Am Mittwochabend wartete ich am Zürcher Hauptbahnhof auf die S-Bahn. Die meisten Leute blickten wie immer auf ihre Handys, ein Mann telefonierte. Was ich unfreiwillig mithören musste, war kaum zu fassen. Mit einem offenbar Gleichgesinnten sprach der Mann über «die Juden». Die seien schuld am Krieg. Er bezeichnet sie als «Pack» und sagte Sätze, die nicht zitierbar sind.
Antisemitismus im öffentlichen Raum, mitten in Zürich, am 1. November 2023. Leider kein Einzelfall. In Küsnacht ZH entdeckte eine Redaktionskollegin ebenfalls diese Woche Hakenkreuz-Graffiti und üble Parolen. Die Meldestelle für Antisemitismus hat seit dem 7. Oktober, als die Hamas ihre Massaker gegen die Israeli ausübte, 50 Vorfälle erfasst: Hass-Mails, Briefe mit Drohungen und Holocaust-Beschwörungen – aber auch vier Tätlichkeiten.
Unsere Redaktion hat mit Jüdinnen und Juden gesprochen, und es zeigt sich ein schockierendes Bild: Viele von ihnen fühlen sich nicht mehr sicher. Es ist unfassbar: Schweizer Staatsangehörige müssen Übergriffe fürchten, einfach darum, weil sie jüdischer Herkunft sind. Das dürfen wir nicht zulassen. Sie brauchen unsere Solidarität. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine wehten auch in der Schweiz viele blau-gelben Flaggen. Jetzt müssen wir die Israel-Fahne hissen.
Gute Lektüre und ein schönes Wochenende.
Patrik Müller, Chefredaktor
Für Sie zusammengestellt von Yannick Nock, Leiter Online.
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3. Der alltägliche Sadismus lauert in jedem von uns. Wie er mit der Täter-Opfer-Umkehr zusammenhängt und weshalb wir alle zu diesem sogenannten Victim Blaming tendieren.