Führt der Handelskonflikt zu einem Kurseinbruch an den Börsen? Liebe Leser, eine der bemerkenswertesten Entwicklungen an den Börsen in diesem Jahr ist die Underperformance des DAX. Mit anderen Worten: Der Deutsche Aktienindex hat sich nicht nur deutlich schwächer entwickelt als sein Pendant in den USA, der Dow Jones Industrial, sondern auch schlechter als viele andere Aktienindizes. So waren u.a. der japanische Nikkei 225, der französische CAC 40 und der britische FTSE 100 im Jahr 2018 besser als der DAX: Auto-Aktien ziehen den DAX nach unten Dafür gibt es sicher auch hausgemachte Gründe. Zum Beispiel befinden sich die für die deutsche Wirtschaft so wichtigen Autokonzerne seit dem Dieselbetrug unter Dauerbeschuss. Bisher waren die Gewinnausweise noch sehr gut, aber in den letzten Monaten mussten die Prognosen vielfach gekürzt werden. Wegen ihrer hohen Gewichtung im DAX – den Autozulieferer Continental rechne ich da durchaus dazu – zieht das den Index mit nach unten. Aber es gibt auch belastende Entwicklungen, die die deutschen Unternehmen nicht beeinflussen können. Denn was in guten Zeiten eine der großen Stärken der deutschen Industrieunternehmen ist – nämlich die große internationale Vernetzung – machte sie in den letzten Monaten besonders anfällig. Von Gewinnern der Globalisierung zu Verlierern? Deutsche Unternehmen waren in den letzten Jahren besonders erfolgreich darin, die Chancen der Globalisierung zu nutzen und haben weltweit Lieferketten und Kundenbeziehungen aufgebaut. Die Drohung des US-Präsidenten mit Zöllen, speziell auch für deutsche Autoimporte, sowie der eskalierende Handelsstreit der USA mit China belasten daher den deutschen Aktienmarkt überdurchschnittlich. Die USA und China sind für viele großen Industriekonzerne aus Deutschland die beiden wichtigsten Märkte, nicht selten wichtiger als der Heimatmarkt selbst. Die mittelgroßen und kleinen Unternehmen, die in MDAX, SDAX und TecDAX notiert sind, sind dagegen stärker auf den deutschen Markt fokussiert. Und die Konjunktur in Deutschland ist dank einer starken Inlandsnachfrage und eines leer gefegten Arbeitsmarkts weiterhin robust. Die Nebenwerte-Indizes entwickelten sich daher besser als der DAX: Exporte und Investitionen leiden unter dem Handelsstreit Doch inzwischen zeigt die deutsche Konjunktur Bremsspuren, sprich die Wachstumsdynamik lässt nach. Und zwar vor allem weil die Exportaktivitäten schwächer werden und viele Unternehmen wegen der Unsicherheit, die nicht nur von der Politik Donald Trumps ausgeht, sondern auch vom Brexit, neue Investitionen zurückstellen. Nimmt der Protektionismus – sprich die Erhöhung von Zöllen und anderen Handelsschranken – weiter zu und droht dadurch ein Ende des langen Aufschwungs der deutschen Wirtschaft oder sogar eine Rezession? Das halte für unwahrscheinlich, denn der US-Präsident sorgt mit seinen lautstarken Drohungen zwar für große Unsicherheit, doch von einem weltweiten Handelskrieg und einer neuen Phase des Protektionismus zu sprechen, wie es mancherorts gerne geschieht, ist übertrieben. Besonders falsch wird es, wenn dann noch Parallelen zur Weltwirtschaftskrise ab 1929 gezogen werden, als sich die Länder wirklich alle abschotteten und so die Krise verstärkten. Damals konzentrierte sich jedes Land auf sich und versuchte allein seine Probleme zu lösen. Heute ist das anders. Bisher reagieren die Regierungen auf den Handelskonflikt zwischen China und den USA und auf die Drohungen Donald Trumps nämlich sogar mit der Intensivierung von Handelsbeziehungen und der Senkung von Zollschranken. Das Ziel: Man will neue Märkte eröffnen, wenn der Handel mit den USA schwieriger werden sollte. Die EU und China reagieren mit Zollsenkungen So ist die von Donald Trump herausgeforderte Europäische Union fleißig dabei Freihandelsabkommen zu schließen, z.B. mit Japan, aber auch mit anderen Ländern. Der Druck aus Washington hat den bereits länger laufenden Verhandlungen einen Schub gegeben. Selbst die USA und China erhöhen zwar die gegenseitigen Zollschranken, erleichtern aber teils den Handel mit anderen Regionen. Dass die USA nach zähen Verhandlungen mit Mexiko und Kanada in dieser Woche doch ein Nachfolge-Abkommen zum Nafta-Vertrag geschlossen haben, ist dafür ein Beispiel. Donald Trump kann also auch an multilateralen Verträgen festhalten und will offenbar nicht alles zerschlagen. Auch Chinas Premierminister Li Keqiang hat mehrfach bekräftigt, die Wirtschaft weiter zu öffnen. Das geschieht auch, allerdings langsamer als sich das viele im Ausland wünschen. Immerhin wurde konkret angekündigt, im Oktober die Zölle für viele Handelspartner Chinas weiter zu senken. Schon im Juli hat Peking viele Zölle reduziert. Handelsstreit USA versus China bleibt das Hauptproblem Bisher sieht also keine der großen Handelsnationen ihr Heil in der Abschottung der eigenen Märkte. Allerdings – und das will ich auch nicht verschweigen – sollte man nicht auf eine schnelle Lösung des Handelskonflikts zwischen den USA und China setzen. Dass Donald Trump den Nafta-Vertrag erneuert hat, kann auch das Ziel haben, sich den Rücken für eine weitere Eskalation im Streit mit China freizuhalten. Die Belastungen gerade für den deutschen Aktienmarkt sind daher keineswegs ausgestanden. Aber von einem abnehmenden Welthandel auszugehen, nach dem Motto: "Es wird alles immer schlimmer...", ist aus meiner Sicht ebenfalls falsch. Es gibt durchaus positive Entwicklungen wie die Reduzierung von Handelsschranken zwischen vielen Regionen. Es ist nicht alles schlecht Sollte der Handelsstreit zwischen den USA und China einmal beigelegt und die gegenseitigen Zölle wieder heruntergefahren werden, dann könnten die Wachstumsbedingungen für die Weltwirtschaft sogar besser sein als vorher. Diese Interpretation würde Donald Trump sicher gefallen. Aber man muss dem entgegnen, dass durch das Infragestellen aller internationalen Verträge auch eine immense Verunsicherung entstanden ist – und die dämpft weltweit die Investitionstätigkeit der Unternehmen.
Mein Fazit Die Furcht vor wachsendem Protektionismus ist kein Grund der Aktienanlage den Rücken zu kehren. Politische Entwicklungen zu beobachten, ist natürlich wichtig, aber man sollte sie auch nicht überbewerten. Entscheidend sind die Lage der Wirtschaft und die Zukunftsaussichten der jeweiligen Unternehmen, in die man investieren möchte. Und in dieser Hinsicht sieht es gar nicht so schlecht aus.
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