Ein Land am Limit
Auch in Israel zwingt die Coronavirus-Krise die Verantwortlichen zu drastischen Maßnahmen. Denn das Gesundheitssystem des Landes könnte schnell an seine Grenzen geraten…
Von Ralf Balke
Irgendwie ist die Nachricht wohl falsch verstanden worden. Als auf Anordnung der Regierung das öffentliche Leben still gelegt wurde und die Verantwortlichen die Israelis dazu aufgefordert hatten, bis auf weiteres in die Corona-Ferien zu gehen, füllten sich dieser Tage erst einmal Strände und Naturparks – schließlich schien die Sonne und der vergangene Winter war ja hart und lang genug. „Das ist kein Kinderspiel“, erklärte daraufhin Benjamin Netanyahu in einer eigens einberufenen Pressekonferenz. „Auch haben wir keine vorzeitigen Sommerferien. Es handelt sich um eine Sache von Leben und Tod“, so ein sichtlich erboster Ministerpräsident. „Wenn Sie nicht zur Arbeit müssen, dann bleiben Sie daheim! Ich nehme an, die meisten von Ihnen kennen die englische Redewendung >My home is my castle<. Bitte beherzigen Sie diese in unserem Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie…..Bleiben Sie zuhause!“ Der komplette Shutdown ist eigentlich nur noch eine Frage von Stunden oder maximal Tagen. Gilad Erdan, Minister für die öffentliche Sicherheit, hat bereits erklärt, dass die Polizeikräfte entsprechend vorbereitet seien und bezeichnete diesen Schritt als wohl „unvermeidlich“.
Grund, sich in den eigenen vier Wänden einzuigeln, gibt es in der Tat! Rund fünf Wochen, nachdem der erste Corona-Infizierte in Israel entdeckt wurde, scheinen die Zahlen jetzt sprunghaft anzusteigen. So vermeldeten die Gesundheitsbehörden am Mittwochmorgen den 427. Fall – am Abend zuvor waren es noch 90 weniger. 236 davon sind aktuell in stationärer Behandlung, den Zustand von fünf dieser Patienten beschreiben die Ärzte als kritisch. Tote gab es bis dato noch nicht zu beklagen. Das klingt erst einmal recht moderat im internationalen Vergleich. Ganz Israel mit seinen neun Millionen Einwohnern hat demzufolge rund 40 Infizierte mehr als Berlin mit seinen 3,7 Millionen. Doch alle Experten warnen, dass sich die Situation schlagartig ändern kann und die Krankenhäuser dann mit einem Ansturm konfrontiert werden, der alle Beteiligten schnell an ihre Kapazitätsgrenzen bringt. „Es könnten sehr bald viele hundert neue Patienten an einem Tag werden“, so Moshe Bar Siman-Tov, zuständiger Generaldirektor im Gesundheitsministerium. „Vielleicht werden es sogar noch mehr“, warnte er. Und dann wird es wohl sehr eng.
Denn Israels Gesundheitswesen hat gleich mit zwei Problemen zu kämpfen und beide sind definitiv hausgemacht. Da ist zum einen die politische Dauerkrise. Weil es seit nunmehr einem Jahr keine richtige Regierung gibt, konnte auch kein neues Budget für das laufende Jahr 2020 verabschiedet werden. Seit Monaten bereits wurschtelte man sich so irgendwie durch. Langfristige Planungen sowie wichtige Neuanschaffungen aber wurden zu einer Sache der Unmöglichkeit und so manches Krankenhaus weiß nicht mehr, wie es alle seine Rechnungen bezahlen soll. Zum anderen hatte man das System schlichtweg kaputt gespart – auch das kein Einzelfall. Nur hat es in Israel eben andere Dimensionen angenommen. --> Weiter AUßERDEM AKTUELL:
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