Was sind die Folgen und wie geht es weiter? Liebe Leser, zuerst waren es nur Streitpunkte, dann wurde es zum Konflikt und jetzt sprechen viele schon von einem Handelskrieg zwischen den USA und China. Am letzten Freitag hat Donald Trump den Reigen eröffnet und für 800 chinesische Waren mit einem Importwert von 50 Milliarden US-Dollar einen Strafzoll von 25% verhängt. Als Begründung nennt er "unfaire Praktiken" Chinas bei der Aneignung von Technologie und Know-how aus den USA. Es schaukelt sich hoch Die chinesische Regierung hat bereits am Wochenende verkündet mit gleicher Münze zurückzuzahlen und hat seinerseits höhere Zölle für US-Waren angekündigt. Die im Mai gemachten Zusagen, mehr US-Produkte kaufen zu wollen, wurden zurückgezogen. Doch Donald Trump sieht sich im Recht und findet die durchaus vorhersehbare Reaktion geradezu empörend. Am Montagabend hat er verkündet, mit einer weiteren Zollerhöhung um 10% für Produkte im Wert von 200 Mrd. USD zu antworten. Peking wieder hat bekannt gegeben, entsprechend zu reagieren – ohne allerdings bisher konkrete Maßnahmen genannt zu haben. Die Aktienmärkte fallen Egal wie man zu Donald Trump im Allgemeinen steht, mit seinen Vorwürfen in Richtung China hat er Recht. Über Verletzungen von Urheberrechten und Patentschutz und über das Erschweren von Direktinvestitionen in China beklagen sich alle westlichen Handelspartner seit vielen Jahren. Ob es dem US-Präsidenten auf diese Weise gelingt, Peking zu einer Änderung seiner Industriepolitik zu bewegen, ist allerdings fraglich. Ganz sicher verbreitet der sich zuspitzende Konflikt große Sorgen an den Märkten. Die Kurse an den Aktienmärkten weltweit gingen nach unten, speziell auch am chinesischen Aktienmarkt, wie der Aktienindex der Börse in Shanghai zeigt: Der Shanghai Composite Index ist auf den tiefsten Stand seit Juni 2016 gefallen. Reaktionen an den Märkten Aber auch in den USA, in Europa und in den meisten anderen Ländern werden die Aktienmärkte von dem Handelskonflikt belastet. Auf der anderen Seite sind scheinbar sichere Anlagen wie Staatsanleihen aus den USA und aus Deutschland gefragt. Auch am Devisenmarkt gab es heftige Reaktionen: Gerade Währungen von relativ kleinen Ländern, die auf einen funktionierenden Weltmarkt angewiesen sind, wie die Schwedische Krone oder der Australische Dollar, verloren an Wert, während vor allem der Yen gefragt war. Der Yen als Fluchtwährung Die japanische Währung reagiert immer dann mit einer Aufwertung, wenn an den Märkten das Risiko zunimmt. Die Japaner sind die Gläubiger der ganzen Welt. Das macht die Währung so stabil und als Absicherung gefragt. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hat mehrere Fondsmanager und Anlagestrategen befragt, wie sie auf den eskalierenden Handelskrieg reagieren und fast alle haben geantwortet, dass sie zur Absicherung ihrer Risiken (zum Hedgen) Yen kaufen. Auch US-Staatsanleihen dürften zunehmend gefragt sein, aber die Profis sichern sich vor allem über den Devisenmarkt ab. Das sollten Sie als Privatanleger aber nicht tun, selbst wenn Sie dazu in der Lage sind. Eine Absicherung ist teuer und lohnt sich nur bei sehr großen Anlagebeträgen. Vor allem sollten Sie jetzt Ruhe bewahren. Denn alle Experten sagten auch, dass sie die Weltkonjunktur aktuell nicht gefährdet sehen. Das ist auch meine Meinung. Einer spricht sogar von einem "Shakespeare-Markt" mit viel Theaterdonner, der wenig bedeutet. Das ist vielleicht etwas zu sorglos, aber von Angst und Panik sind die Märkte weit entfernt, was sich auch daran zeigt, dass Gold als Krisenwährung bisher nicht gefragt ist. Was sind die Kosten? Die Kosten – vor allem die indirekten Kosten – des Handelskonflikts sind in der Tat schwer abzuschätzen. Das liegt vor allem daran, dass die Zölle – wenn sie denn bestehen bleiben – zu einem kompletten Umdenken bei den Unternehmen führen werden. Bestehende Lieferketten werden zerstört. Es müssen neue Investitionspläne aufgestellt werden, mit ungewissen Folgen. Volkswirtschaftliche Studien gehen allerdings davon aus, dass die direkten Kosten nicht allzu hoch sind. Selbst wenn die USA tatsächlich für China-Importe im Wert von 200 Mrd. USD die Zölle anheben, wird dadurch das Wachstum in China voraussichtlich nur um etwa 0,3 Prozent verringert. In den USA dürften die Folgen noch bescheidener sein. Auf die Weltwirtschaft bezogen bewegen sich die Kosten der gegenseitigen Handelsschranken aktuell im Bereich von 0,15% der Wirtschaftsleistung. Das klingt wenig und ist es global gesehen auch. Zudem hat speziell China die Möglichkeit konjunkturell gegenzusteuern und z.B. die Zinsen zu senken und die Staatsausgaben zu erhöhen, um negative Folgen abzufedern. Das größere Problem sind die indirekten Kosten durch die Verunsicherung der Unternehmen und das erwähnte Zerschneiden von Lieferketten. Wer gewinnt? Rein was das Volumen der Exporte betrifft, können die USA China tatsächlich mehr weh tun als umgekehrt, denn während die USA chinesische Produkte im Wert von 500 Mrd. USD pro Jahr einführen, betragen die US-Importe nach China nur 130 Mrd. USD. Aber Peking hat noch andere Waffen im Arsenal (wenn wir die Kriegsmetapher weiter strapazieren wollen). So könnte es z.B. zu einem Verbraucherboykott gegenüber US-Produkten kommen. Das ist nicht aus der Luft gegriffen, denn die Chinesen reagieren aus historischen Gründen sehr empfindlich auf Erpressungsversuche aus dem Ausland. Doch die stärkste Waffe Chinas ist: Die Zukunft. Trotz aller Probleme bleibt China der aussichtsreichste und attraktivste Zukunftsmarkt für ausländische Unternehmen, auch aus den USA. Donald Trump befürchtet zwar zu Recht einen Technologietransfer aus den USA nach China, aber die Investitionen von US-Unternehmen in China sind sehr viel umfangreicher als umgekehrt. Peking kann die USA empfindlich treffen, wenn es seine Unternehmen von diesem Wachstumsmarkt abschneidet. Die USA da treffen, wo es weh tut China ist zwar ökonomisch verwundbarer durch die Zölle, aber die US-Regierung ist größerem politischen Druck von Interessensgruppen ausgesetzt. Die Handelsbeschränkungen Chinas treffen u.a. landwirtschaftliche Produkte und die Landwirte sind eine der größten Unterstützergruppen Trumps. Schon Mexiko hat bei seinen Gegenmaßnahmen die Landwirtschaft aufs Korn genommen. Der Preis für Sojabohnen – eines der wichtigsten Exportprodukte der USA – ist bereits auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren gefallen. Schon vor dem Handelsstreit zeichnete sich in den USA für das Jahr 2018 ein Einkommensrückgang bei den Landwirten ab, dieser dürfte sich nun noch verstärken. Die Landwirte der USA müssen um ihre Einnahmen bangen, nicht nur bei Sojabohnen. Wie geht es weiter? Das weiß niemand. Jetzt dauert es erst einmal, bis die neuen als Gegenmaßnahme angekündigten Zölle der USA in Kraft treten können. Bis dahin kann – und wird hoffentlich – verhandelt werden. Es wird zwar immer kolportiert, die Unberechenbarkeit gehöre bei Trump zur Verhandlungsstrategie und letztlich sei er an einem Deal interessiert, aber Politik funktioniert nicht wie ein Immobiliengeschäft. Peking wird keinen „Deal“ akzeptieren, der mit einem Gesichtsverlust verbunden ist, denn obwohl Chinas Regierung fest im Sattel sitzt, wären die politischen Kosten dafür zu hoch. Bisher sieht es daher nach weiterer Eskalation aus. Der US-Präsident kann – trotz des Drucks der eigenen Unternehmen und Interessensverbände – schon deshalb nicht zurückweichen, weil im November Wahlen anstehen. Die eigene Klientel erwartet Stärke, egal was es ökonomisch kostet. Spätestens am 30. Juni dürfte aber die Schraube im Handelskonflikt noch weitergedreht werden, denn dann will Donald Trump die Restriktionen für chinesische Direktinvestitionen verkünden. Peking wird vermutlich entsprechend reagieren. Mein Fazit Der Begriff Handelskrieg ist mir eigentlich zu martialisch und auch im historischen Kontext nicht wirklich gerechtfertigt. Frühere Handelskriege waren sehr viel rücksichtsloser. Derzeit geht es eher um gegenseitige Erpressung: Washington testet aus, inwieweit es Peking durch ökonomischen Druck zu Zugeständnissen bringen kann. Immer noch ist aber beiden Seiten bewusst, dass sie auf die gegenseitigen Handelsbeziehungen angewiesen sind. Die Krise ist bedenklich und wird auch noch länger auf die Aktienkurse drücken. Die um sich greifende Verunsicherung bei den Unternehmen wird sich schon in der zweiten Jahreshälfte negativ auf die Wirtschaftsdaten auswirken, auch in Europa. Doch die Weltkonjunktur ist robust genug, das ohne Rezession zu überstehen. Vorausgesetzt die USA und China treiben ihren Konflikt nicht bis zum Äußersten, doch davon gehe ich nicht aus. Wegen kurzfristiger politischer Entwicklungen oder wegen "Tweets" sollten Sie keine Umschichtungen in Ihren Depots vornehmen. Schon morgen kann ja alles wieder ganz anders aussehen. Wichtig ist, dass Sie Ihre Anlagen gut streuen und Ihr Depot so gegen Rückschläge wappnen. Durch den Kursrückgang an den Börsen könnten sich sogar gute Einstiegsgelegenheiten ergeben – auch und gerade am chinesischen Aktienmarkt. |