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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Mittwoch, 26.08.2020 | Regnerisch mit stürmischen Böen bei max. 20°C. | ||
+ Ermittlungen gegen IBB-Vorstände wegen Untreue-Verdachts + Noch mehr Senatoren sind mit Bahncard 100 unterwegs + Berlins Flughafengesellschaft verbucht 352 Millionen Euro als „Bestellobligo“ und gibt keine weiteren Informationen preis + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, als der Checkpoint vor Wochen zum ersten Mal über Seltsamkeiten bei der Vergabe von Corona-Geldern berichtete, wiesen die Verantwortlichen alle Vorwürfe empört zurück. Doch gestern früh bekamen wir einen Hinweis, den die Staatsanwaltschaft bald darauf bestätigte: Gegen vier Vorstandsmitglieder und einen weiteren Mitarbeiter der landeseigenen Förderbank IBB wird wegen des Verdachts der Untreue und der Beihilfe zur Untreue ermittelt. Betroffen neben den Vorständen: die Generalbevollmächtigten und die Leitung Compliance. Die Ermittler gehen davon aus, dass es bei der IBB keine ausreichenden Kontroll- und Schutzmechanismen gegen Missbrauch gab. Eine unbürokratische Auszahlung der Hilfsgelder war politisch gewollt – kleinen Unternehmen und Selbstständigen sollte so schnell wie möglich geholfen werden. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, qua Amt Vorsitzende des IBB-Verwaltungsrats, verteidigte das Vorgehen deshalb gestern ebenso wie Finanzsenator Matthias Kollatz („Ich würde das wieder tun“). Beide gehören auch dem Risiko- und Prüfungsausschuss der IBB an. In anderen Bundesländern gab es zumindest Plausibilitätsprüfungen – dort wären wohl auch einige kuriose Mini-Anträge aufgefallen, die in Berlin anstandslos bewilligt wurden: Siebzehn Mal überwies die IBB neun Euro, zehn mal fünf Euro und einmal sogar einen Euro. Insgesamt reichte die IBB 1,8 Milliarden Euro aus. „Die Bewilligungspraxis der IBB ist durch Beschlüsse von Senat und Abgeordnetenhaus gedeckt“, sagte gestern die Wirtschaftssenatorin. Ob sie auch rechtmäßig war, ist damit allerdings nicht gesagt. | |||
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Sandra Scheeres ist nicht das einzige Senatsmitglied, das sich vom Bundesrat mit einer Bahncard 100 (1. Klasse) hat ausstatten lassen (aktuell 6685 Euro) – hier eine Checkpoint-Übersicht: Ramona Pop beantragte im Oktober 2019 eine Bahncard beim Bundesrat, „um Termine bei den kommenden Wirtschafts- und Energieministerkonferenzen wahrzunehmen“ (die dann wegen Corona nicht physisch stattfanden). „Eine private Nutzung der Karte erfolgte nicht“. Dirk Behrendt: „Der Justizsenator nutzte die Bahncard 100 im Jahr 2019 beispielsweise für Dienstreisen nach Nürnberg, Landau, Leipzig, Prag und zweimal nach Mainz. Diese Liste ist eine Stichprobe, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Das Eisenbahnneuordnungsgesetz gestattet auch eine private Nutzung.“ Dilek Kalayci: Sie nutzt die Karte „gemäß den juristischen Vorgaben“. Michael Müller: Die Senatskanzlei beantwortete unsere Frage, ob der Regierende Bürgermeister eine Bahncard 100 vom Bundesrat beantragt hat, so: „Nein, die Karte wurde vom Bundesrat zur Verfügung gestellt.“ Der Bundesrat wiederum gibt an, dass eine Bahncard nicht einfach verschickt wird, sondern beantragt werden muss. Die weiteren Fragen an die Senatskanzlei: „Zu welcher Sitzung reiste der Regierende mit der Bahn an?“ Antwort: „Zu keiner“. Frage „Wurde die Bahncard 100 auch privat genutzt?“ Antwort: „Nein“. Andreas Geisel, Matthias Kollatz, Katrin Lompscher, Klaus Lederer, Elke Breitenbach und Regine Günther haben nach Angaben ihrer jeweiligen Verwaltung keine Bahncard 100 beim Bundesrat beantragt. Breitenbach hatte bis 2018 eine private Bahncard 50, „die sie auch dienstlich nutzte“. Günther hat eine dienstliche Bahncard 50 (1. Klasse), die sie für Reisen zu Verkehrs- und Umweltministerkonferenzen nutzt, und darüber hinaus „eine privat bezahlte Bahncard 50 (2. Klasse)“. | |||
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Ulrich Zawatka-Gerlach, seit Jahrzehnten landespolitischer Korrespondent des Tagesspiegels, rechnet ab mit dem amtierenden Senat („Club der lahmen Enten“). Ausschnitte aus seiner Analyse: „Müller, Kalayci und Scheeres, die dem Senat seit 2011 angehören, haben ihre Schwächen im Lauf ihrer politischen Karriere den Bürgern ziemlich deutlich offenbart.“ „Finanzsenator Matthias Kollatz wird von führenden Genossen in der SPD-Abgeordnetenhausfraktion inzwischen so systematisch gemobbt, dass nicht davon auszugehen ist, dass er nach der Wahl bleibt.“ „Die Linken-Politikerin und ehemalige Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher galt schon lange als angezählt. Dass sie jetzt nicht über ihre umstrittene Bau- und Planungsphilosophie, sondern über einen dummen persönlichen Fehler stolperte, ist persönlich gesehen tragisch.“ „Dagegen sitzt die Grünen-Verkehrssenatorin Regine Günther, die von vornherein nicht regieren und administrieren konnte, immer noch fest im Sattel. Gleiches gilt für den selbstverliebten Justiz- und Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt, der im Amt vor allem seine Hobbys pflegt.“ Das Fazit der Bilanz ein gutes Jahr vor der nächsten Wahl: „Rational lässt sich das kaum erklären.“ | |||
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Selten war ein Umfrage-Ergebnis im Checkpoint bei hoher Beteiligung so klar - 86 % derjenigen, die daran teilnahmen, erklärten: „Von der Verkehrspolitik des Senats sind wir ziemlich enttäuscht“. Darunter dürften Fußgängerinnen, Autofahrer und Radfahrerinnen gleichermaßen gewesen sein. Nach dem schrecklichen Wochenende mit vielen schweren Unfällen fordern jetzt die Organisation Changing Cities und der ADFC: „Das Töten auf den Straßen muss enden.“ Den Vorschlag für ein Sofortprogram finden Sie hier. | |||
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352 Millionen Euro sind im Konzernabschluss 2019 der Flughafengesellschaft als „Bestellobligo“ aus Investitionsaufträgen und Beraterverträgen aufgeführt – aber wofür genau wurde das Geld ausgegeben? Zwei Antworten gibt es darauf von dem Unternehmen, das durch einen nichteröffneten Flughafen und Milliardenverluste nicht nur in Berlin weltberühmt wurde. Suchen Sie sich eine aus: 1) Eine Auskunft darüber lehnt die FBB „unter Berufung auf die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ ab. 2) Eine Auskunft darüber lehnt die FBB unter Berufung auf Unwissenheit ab – ihr liege keine Zusammenstellung vor, „da die Informationen in unterschiedlichen Systemen sowie teilweise in nicht systemseitig auswertbaren Datenquellen (zum Beispiel Rechnungsanhängen) vorliegen.“ Gescheitert an Rechnungsanhängen! Das würde das Finanzamt keiner Würstchenbude durchgehen lassen. Wie unter diesen Umständen der BER fertig gebaut werden konnte, bleibt ebenfalls ein Bertriebs- und Geschäftsgeheimnis. | |||
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Phantomkanzler Söder verwechselt sein Volk offenbar mit einer Pferdehorde und sich selbst mit Ben Cartwright – jedenfalls will er in Sachen Corona jetzt „die Zügel wieder anziehen“. Hühühüstel. Doch tatsächlich sind es die Ministerpräsidenten, die wild durcheinander galoppieren und nicht zu einheitlichen Regelungen finden. Und Berlin reitet wie immer vorneweg: In jedem Bezirk werden die Quarantäneregeln anders ausgelegt. Und was ist mir der Corona-App? Bei unserer Umfrage gestern bekannten 62 %, dass sie das Ding schon vergessen haben, nur 30 % gibt sie „ein gutes Gefühl“. Laut Douglas Adams ist „42“ die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest – aber was hat es zu bedeuten, wenn mir meine Corona-App anzeigt „42 von 14 Tagen aktiv“? Und wie geht’s im Herbst weiter, wenn sich das gesellschaftliche Leben wetterbedingt wieder zurück in die Aerosol-Höllen verzieht? | |||
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Unsere neue Aktion „Wer sucht was“ widmen wir heute der ersten privaten Beirut-Luftbrückenaktion (Spielzeug, Kleidung, Kinderbücher u.a.), die wir hier am Montag vorgestellt haben – Mitinitiatorin Hannah Schmidt schreibt nach dem ersten erfolgreichen Flug mit 190 kg Hilfsgütern: „Wir suchen dringend ein Logistikunternehmen, in dem wir (kostenlos) die Sortierung und Verpackung der Kisten übernehmen könnten. Idealerweise auch mit Verpackungsmaterial und Transport zum Flughafen Tegel (möglichst auch dort in der Nähe).“ Also, wenn Sie helfen können: Wir vermitteln das gerne unter checkpoint@tagespiegel.de – vielen Dank! | |||
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