Liebe Frau Do, vor 24 Stunden habe ich Sie an dieser Stelle über die Morde im hessischen Hanau informiert, aber die näheren Hintergründe waren noch unklar. Das ist nicht mehr so, Sie haben die Entwicklung sicher verfolgt. Ich habe mir ein Video und ein Pamphlet des Täters angesehen, in denen sich eine Mischung aus Verschwörungstheorien, Verfolgungswahn und Ausländerhass findet. Es ist für mich keine Frage, dass es sich um einen rassistischen Terrorakt handelt. Rechte Kampfbegriffe haben in dem Mann einen Resonanzraum erzeugt, aber das allein erklärt seine Taten nicht. Bestürzend ist, dass die Ressentiments, die ihn offenbar antrieben, in den Alltagsgesprächen vieler Menschen auftauchen: der Hass auf den angeblichen Mainstream, der Zorn auf die Medien, das Misstrauen in staatliche Institutionen und, ja, auch der Rassismus. Es ist eine krude Mischung, aber keineswegs eine exklusive. Die Trauer, die Anteilnahme sind notwendig, aber ich habe in meinem Kommentar trotzdem versucht, den Blick zu weiten. Mich beschäftigt, wie wir in dieser zerrissenen Gesellschaft wieder zu einem gemeinsamen Wertekanon zurückfinden. Wenn Sie mehr über diese Mischung von Wahnvorstellungen und Ressentiments von Tobias R. erfahren wollen, kann ich Ihnen den Text unseres Berliner Chefreporters Gregor Mayntz empfehlen. Außerdem haben wir zahlreiche Prominente, von Fortuna-Vorstandschef Thomas Röttgermann über Integrationsstaatssekretärin Serap Güler bis zum ehemaligen Fußballnationalspieler Gerald Asamoah um Stellungnahmen gebeten, die Sie hier finden. Gestern wurde im Rheinland Altweiber gefeiert, auch am Sitz der Rheinischen Post in Düsseldorf. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kamen kostümiert: als Astronauten, Piraten und Zombies, sogar eine Barbie in einer überdimensionalen Pappschachtel war dabei. Dazu gab es Partymusik und Chili con carne. Im zweiten Stock arbeitete unterdessen unsere Redaktion an der Berichterstattung über Hanau. Es war ein seltsamer Widerspruch, aber er gehört zum Leben. Karneval, so viel habe ich inzwischen gelernt, ist ein fröhliches, weltoffenes, liberales, tolerantes Fest. Ich halte es für einen völlig falschen Impuls, nun alles absagen zu wollen. Die schönsten Bilder von Altweiber finden Sie hier. Lassen Sie uns über einen weiteren Widerspruch reden. Elektroautos gelten als ein Versuch, den Individualverkehr emissionsfrei zu gestalten. Gut, man kann darüber streiten, ob sie bei dem aktuellen Strom-Mix in Deutschland ökologisch Sinn machen, denn letztlich werden sie überwiegend mit Kohlestrom angetrieben. Dass aber der Bau eines geplanten Tesla-Werks bei Berlin von Umweltschützern blockiert wird, kann ich nicht verstehen. Unsere Wirtschaftschefin Dr. Antje Höning beschreibt den Konflikt, der am Abend eine weitere Wendung nahm: Das Oberverwaltungsgericht Berlin gab die Rodung wieder frei. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag! Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |