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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Donnerstag, 19.05.2022 | Heiß und trocken bei bis zu 31°C. | ||
+ Franziska Giffey hat ein Image-Dilemma + Beim Zensus 2022 häufen sich die Pannen + Das Abgeordnetenhaus unternimmt keine Stasi-Überprüfung mehr + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, wir blicken wie an jeden Tag zunächst auf die Ereignisse der vergangenen Stunden beim Krieg in der Ukraine: +++ Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bereitet die Bevölkerung seines von Russland angegriffenen Landes auf einen längeren Krieg vor. +++ Russische Truppen haben nach Kiewer Angaben von russischem Staatsgebiet aus die nordostukrainischen Gebiete Sumy und Tschernihiw beschossen. +++ Die ukrainische Armee hat nach eigenen Angaben einen weiteren Gebietsgewinn bei der ostukrainischen Metropole Charkiw gemacht. In unserem Tagesspiegel-Newsblog informieren wir Sie rund um die Uhr über die Entwicklungen in dem Krieg. | |||
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Zu den Themen aus Berlin: Genau heute vor einem Jahr trat Franziska Giffey als Familienministerin zurück – noch bevor die FU ihr nach einer zweiten Prüfung der Arbeit den Doktortitel wieder entzog. Für unseren Podcast „Berliner & Pfannkuchen“ haben wir die Medienberaterin und Perfomance Coach Julia Binsack gefragt, wie Giffey es geschafft hat, sich erfolgreich aus der Affäre zu ziehen – und ihre politische Karriere mit der Kandidatur zum Amt der Regierenden Bürgermeisterin fortzusetzen, im Gegensatz etwa zu Guttenberg, Schavan und Spiegel. Die entscheidenden Punkte der gelungene Krisenkommunikation aus ihrer Sicht: + Giffey stellte sich als handelnde Akteurin dar. + Sie hat nichts vertuscht. + Sie nutzte in der Krise ihren Ruf als Macherin. + Und sie beherzigte die wichtigste Affären-Erkenntnis: „Wer schweigt, täuscht, sich wegduckt, Verantwortung nicht übernimmt oder gar auf Mitleid setzt und sich als Opfer zeigt, muss die politische Bühne ganz verlassen.“ Giffey hatte lange um den Titel gekämpft, aber im letzten Moment losgelassen und die Flucht nach vorne angetreten: „Wer ich bin und was ich kann, ist nicht abhängig von diesem Titel. Was mich als Mensch ausmacht, liegt nicht in diesem akademischen Grad begründet.“ Ihr Motto: Hinfall, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen. Mundwinkel hoch, Lächeln. Geweint wird woanders. Und welches Bild vermittelt Giffey heute? Bei näherer Betrachtung: ein zwiespältiges. Einerseits duckt sie sich weiter nicht weg – sie tritt auch dann auf, wenn es wehtut: z.B. bei der DGB-Demo zum 1. Mai, wo sie mit Eiern beworfen wurde; oder bei Forschungs- und Hochschulveranstaltungen, wo Akademiker sie schon mal mit vornehmer Herablassung missachten. Die FU teilte uns jedenfalls mit, der „Fall Giffey“ habe nicht nur am Otto-Suhr-Institut, sondern an der ganzen Uni zu einer „zusätzlichen Aufmerksamkeit und Sensibilisierung für das Thema Plagiate und Gute Wissenschaftliche Praxis geführt“. Wir haben die Senatskanzlei nach solchen Wissenschaftsterminen gefragt, hier eine Auswahl: Festakt 150 Jahre ASH, Gründung eines Zentrums für Gen- und Zelltherapie mit der Charité, zwei, drei Grußworte bei ähnlichen Gelegenheiten in den kommenden Wochen und Monaten. Andererseits gehen solche Termine im sonstigen Gute-Laune-Blitzlichtgewitter weitgehend unter: Seit dem Amtsantritt gab es 360 Posts auf ihrem Instagram-Account, darunter viele fröhliche Bilder. Eine Lasagne wurde von ihren Followern besonders wohlwollend kommentiert. Lediglich 2 Beiträge hatten einen Hochschulbezug – obwohl die Koalition Berlin in ihrem Vertrag doch als Wissenschaftshauptstadt mit Strahlkraft und weltweiter Bedeutung feiert. Dazwischen immer wieder: Viel Wollen und Wünschen, viele Ankündigungen und Behauptungen, viel Stolz und Repräsentanz, und das auf so vielen Bühnen wie möglich. Aber dagegen stehen eben auch nur mäßige Umfragewerte: Lediglich 40 Prozent sind mit Giffeys Arbeit zufrieden oder sehr zufrieden, 47 Prozent sind es weniger oder gar nicht. Und so ist der Eindruck der Medienberaterin Julia Binsack nur im ersten Moment verblüffend – sie sagt: „Ihr Image als jemand, der sich kümmert, als Macherin, die volksnah ist, die die Sorgen und Ängste der Menschen versteht, das fällt ihr gerade etwas auf die Füße. Sie ist da im Moment nicht sonderlich präsent. Sie kann ihr Image als Macherin nicht ausspielen.“ | |||
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Wie dringend notwendig der „Zensus 2022“ (unter Kaiser Augustus „Volkszählung“, unter Kanzler Kohl „Volksbefragung“) für die Statistiker ist, zeigen die Fehler in ihren Fragebögen – offenbar wissen die gar nichts. Da das Amt telefonisch kaum zu erreichen ist (dauerbesetzt), wenden sich viele Betroffene an den Checkpoint. Hier drei Beispiele: Leserin A wurde gefragt, ob Sie Eigentümerin eines Hauses sei, das sich zwei Kilometer entfernt von ihr befindet – mit dem sie aber noch nie etwas zu tun hatte („nicht im Entferntesten“). Sie sagt: „Bei den Fragen war nahezu nichts korrekt.“ Bei Leser B führte die Online-Anmeldung mit Zugangsnummer und Aktivierungscode zu einer komplett falschen Adresse. Leserin C beklagt sich über „völlig missverständliche Formulierungen“ – da beim Amt niemand antwortete, schrieb sie einfach irgendwas rein. Bei Leser D kam auch Post an für den Vater (2020 verstorben) und für den Großvater (1969 verstorben) – jetzt fragt er sich, welchen Wert die Befragung bei so einer Basis überhaupt hat. Wir haben das Statistische Bundesamt gefragt, wie das alles sein kann, hier die Antwort (Auszug): „Die Angaben zu den angeschriebenen Personen der Gebäude- und Wohnungszählung stammen generell aus verschiedenen Quellen der öffentlichen Verwaltung. Dazu gehören zum Beispiel Grundsteuerstellen oder Vermessungsämter. Da diese Stellen vielfältige Aufgaben erfüllen, kann es unter Umständen einige Zeit in Anspruch nehmen, bis Änderungen oder Aktualisierungen vorgenommen werden können.” Und das Gleiche haben wir dann auch noch mal das bei uns zuständige Amt für Statistik Berlin-Brandenburg gefragt – die Antwort hier: Die Daten der Angeschriebenen stammen „aus den Ver- und Entsorgungsunternehmen sowie aus dem Amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystem.“ Für einen Abgleich von Daten mit dem Sterberegister „existiert keine gesetzliche Grundlage“ und „die persönlichen Angaben der Befragten müssen streng geheim gehalten werden“. So dürften zwar Daten von den Einwohnermeldeämtern übermittelt werden, aber „nicht zurückfließen“. Das klingt jedenfalls alles sehr nach Überschwemmung. | |||
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Vergangene Woche war ich im Delphi bei der Vorpremiere von „Leander Haußmanns Stasikomödie“. Am Ausgang traf ich einen ziemlich aufgebrachten Philipp Lengsfeld – der Ex-CDU-MdB schimpfte los: „Ich koche vor Wut!“ Für ihn ist der Film, der heute offiziell startet, keine Komödie, sondern eine „reine Denunziation“ der Künstler-Szene in Prenzlauer Berg und „der letztlich hilflose Versuch einer Umdeutung der Geschichte“. Andere amüsierten sich prächtig, und wieder andere sind erkennbar durch mit dem Thema. Das gilt auch für das Abgeordnetenhaus – jahrzehntelang wurden die neuen Parlamentarier auf mögliche Stasi-Verstrickungen gecheckt, doch in dieser Legislaturperiode hat sich das offenbar erledigt, man könnte auch sagen: vergessen. Hier die offizielle Bestätigung auf unsere Anfrage: „Das Parlament hat in dieser Legislaturperiode keinen Ehrenrat eingerichtet. Folglich hat es auch keine Regelabfrage gegeben. In der Vergangenheit waren immer alle gewählten Abgeordneten überprüft worden.“ Tempi passati. Schauen wir uns kurz die Statistik an: 25 von 147 Abgeordneten sind älter als 54, waren also zur Wende mindestens 22 Jahre alt. Von denen wiederum sind 5 neu im Amt. Mathematisch ist das eine kleine Größe, aber menschlich: unberechenbar. | |||
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