höhepunkt. Doch es allein auf die Konjunktur zu schieben, ist deutlich zu kurz gesprungen, denn die Probleme gehen deutlich tiefer. Weltmarktführer BASF Die Ludwigshafener sind dem Umsatz nach das größte Chemie-Unternehmen der Welt und eines der größten Unternehmen in Deutschland. Der Konzern ist in 80 Ländern tätig und beschäftigt rund 110.000 Mitarbeiter. Im DAX hat BASF mit seiner Marktkapitalisierung von rund 42,4 Mrd. Euro eine Gewichtung von 2,8%. Chemie ist ein sehr konjunktursensibles Geschäft und BASF hängt zudem stark von der Automobil-Industrie ab. Dabei ist Chemie noch vor der Automobil-Industrie der wichtigste Wirtschaftszweig Deutschlands – oder war. Denn seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs und der damit einhergehenden Explosion bei den Energiekosten steht ein nicht unerheblicher Teil der Produktion still – und es gibt immer weniger Hoffnung, dass sich dies bald wieder ändert. Oder überhaupt. BASF gliedert sein Business in 6 Segmente: Das Herzstück von BASF ist das Segment Chemicals, das für 18% des Umsatzes steht. Es beliefert auch die übrigen Segmente des Konzerns mit Basis-Chemikalien und Zwischenprodukten für Arzneimittel, Kunststoffe oder Pflanzenschutzmittel. Im Segment Materials, das rund 20% des Umsatzes einspielt, werden moderne Werkstoffe und deren Vorprodukte hergestellt. Darunter fallen Produkte für neue Anwendungen und Systeme, wie Polyamide, anorganische Grundprodukte oder Isocyanate. Kunden dieses Segments sind die Kunststoff-, Automobil- und die Bau-Branche. Das Segment Industrial Solutions mit 12% Umsatzanteil entwickelt und vermarktet Inhalts- und Zusatzstoffe für industrielle Anwendungen. Hauptabnehmer der Produkte wie Pigmente, Harze, Elektromaterialien und Additive sind neben der Automobil-Industrie auch die Kunststoff- und Elektro-Industrie. Das Segment Surface Technologies steuert inzwischen über 30% zum Umsatz bei und wurde in den letzten Jahren sukzessive deutlich ausgebaut. Dieser Bereich umfasst chemische Lösungen für Oberflächen. Im Produkt-Portfolio sind Lacke, Katalysatoren und Batterie-Materialien für die Automobil- und chemische Industrie. Die Katalysatoren werden als Fahrzeug- und Prozesskatalysatoren verwendet. BASF will hier zu einem führenden und innovativen Anbieter von Batterie-Materialien aufsteigen und auch das Thema Recycling wird im Bereich Batterien immer stärker zum Zukunftsthema. Das Segment Nutrition & Care bringt 8% Umsatzanteil auf die Waage. Zu den Kunden zählen Nahrungs- und Futtermittelhersteller, sowie Hersteller von Kosmetik- und Reinigungsmittel. Das Segment Agricultural Solutions trägt etwa 11% zum Umsatz bei. Die Produktpalette dieses Segments besteht aus Herbiziden, Insektiziden, Fungiziden sowie Vitaminen und Säuren. Die Sparte wurde durch die Übernahme des Saatgut- und Pflanzenschutzmittelgeschäfts von Bayer für 7,6 Mrd. Euro kräftig vergrößert, die Bayer infolge der Monsanto-Übernahme verkaufen musste. Zumindest für BASF hat sich dieses Übernahme-Fiasko also positiv ausgezahlt. Wintershall DEA unter Feuer Und dann gab es früher noch das Segment Öl & Gas, das aber unter dem Namen Wintershall DEA vom Konzern abgespalten wurde. Dennoch belastet die Tochter die BASF-Bilanz. Anfang des Jahres sah sich der Öl- und Gas-Konzern Wintershall DEA zum Rückzug aus seinem Geschäft in Russland gezwungen. Für den Mutterkonzern BASF bedeutete das einen Milliardenverlust. Unter dem Strich verbuchte BASF für das Geschäftsjahr 2022 einen Fehlbetrag von rund 1,4 Mrd. Euro, der hauptsächlich auf Abschreibungen auf Wintershall DEA in Höhe von 7,3 Mrd. Euro zurückging. Allein im 4. Quartal 2022 musste BASF 5,4 Mrd. Euro wegen der Entkonsolidierung der russischen Explorations- und Produktionsaktivitäten seiner Tochter abschreiben. Die einstige Ertragsperle des Konzerns ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Und doch nur eines von vielen Problemen im BASF-Konzern. Drastische Umsatz- und Gewinnwarnung Die vorläufigen Zahlen für das 2. Quartal 2023 zeigen einen deutlichen Umsatzrückgang von einem Viertel auf 17,3 Mrd. Euro im Vergleich zum Vorjahreswert. Grund waren insgesamt deutlich niedrigere Preise und Mengen zusammen mit negativen Währungseffekten. Der Gewinn brach auf 499 Mio. Euro ein, während BASF vor einem Jahr noch gut 2 Mrd. Euro verdient hatte. Für 2023 peilt BASF nun nur noch einen Umsatz zwischen 73 und 76 Mrd. Euro an, nach bisher geplanten 84 bis 87 Mrd. Im Vorjahr betrugen die Erlöse noch 87,3 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis (bereinigtes EBIT) soll nur noch mit 4,0 bis 4,4 Mrd. Euro durchs Ziel gehen statt bisher geplanter 4,8 bis 5,4 Mrd. Euro. Auch dieses Ziel war schon ein erheblicher Rückgang gegenüber dem Vorjahreswert von 6,9 Mrd. Euro. Zudem läge BASF umsatzmäßig damit auf dem Niveau der Jahre 2012 bis 2015 – allerdings hat man damals ein EBIT zwischen 6,5 und 8,1 Mrd. eingefahren und damit wesentlich mehr verdient als nun noch möglich scheint. Hieran zeigt die große und zunehmende Abwärtsdynamik! Deindustrialisierung Deutschlands Schenkt man ifo-Chef Clemens Fürst Glauben, ist die befürchtete Deindustrialisierung in Deutschland bereits voll im Gange. Vor allem die teuren Energiekosten und hohe Steuern würden Schlüsselindustrien wie die Automobil- und die Chemie-Branche vertreiben. Die Automobil-Industrie schrumpfe bereits seit mehreren Jahren, „ihre Produktion entspricht heute nur noch etwa zwei Dritteln des Niveaus von 2018“, bemängelt Fürst. Mehr Bürokratie, hohe Unternehmenssteuern und der in Zukunft noch größere Mangel an Fachkräften sprächen gegen Deutschland. Und mit Subventionen ließen sich Standortschwächen nicht ausgleichen, warnt der Ökonom. Weitere Problemzonen Die starke Entwicklung im Vorjahr hat viele in falscher Sicherheit gewiegt und BASF-Chef Martin Brudermüller steht nicht alleine im Regen. Inzwischen leeren sich in der chemischen Industrie die Auftragsbücher mit beängstigender Geschwindigkeit. Auch Lanxess, Evonik, DSM, Croda und Clariant haben ihre Prognosen einkassieren müssen. Evonik-Chef Christian Kullmann beklagte in diesem Zusammenhang: „Derart schwache Absatzmengen haben wir lange nicht erlebt, über solch einen langen Zeitraum vielleicht noch nie“. Fast alle großen Abnehmerbranchen haben Probleme, weil die Inflation die Laune in der Konsumgüterindustrie drückt, die Bau-Industrie unter hohen Materialpreisen und wegbrechenden Aufträgen leidet und selbst in der noch gut laufenden Auto-Industrie sich die pessimistischen Erwartungen bereits in der Einkaufsstrategie niederschlagen. Zusätzlich kommt die Konjunktur in China nicht in die Gänge, dem mit Abstand größten Chemikalienmarkt der Welt. Und die deutschen Autohersteller geraten „im Reich der Mitte“ ebenfalls immer stärker unter Druck und belasten mit ihrer Nachfrageschwäche auch indirekt BASF. Produktionsverlagerung ins Ausland BASF und sein norwegischer Konkurrent Yara prüfen nun den Bau einer gemeinsamen Ammoniak-Anlage an der amerikanischen Golfküste. Diese Meldung hat Geschmäckle, denn BASF hatte seine Ammoniak-Produktion am Stammsitz Ludwigshafen erst kürzlich geschlossen und dafür sogar Mitarbeiter entlassen. In Deutschland sei damit einfach kein Geld mehr zu verdienen, da die Gas-Preise schlicht zu hoch seien. Im Februar stellte der der Chemie-Gigant weltweit 2.600 Mitarbeiter frei. BASF (ISIN: DE000BASF111) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 23/24e/25e | Kurs | BASF11 / BAS | 40,8 Mrd. EUR | 12 / 10 / 9 | 45,50 EUR |
Mangelhafte Kapitalallokation Mit 45 Euro liegt der Aktienkurs auf dem Niveau von 2007. Also vor der Globalen Finanzkrise, vor der Corona-Pandemie und vor der Zinswende. Die globale Wirtschaftsleistung ist jedoch 15 Jahre später trotz aller Probleme deutlich höher und BASF als das weltweit führende Chemie-Unternehmen sollte dem entsprechend wesentlich besser dastehen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Allein in den letzten 3 Jahren hat BASF kumuliert 9,3 Mrd. Euro an Free Cash Flow erwirtschaftet. Gleichzeitig wurden allerdings 9,1 Mrd. Euro an Dividenden ausgeschüttet und weitere 1,3 Mrd. Euro für Aktienrückkäufe ausgegeben. Der gesamte zur Verfügung stehende Free Cashflow, und sogar noch etwas mehr, wurde also „verbraten“. Nun sind Aktienrückkäufe eine gute Sache und wertsteigernd – wenn das Geld nicht im Unternehmen gebraucht und sinnvoll(er) verwendet werden kann. Angesichts der enormen Herausforderungen, mit denen BASF seit Jahren und auch heute und morgen konfrontiert ist, hätte es ganz offensichtlich bessere Verwendungsmöglichkeiten gegeben und damit hat der Vorstand um Martin Brudermüller hier keinen guten Job gemacht. Für Aktionäre zählt am Ende die Gesamtrendite aus Dividenden und Kursentwicklung. Und die ist bei BASF mangelhaft bis ungenügend. Bezieht man noch die Geldentwertung durch Inflation mit ein, hätte es haufenweise attraktivere Möglichkeiten gegeben, sein Geld loszuwerden als es in BASF-Aktien anzulegen. Unser Fazit Rund um den Corona-Einbruch herum, Anfang und Ende 2020 stand der Aktienkurs bei 68 Euro. Jetzt sind es 45 Euro und damit ein Drittel weniger. Und das Unternehmen steht mit dem Rücken zur Wand und muss sich aus der Defensive heraus seiner Wettbewerber erwehren. Von denen kommen nicht wenige aus den USA, wo die Unternehmenssteuern und die Energiekosten niedriger sind und große staatliche Fördermittel bereitstehen für ansiedlungswillige Unternehmen. Der Schmerz wird nicht geringer. Nicht für BASF und nicht für seine Aktionäre. Viele der großen Unwägbarkeiten haben nicht nur BASF getroffen, sondern auch die Wettbewerber. Und doch stehen diese zumeist besser da, insbesondere die US-Firmen. BASF hat bisher nicht die richtigen Antworten auf die enormen Herausforderungen gefunden. Und wie die jüngste Umsatz- und Gewinnimplosion zeigt, ist das kein Ausrutscher, sondern das Playbook eines schon länger anhaltenden Niedergangs. Der Aktienkurs zeichnet dieses Bild leider korrekt nach. Die Hoffnung „es wird schon werden“ reicht als Investmentcase nicht aus. BASF war viele Jahre lang ein Underperformer und hat das Zeug dazu, dies zur Tradition zu machen. So traurig dieses Fazit auch ist...
Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig. | |
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